Das ESG-Datendilemma der Banken
Das ESG-Datendilemma der Banken
Ist Nachhaltigkeit für Mittelständler in Deutschland kein Thema mehr? Der Eindruck könnte fast entstehen – schließlich werden sie im Zuge der Omnibus-Initiative von Reportingpflichten entlastet. „In der Breite hat sich einfach manifestiert: ESG ist tot“, beobachtet Michael Sindram, Geschäftsführer der Datenanalyse-Plattform OpenESG, im Podcast „Nachhaltiges Investieren“ der Börsen-Zeitung. Dabei sei das Gegenteil der Fall – gerade in der Bankenwelt würden ESG-Risiken immer relevanter.
Unangenehme Diskussionen
Da mittelständische Firmenkunden die Nachhaltigkeitsdaten nicht im Rahmen einer Berichtspflicht erfassen, müssen Banken nachfragen. „Dann kommen Sie natürlich in eine sehr unangenehme Diskussion. Sie sind sofort in der Rechtfertigungspflicht“, sagt Sindram. Für eine Studie hat OpenESG mit Partnern gerade 165 Teilnehmer aus deutschen Finanzinstituten zur Relevanz von ESG-Daten befragt. Dabei wurde deutlich, dass es den Banken zunehmend schwerfällt, die erforderlichen Angaben zu erheben, gerade im Mittelstand.
In der Kreditvergabe an kleinere Unternehmen nutzen zwei Drittel der Banken hauptsächlich Branchen- oder Durchschnittswerte. Mit Blick auf das Risikomanagement ist das schwierig, findet Sindram – er sieht die Gefahr einer Negativauslese. „Wenn ich ein Unternehmen bin mit einem sehr schlechten ESG-Footprint, dann bin ich natürlich froh, wenn ich den Durchschnittswert bekomme“, erklärt er. Wer hingegen über dem Branchendurchschnitt liege, werde benachteiligt. „Das ist aus Risikomanagementgesichtspunkten definitiv nicht die optimale Lösung.“
Erfahrung aus der Industrie
Sindram war mehrere Jahre selbst in Führungspositionen in Industrieunternehmen tätig, etwa als Geschäftsführer der Wrede Industrieholdung und als Vorsitzender des Vorstands bei dem Hersteller von Holzwerkstofferzeugnissen Westag. Auch wenn er heute aus Investorensicht auf ESG-Themen schaut, erinnert er sich noch an die Erfahrungen, die er als Manager mit nicht-finanziellen Reportings gemacht hat. „Ich habe mich auch damals schon gefragt: Welchen Mehrwert bringt mir jetzt dieses Papier?“
Viele Nachhaltigkeitsaspekte seien auch in mittelständischen Unternehmen ohnehin bereits fest in den Alltag eingebunden, ist Sindram sicher – sie würden nur nicht immer mit dem Schlagwort ESG verknüpft. Es gehe bei Umwelt, Sozialem und Governance um unternehmerische Kernherausforderungen wie Energiekostenmanagement, Mitarbeitergewinnung oder auch Rechts- und IT-Risiken. Diese Perspektive sei in der öffentlichen Wahrnehmung zu wenig präsent, findet Sindram. „ESG ist mir zu sehr mit Regulatorik, Pflicht, Verzicht und Zwang verbunden, anstatt zu sagen: Hey, ESG ist eigentlich das, was ich schon immer gemacht habe – nämlich das Hinterfragen meines Geschäftsmodells, das Sicherstellen einer Zukunftsfähigkeit, einer Existenzberechtigung in der Zukunft.“
