IM BLICKFELD

Das große Zittern im Sparkassenlager

Von Annette Becker, Düsseldorf Börsen-Zeitung, 21.10.2015 Reichlich bizarr mutet der Streit zwischen der Stadtsparkasse Düsseldorf und ihrem Träger, der Stadt Düsseldorf, an. Im Disput über die Ausschüttung für 2014 haben sich Arndt Hallmann, Chef...

Das große Zittern im Sparkassenlager

Von Annette Becker, DüsseldorfReichlich bizarr mutet der Streit zwischen der Stadtsparkasse Düsseldorf und ihrem Träger, der Stadt Düsseldorf, an. Im Disput über die Ausschüttung für 2014 haben sich Arndt Hallmann, Chef der Stadtsparkasse, und Thomas Geisel (SPD), Oberbürgermeister (OB) der Landeshauptstadt, festgefahren. Beide Seiten wollen keinen Millimeter von ihrer Ausgangsposition weichen. Das heißt, OB Geisel, der zugleich Vorsitzender des Verwaltungsrats der Sparkasse ist, hat seine Ausgangsposition schon ein wenig geräumt, forderte er zuletzt doch “nur” noch 22,5 Mill. Euro nach anfänglich 26 Mill. Euro.Inzwischen ist der Fall im Finanzministerium von Nordrhein-Westfalen gelandet, das die Rechtsaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute des Landes führt und nun über die Rechtmäßigkeit des Jahresabschlusses der Sparkasse entscheiden muss. Geisel zweifelt das mit einer Beanstandung an, die Mehrheit im Verwaltungsrat ist anderer Ansicht. Das allerdings hat eher politische Gründe; denn während Geisel im Stadtrat die Mehrheit hinter sich hat, haben sich die Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsrat auf die Seite der Opposition aus CDU und Linken geschlagen.Nun ist es an NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), ein Urteil zu fällen. Das ist gar nicht so einfach, will der Minister seinen Parteigenossen einerseits doch nicht öffentlich brüskieren, andererseits aber auch keine gerichtliche Auseinandersetzung riskieren. Zu dieser könnte es kommen, wenn die Entscheidung am Ende vor das Verwaltungsgericht getragen würde. Daher hat sich Walter-Borjans aufs Aussitzen verlegt. Der Minister setzt weiterhin auf einen Kompromiss, der letztlich dazu führt, dass Geisel die Beanstandung zurückzieht. Als Vermittler ist Michael Breuer, Präsident des Rheinischen Sparkassenverbands (RSGV), auserkoren. GrundsatzfragenEinen vergleichbaren Fall gab es in der Geschichte der Sparkassen und ihrer kommunalen Träger noch nie. Normalerweise üben Vorstand und Träger den Schulterschluss, indem der Sparkassenvorstand seinem Verwaltungsratsvorsitzenden schon vor der Aufstellung der Bilanz seine Vorstellungen mit Blick auf die Reservedotierung präsentiert.Doch nicht nur aufgrund der Einzigartigkeit des Falls erlangt der Streit weit über die Stadtgrenzen Düsseldorfs hinaus Aufmerksamkeit. Es geht vielmehr um Grundsätzliches. Etwa um die Frage, in wessen Zuständigkeit die Entscheidung über die Gewinnverwendung fällt und wie der Begriff Gewinn dabei definiert ist. Denn der Disput, wird befürchtet, könnte – gerade in Zeiten leerer kommunaler Kassen – für alle Sparkassen Konsequenzen haben.Erschwerend kommt hinzu, dass außerhalb von NRW Ausschüttungsstaffeln in den Sparkassengesetzen festgeschrieben sind, die an die Eigenkapitalquoten geknüpfte Ausschüttungsgrenzen definieren. Nun geht die Sorge um, dass auch andere Bundesländer an der Ausschüttungsstaffel rütteln. Künftig, so warnt ein Vorstand einer großen Sparkasse, werden ganz andere Diskussionen geführt werden. “Das schadet der jeweiligen Stadt und ihrer Sparkasse gleichermaßen.”Während die Sparkassen argumentieren, dass der Vorstand gemäß Kreditwesengesetz (KWG) zum Aufbau von Reserven verpflichtet ist, somit frei über die Höhe der Zuführung in den Fonds für allgemeine Bankrisiken (§ 340g HGB) entscheidet und gemäß Sparkassengesetz auch zum Aufstellen des Abschlusses verpflichtet ist, beruft sich Geisel ebenfalls auf das Sparkassengesetz, nach dem der Verwaltungsrat über die Verwendung des Jahresüberschusses entscheidet – nach Geisels Dafürhalten natürlich vor der Dotierung der Rücklagen.Auch wenn das Gesetz diese Auslegung nicht hergibt, ist die Argumentation insoweit verständlich, als die Stadtsparkasse Düsseldorf in dem umstrittenen Abschluss 101 Mill. Euro und damit 97 % des Jahresüberschusses in die Reserven packte und dem Verwaltungsrat nur noch die Entscheidungsgewalt über 3,2 Mill. Euro ließ. Dabei hatte die Sparkasse 2014 weitaus mehr verdient als ursprünglich geplant, unter anderem weil ein hoher Veräußerungsgewinn eingefahren wurde.Tatsache ist aber auch, dass die Sparkassen gezwungen sind, ihre Kapitalpolster aufzustocken, um die beständig wachsenden Eigenkapitalanforderungen der Aufsicht zu erfüllen – bei absehbar rückläufigen Erträgen. Denn anders als Kapitalgesellschaften können die Anstalten öffentlichen Rechts ihr Eigenkapital einzig über die Gewinnthesaurierung stärken. Eine Kapitaleinlage seitens des Trägers ist allenfalls eine theoretische Option, die obendrein mit einer beihilferechtlichen Prüfung in Brüssel verbunden wäre. Dem setzt sich niemand ohne Not aus.Zwar ist die Reservebildung nach § 340g HGB keine Gewinnthesaurierung im herkömmlichen Sinne. Faktisch ist es aber der Weg, den Sparkassen einschlagen, um einer Diskussion über die Ausschüttungshöhe von vornherein den Boden zu entziehen. § 340g HGB ermögliche eine “Manipulation des ausschüttungsfähigen Gewinns”, räumt selbst ein Sparkassenvorstand ein.Die Dotierung des Fonds für allgemeine Bankrisiken ist erlaubt, “soweit dies nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wegen der besonderen Risiken des Geschäftszweigs der Kreditinstitute notwendig ist”, steht im einschlägigen HGB-Paragrafen. Doch was ist notwendig? Während Geisel behauptet, dass der Vorstand der Stadtsparkasse in seinen Annahmen zu schwarz malt, macht die Prüfungsstelle des RSGV keine “Übersicherung” aus. Gleichwohl wird dort eingeräumt, dass “die unterstellten Eigenmittelanforderungen vorsichtige, aber vertretbare Annahmen” enthalten. Abschluss 2014 ist tabuNach dem Bekunden aller Seiten muss die Causa auf einen Kompromiss hinauslaufen. Dieser kann sich aber nur auf künftige Ausschüttungen beziehen. Das Aufschnüren des testierten, aber bislang unwirksamen Abschlusses zöge dagegen weiteren Ärger nach sich – sowohl für Hallmann als auch für den RSGV. Hallmann, des rechtswidrigen Verhaltens bezichtigt, würde mit einem neuen Abschluss für 2014 den Vorwurf implizit bestätigen. Für den Sparkassenverband ist ein neuer Abschluss 2014 ebenfalls tabu, war es doch die Prüfstelle des Verbands, die den Abschluss mit uneingeschränktem Testat versah. “Wird das Testat kassiert, steht die BaFin am nächsten Tag auf der Matte”, orakelt ein Sparkassenfunktionär.Ob feste Ausschüttungsversprechen für die nächsten drei oder fünf Jahre am Ende ausreichen, um das zerrissene Tischtuch wieder zusammenzuflicken, dürfte sich im kommenden Jahr zeigen. Dann nämlich stehen die Verträge von Vorstandschef Hallmann und seinem Risikovorstand Martin van Gemmeren zur Verlängerung an – unstrittig eine Aufgabe des Verwaltungsrats.