Im PodcastDominik von Scheven, Hamilton Lane

Das 106-Billionen-Dollar-Problem

Bis 2040 sollten laut McKinsey weltweit mehr als 100 Bill. Dollar in die Infrastruktur investiert werden. Das ist ohne Mithilfe der Privatwirtschaft nicht zu stemmen. Doch in Deutschland sind öffentlich-private Partnerschaften noch unterentwickelt.

Das 106-Billionen-Dollar-Problem

Im Podcast: Dominik von Scheven

Das 106-Billionen-Dollar-Problem

Bis 2040 sind laut McKinsey weltweit gigantische Infrastrukturinvestitionen nötig – Politik und Privatwirtschaft müssen zusammenfinden

Von Philipp Habdank, Frankfurt

Die Unternehmens- und Strategieberatung McKinsey schätzt, dass bis zum Jahr 2040 weltweit 106 Bill. Dollar für Investitionen Infrastruktur nötig sein werden. Fast zwei Drittel dieser gigantischen Investitionssumme falle in Asien an. Den Bedarf in Amerika schätzt McKinsey auf 16 Bill. Dollar. In Europa seien es 13 Bill. Dollar. Afrika und Ozeanien fallen im Ranking mit 5 bzw. 2 Bill. Dollar Investitionsbedarf deutlich ab. 

Während es in den asiatischen Ländern vornehmlich um neue Infrastrukturprojekte geht, gilt es für die Europäer in erster Linie darum, ihre in die Jahre gekommene Infrastruktur zu modernisieren. Neben maroden Straßen, Brücken und Schienen müssten zudem digitale Netzwerke modernisiert werden. Hinzu kämen umfangreiche Projekte im Bereich erneuerbarer Energien und die Modernisierung der Stromnetze, da Europa weltweit die ehrgeizigsten Klimaziele verfolge. 

Weltweit teilen verteilen sich die 106 Bill. Dollar Kapitalbedarf auf sieben Sektoren auf: Transport & Logistik (36 Bill.), Energie & Strom (23 Bill.), Digitales (19 Bill.), Soziales (16 Bill.), Abfall & Wasser (6 Bill.), Agrar (5 Bill.) und Verteidigung (2 Bill.).

Wachsende Bedeutung privater Investoren

Der Großteil der finanziellen Infrastrukturmittel stammen McKinsey zufolge zwar weiterhin aus staatlichen und öffentlichen Quellen. Doch die Bedeutung von privaten Investoren habe über die Jahre stetig zugenommen. Bis Ende 2016 hätte das von privaten Investoren verwaltete Infrastrukturvermögen noch bei 500. Mrd. Dollar gelegen. Bis Ende 2024 habe es sich jedoch auf 1,5 Bill. Dollar verdreifacht. 

Die Infrastrukturfonds großer Finanzinvestoren werden dabei immer größer. Das aktuelle Vehikel der dieses Jahr von Blackrock übernommenen Global Infrastructure Partners schloss bei 25,2 Mrd. Dollar. Der schwedische Finanzinvestor EQT schloss seinen sechsten Infrastrukturfonds dieses Jahr bei 21,5 Mrd. Euro. In Deutschland ist EQT unter anderem seit 2020 in Deutsche Glasfaser investiert. 

Infrastruktur entwickelt sich als Anlageklasse weiter

Früher hätte so ein Investment wohl nicht in die Anlageklasse gepasst. Ursprünglich seien McKinsey zufolge unter Infrastruktur fast ausschließlich physische Assets wie Straßen, Häfen und Brücken gefallen. Über die Jahre habe sich die Definition von Infrastruktur jedoch erweitert und umfasse heute neben Stromnetzen sogar Dienstleistungen und Technologien wie künstliche Intelligenz, erneuerbare Energien und die E-Mobilität. 

Diese Woche kündigte der US-Finanzinvestor Apollo an, über ein Joint Venture mit dem Energieversorger RWE in das deutsche Stromnetz investieren zu wollen. Apollo hat sich wie viele andere große Finanzinvestoren wie KRR, Blackrock oder Blackstone der „Made for Germany“-Initiative angeschlossen, über die mehr Investitionen in Deutschland angeschoben werden sollen. Auch deutsche institutionelle Investoren wie Allianz oder die KfW sind Teil der Initiative. 

Deutsche Investoren investieren im Ausland

Deutsche Versicherungen und Pensionskassen investieren bereits signifikant in Infrastruktur. Einer Umfrage des Branchenverbands BAI unter 111 institutionellen Investoren waren Ende 2024 bereits 85% in Infrastruktur-Equity investiert. Weitere knapp 50% investierten darüber hinaus auch in Infrastruktur-Debt. Die meisten Investments erfolgten in den Bereichen erneuerbare Energien und digitale Infrastruktur. 

Das löst allerdings noch nicht das Problem der maroden deutschen Straßen, Brücken und Schienen, die es zu modernisieren gilt. Zwar investieren laut der Umfrage rund die Hälfte der deutschen institutionellen Investoren auch in die Sektoren Transport, soziale Infrastruktur und Versorgung. Hierbei gehe es jedoch überwiegend um Projekte im Ausland. Als Gründe nennt der BAI mehrere. Problematisch sei vor allem die aus Investorensicht unattraktive Risiko-Rendite-Struktur verglichen mit dem europäischen Ausland. So herrsche ein Mangel an Projekten mit 8 bis 10% annualisierter Rendite. 

Zu hohe Kapitalkosten

Das liegt unter anderem an den Kapitalkosten, die in Deutschland bei vielen Projekten zu hoch seinen, sagt Dominik von Scheven im Podcast „Beyond Billions“. Der Managing Director des US-Vermögensverwalters Hamilton Lane verwaltet im Bereich Infrastrukturbeteiligungen 80 Mrd. Dollar, doch deutsche Investments fehlen bislang. Der deutsche Markt sei zwar interessant, doch von Scheven weist darauf hin, dass hierzulande viele der großen Infrastrukturprojekte und -unternehmen sich noch in staatlicher Hand befänden. Beispielsweise die Deutsche Bahn. Der Bedarf an Infrastrukturinvestitionen sei sicherlich sehr, sehr hoch in Deutschland – doch die private Wirtschaft spiele dabei eine relativ kleine Rolle. 

Das dürfte daran liegen, dass es in Deutschland weniger erfolgreiche öffentlich-private Partnerschaften gibt als in anderen Ländern. Als Vorbilder nennt von Scheven Kanada, Australien oder Großbritannien. Dort seien viele Partnerschaften zwischen Staat und Investoren erfolgreich, weil auf der staatlichen Seite das nötige Know-how vorhanden sei, um große und komplexe Infrastrukturprojekte erfolgreich durchzuführen. Der Staat müsse Leute einstellen, die etwas von dem Fach verstehen, sagt von Scheven. 

Was Deutschland von der Schweiz lernen kann

Auch von der Schweiz könne man sich laut Scheven etwas abschauen. Dort würden sich viele lokale Pensionskassen und Versicherungen an lokalen Infrastrukturprojekten oder -unternehmen beteiligen. Dieser lokale Ansatz könne auch in Deutschland stärker gefördert werden. Sinnvoll wäre es, angesichts des hohen kommunalen Investitionsrückstands. Dem BAI zufolge belaufe sich der Investitionsstau allein in der kommunalen Infrastruktur in Deutschland auf rund 186 Mrd. Euro. 

Politische Initiativen wie das 500 Mrd. Euro schwere Sondervermögen, von dem 100 Mrd. Euro für Länder und Kommunen vorgesehen sind, gehen in die richtige Richtung. Die Crux besteht nun darin, diese Mittel effizient und zielgerichtet einzusetzen und mit privatem Kapital zu hebeln – unter anderem über öffentlich-private Partnerschaften. Diese müssen dafür aus Investorensicht allerdings attraktiver werden. Staatliche Zuschüsse, Risikoübernahmen, Liquiditätshilfen oder Steuergutschriften könnten dabei helfen.

Bis 2040 sollten laut McKinsey weltweit mehr als 100 Bill. Dollar in die Infrastruktur investiert werden. Das ist ohne Mithilfe der Privatwirtschaft nicht zu stemmen. Doch in Deutschland sind öffentlich-private Partnerschaften noch unterentwickelt, sagt Hamilton-Lane-Manager Dominik von Scheven im Podcast.