Finanzstabilitätsbericht

Bundesbank warnt Banken vor Spätfolgen der Zinswende

Auch wenn Banken und Sparkassen aktuell von sprudelnden Zinsüberschüssen profitieren, sind die Risiken der Zinswende noch lange nicht ausgestanden, schreibt die Bundesbank im Finanzstabilitätsbericht.

Bundesbank warnt Banken vor Spätfolgen der Zinswende

Deutschlands Banken und Sparkassen haben die Zinswende aus Sicht der Bundesbank bisher gut verkraftet, doch sind zugleich noch nicht alle Folgen sichtbar. Die Branche stehe vor steigendem Zinsaufwand und trage nach hohen Wertverlusten im vergangenen Jahr stille Lasten mit sich herum, warnte Vizepräsidentin Claudia Buch am Donnerstag anlässlich des neuen Finanzstabilitätsberichts der Bundesbank in Frankfurt. Auch bestehe erhöhtes Risiko von sinkenden Marktpreisen und entsprechenden Verlusten. "Insgesamt wäre es verfrüht, Entwarnung zu geben", sagte sie.

Die Kreditwirtschaft könne die stark gestiegenen Zinsüberschüsse nicht in die Zukunft fortschreiben. Bisher profitiere die Branche davon, dass Kunden nur allmählich ihr Erspartes in höher verzinste Termineinlagen umschichteten – auch wenn private Haushalte allein im ersten Halbjahr netto 89 Mrd. Euro neu in Termineinlagen anlegten. Weil zugleich höhere Zinsen für neue Kredite und Eigenanlagen üblich sind, stieg die Marge der Geldhäuser deutlich an.

Banken und Sparkassen konnten auf diese Weise kompensieren, dass sich Zinserhöhungen im Kreditgeschäft wegen der oft langen Zinsbindung erst nach und nach durchsetzen lassen, während die Sätze im Einlagengeschäft variabel sind. Technisch ausgedrückt: Die Belastung aus dem Strukturbeitrag im Zinsüberschuss fällt geringer aus als der Zuwachs, der sich durch die geringen Einlagenzinsen im Passivgeschäft ergibt (siehe Grafik).

Nach Prognosen der Bundesbank werden Banken ihren Zinsüberschuss daher im laufenden Turnus um etwa 17 Mrd. Euro von zuvor annähernd 92 Mrd. Euro aufstocken. Doch das werde eher nicht von Dauer sein, heißt es im Finanzstabilitätsbericht. "Zukünftig könnte ein höherer Zinsaufwand den Zinsüberschuss wieder drücken." Bereits im laufenden zweiten Halbjahr fiel der Zinsüberschuss ab.

Stille Last statt Reserve

Ein weiterer Schwachpunkt sind die Folgen von Bewertungsverlusten, die sich aus steigenden Zinsen ergeben. Zum Teil sind sie bereits verdaut: So verbuchten Sparkassen und Kreditgenossenschaft im vergangenen Jahr wegen sinkender Marktpreise Verluste von 13,5 Mrd. Euro, wie die Bundesbank festhält. Doch sind längst nicht alle Bewertungsverluste in die Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Banken eingeflossen: Stattdessen bauten die Institute stille Bewertungsreserven ab, die sich zuvor nach Jahren stetig gefallener Zinsen gebildet hatten. Rund 21 Mrd. Euro betrug der Rückgang dieser Reserven im vergangenen Jahr. Auch bauten die Geldhäuser neue stille Lasten in Höhe von knapp 12 Mrd. Euro auf.

Unterm Strich hortet die Branche im Zinsbuch anders als früher mehr stille Lasten als Reserven. So liegt der Anteil der Institute mit stillen Lasten bei etwa zwei Dritteln. Die Lage hat sich zwar im laufenden Jahr etwas entspannt, doch drohen in Stressphasen laut Bundesbank Engpässe. "Institute könnten zögern, ihre Liquidität über den Verkauf von Wertpapieren zu verbessern", sagte Buch. Denn verkauft eine Bank eine Anleihe vorzeitig, muss sie etwaige Wertverluste tragen, die sich andernfalls bis Ende der Laufzeit aufgelöst hätten.

Zum Teil haben die Institute Abschreibungen vermeiden können, indem sie Wertpapiere umwidmeten. Nach HGB bilanzierende Geldhäuser schoben Wertpapiere aus dem Umlauf- in das Anlagevermögen. Dadurch stieg das Anlagevermögen im Bankbuch im vergangenen Jahr von 14% auf 44%. Ähnlich verhielten sich große, nach IFRS bilanzierende Banken: Sie erfassen nun weniger Papiere zum Marktwert, sondern zu Anschaffungskosten. Der Anteil stieg hier von 32% auf 41%.

Angst vor weiterer Zinsunruhe

Der Zinsanstieg um rund 3 Prozentpunkte im vergangenen Jahr markiert den mit Abstand stärksten Zuwachs seit Jahrzehnten. Die Branche blickt nun aufmerksamer auf Zinsänderungsrisiken: Die Absicherung über Zinsswaps hat im vergangenen Jahr in allen Sparkassen und Kreditgenossenschaften zugenommen, wie die Bundesbank schreibt. Der Anteil der Sparkassen, die Zinsswaps für mehr als 10% ihrer Bilanzsumme abschließen, stieg von 31% auf 38%. Bei Genossenschaftsbanken wuchs der Anteil von 9% auf 15%.

Die Sorge vor Zinsrisiken treibt auch die Aufsicht um. Rund zwei Drittel der Geldhäuser müssen aus diesem Grund mit einem Zuschlag bei den Kapitalanforderungen leben, wie Buch ausführte. Die zusätzlichen, von der Aufsicht verhängten Zuschläge entfallen damit überwiegend auf Zinsänderungsrisiken, und zwar mit 16 Mrd. Euro von insgesamt 30 Mrd. Euro. Die Bundesbank bezieht sich dabei auf die kleinen und mittelgroßen Geldhäuser, die nicht direkt von der EZB überwacht werden, sondern von BaFin und Bundesbank.

Insgesamt ist die Kreditwirtschaft solide kapitalisiert: Das Überschusskapital, das die Branche zusätzlich zu Mindestanforderungen, Kapitalpuffern und individuellem Zuschlag hält, belief sich zur Jahresmitte auf 160 Mrd. Euro. Am sogenannten antizyklischen Kapitalpuffer von 0,75% und am Puffer von 2% für inländische Wohnimmobilienkredite hält die deutsche Aufsicht fest. Wegen des hohen Überschusskapitals bremsten die Puffer die Kreditvergabe keineswegs, betonte Buch. Zugleich wappne sich die Branche so für etwaige künftige Lasten.

Augen sind auf 2028 gerichtet

Weil viele Privatleute während der Tiefzinsphase für Wohnkredite eine lange Zinsbindung wählten, profitieren sie heute noch von niedrigen Zinsen – und sind damit auch eher in der Lage, ihre Kreditraten zu bezahlen. Gerade im Jahr 2028 läuft jedoch die Zinsbindung vieler Kreditnehmer ab, wie Buch warnte. Ob das künftig ein Problem darstelle, müsse sich zeigen, für eine Prognose sei es zu früh. Insgesamt wählten Privatleute nach der Zinswende nun wieder etwas seltener als zuvor lange Zinsbindungsfristen aus, wie die Bundesbank weiter festhält.

In der Finanzierung gewerblicher Immobilien sind kürzere Zinsbindungsfristen üblich. Zinsänderungsrisiken sind für Banken also geringer, zugleich steigt die Belastung für die Kunden. Auch deshalb zeigen sich im Segment gewerblicher Immobilien höhere Risiken als bei Wohngebäuden, wie Buch ausführte. "Kreditrisiken gehen insbesondere von Gewerbeimmobilien aus."

Keine Angst vorm digitalen Euro

Digitales Zentralbankgeld als Alternative zum Bargeld birgt nach Darstellung der Bundesbank für die deutsche Kreditwirtschaft lediglich geringe Risiken. Wenn Privatleute einen digitalen Euro erwürben, käme es zwar zu einem Abfluss von Liquidität aus dem Bankensektor. Das Risiko sei jedoch verkraftbar. "In bestimmten Szenarien könnten zwar Engpässe auf Einzelbankebene auftreten", schreiben die Experten. "Die Auswirkungen auf den gesamten deutschen Bankensektor dürften jedoch eher gering sein."

Die Bundesbank verweist auf das diskutierte Haltelimit pro Person von 3.000 Euro. Würden alle potenziellen Nutzer das Limit ausschöpfen, flössen dem Bankensystem etwa 7% der vorhandenen Liquidität ab. Tatsächlich wäre der Abfluss laut Bundesbank aber deutlich geringer. Zum einen würden demnach zunächst nur technikaffine Nutzer, die über ein Online-Konto verfügen, digitales Zentralbankgeld erwerben. Zum anderen besitzen viele Menschen gar nicht genug Geld, um das Limit auszuschöpfen.

Die EZB bereitet derzeit einen digitalen Euro vor, doch ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die EU-Kommission hat zwar bereits Vorschläge für einen Rechtsrahmen gemacht, doch ist die Gesetzgebung nicht abgeschlossen. In der Kreditwirtschaft geht die Befürchtung um, dass ein digitaler Euro die Rolle gewöhnlicher Banken beschneiden könnte.

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