„Da ändert sich gerade einiges“
Im Gespräch: Barbara Eibinger-Miedl und Gerhard Wiesheu
„Da ändert sich gerade einiges“
Die österreichische Finanz-Staatssekretärin und der Vorstand des Bankenverbands über steigendes Interesse junger Menschen an Finanzbildung
Die Bemühungen der EU-Kommission ebenso wie der nationalen Regierungen und der Kreditwirtschaft, insbesondere jungen Menschen mehr Finanzbildung zu vermitteln, laufen nicht zwangsläufig ins Leere. Denn wie Umfragen zeigen, steigt das Interesse der Jungen an Finanzbildung und Geldanlage.
Von Detlef Fechtner, Frankfurt
In Österreich und Deutschland wächst das Interesse junger Menschen an finanzieller Bildung. In Österreich sei viele Jahrzehnte lang in der Familie nicht über Geld geredet worden, berichtet Finanz-Staatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl im Gespräch mit der Börsen-Zeitung und dem österreichischen Medium „Die Presse“. „Aber da ändert sich gerade einiges.“ Die Jugend interessiere sich für Geldanlage, etwa auch für Kryptowährungen. In einer Studie seien Schülerinnen und Schüler gefragt worden, welche Themen und Gegenstände sie gerne als Schulfach in ihrem Stundenplan haben wollten. „Über 80% haben geantwortet: Finanzbildung.“ Und das jüngste österreichische Aktien-Barometer dokumentiere einen Anstieg des Anteils der Aktienbesitzer an der Gesamtbevölkerung, erinnert Eibinger-Miedl.
Gerhard Wiesheu, Mitglied des Vorstands des Bundesverbands deutscher Banken, kann den Befund auch für Deutschland bestätigen. Jugendliche interessierten sich stärker als früher für Finanzanlagethemen. Zudem belegten wissenschaftliche Studien ein gesteigertes Interesse an einem Schulfach Finanzielle Bildung. Der Dialog mit jungen Kunden sei in der Finanzberatung heute deutlich anspruchsvoller als früher – und das sei gut so. „Die Zugänge zu finanzieller Bildung sind heute niedrigschwelliger.“
Österreichs Finanzministerium und Finanzmarktaufsicht orientierten sich bei ihren Bemühungen, mehr Verständnis für alle Fragen rund um Geld, Zinsen und Aktien zu schaffen, an den veränderten Bedürfnissen und Kommunikationsformaten. „Wir stellen uns auf die Nachfrage der jungen Menschen ein“, unterstreicht die Staatssekretärin. Die österreichische Finanzmarktaufsicht erkläre in einminütigen Videos komplizierte Sachverhalte. Und das Finanzministerium organisiere Workshops auch über Themen wie Kryptowährungen. Die Aufklärung müsse freilich wertfrei und qualitätsgesichert sein. „Es werden keine konkreten Finanzprodukte besprochen oder beworben.“
Die Aufmerksamkeit, so Wiesheu, sei heute eine andere, darauf müssten Finanzbildungsangebote reagieren. Diese Angebote offerierten sehr konkrete Antworten auf Fragen – wie das etwa ein „Rentenrechner“ tue.
„Finanz-Navi“
Österreichs Behörden konzentrierten ihre Angebote allerdings nicht allein auf Jugendliche. Sie verfolgten bei ihrer Finanzbildungsstrategie einen „Life-Cycle-Ansatz“. „Wir wollen Finanzwissen von den ersten Entscheidungen, wo Menschen mit Geld zu tun haben, bis zur Altersvorsorge.“ So werde Interessierten beispielsweise das Online-Portal „Finanz-Navi“ offeriert, wo sie per Mausklick leichter als früher Antworten auf Fragen erhielten. Niemand müsse, wenn er es nicht wolle, von Angesicht zu Angesicht über Geld sprechen.
Ein zentrales Element der Anstrengungen für mehr Finanzbildung sei die Unterstützung der Multiplikatoren. So lege das österreichische Bildungsministerium mittlerweile einen Schwerpunkt auf Finanzbildung, erläutert Eibinger-Miedl.
Zertifikate für Vorreiter
Ab Herbst werde Österreich Zertifikate, also Auszeichnungen, an Schulen verleihen, die Vorreiter in der Finanzbildung seien. „Damit motivieren wir auf freiwilliger Basis, sich dem Thema stärker zu widmen, etwa über Projekttage.“ Und es werde 50 Schulen geben, die – ebenfalls auf freiwilliger Basis – das Schulfach Finanzbildung bereits einführen, sagt die Finanz-Staatssekretärin.
In Deutschland gebe es ebenfalls zahlreiche Angebote für Lehrer, berichtet Wiesheu. Sie seien in der Tat freiwillig. „Und ja, gemeinhin werden diese Angebote von Pädagogen wahrgenommen, die ohnehin ein Interesse an Finanzthemen haben“, sagt der Bankenverbands-Vorstand, der zugleich Themenpate für Finanzbildung ist. Die Einrichtung eines Faches Finanzbildung würde die Weiterbildung von Lehrkräften in diesem Bereich sicherlich erleichtern. Dass die EU im Rahmen der Spar- und Investitionsunion finanzielle Bildung ausdrücklich unterstützt, findet Wiesheu hilfreich. Denn das strahle auf die Mitgliedstaaten aus, die gemeinsam mit den Bundesländern für die Umsetzung zuständig seien. Österreich sei von der EU-Kommission übrigens aktiv beim Aufbau eines Finanzbildungs-Tools unterstützt worden, erzählt Eibinger-Miedl.
In Österreich hat das Finanzministerium beim Finanzbildungsrat den Vorsitz, die Oesterreichische Nationalbank den Co-Vorsitz und andere Ministerien sind auch vertreten. Derweil konstatiert Wiesheu: „Was in Deutschland fehlt, ist eine nationale Strategie.“