„Der Antritt der deutschen Aufsicht ist mutig und ein Paradigmenwechsel“
Im Interview: Karolin Schriever
„Der Antritt der deutschen Aufsicht ist mutig“
DSGV begrüßt Diskussion zum Kleinbankenregime – Regulatorischer Aufwand bindet bei Sparkassen Ressourcen und verstärkt Konsolidierungsdruck
Vereinfachung in der Bankenregulierung ist ein großes Anliegen vor allem kleiner und mittlerer Institute. Finanzaufsicht BaFin und Bundesbank haben einen neuen Ansatz für mehr Proportionalität entwickelt. Karolin Schriever, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Sparkassenverbands DSGV, begrüßt die Ideen.
Frau Schriever, das Non-paper der deutschen Aufsicht zu einem Kleinbankenregime und dem Verzicht auf die Risikogewichtung bei der Eigenkapitalberechnung hat in der Branche Furore gemacht. Was würde es für die Sparkassen bedeuten?
Der Antritt der deutschen Aufsicht ist mutig und ein Paradigmenwechsel. Wir begrüßen diese Diskussion, wir setzen uns schon lang für ein solches Regime ein. Für viele regional fokussierte Sparkassen wäre es eine spürbare Entlastung. Nicht wegen geringerer Kapitalanforderungen, sondern weil die aufwendige Berechnung risikogewichteter Aktiva und damit zusammenhängende Melde-, Offenlegungs- und Prozessvorgaben entfielen. Mit der Aufsicht sind wir uns einig: Die Institute sollen solide aufgestellt bleiben.
Warum leiden vor allem kleine Institute unter der aktuellen Regulierung?
Derzeit gilt: One size fits all. Ob regional orientierte Sparkasse oder international tätige Großbank – alle müssen die gleichen komplexen Regeln erfüllen. Für regional fokussierte Institute ist das unverhältnismäßig. Der regulatorische Aufwand sollte sich nach dem tatsächlichen Risiko richten. Stattdessen bindet er Ressourcen, die in Beratung und Kreditvergabe fehlen – und verstärkt einen Konsolidierungsdruck, der weder im Interesse der Institute noch ihrer Kunden ist. Dabei gilt: Globales Wachstum entsteht in den Regionen – und genau dort sind Sparkassen stark.
Die Lockerungen brächten auch höhere Anforderungen – indem das Kapitalerfordernis an die Leverage-Ratio geknüpft wird und höhere Sicherheitspuffer verlangt werden. Wie müsste eine attraktives Regime aussehen?
Die erhöhte Leverage Ratio muss Stabilität sichern, darf die Entlastungen aber nicht überkompensieren. Es braucht Augenmaß: eine robuste Basis ja – aber ohne neue Hürden. Entscheidend ist ein stimmiges Paket, das sich in den europäischen Rahmen einordnet. Und bei allen Debatten um Größenordnungen gilt: Institute ergänzen vorgegebene Quoten ohnehin durch institutsindividuelle Sicherheitspuffer, um Risiken angemessen zu steuern.
Die Aufseher plädieren auch für weniger Meldepflichten und niedrigere Anforderungen an die Stresstests und die aufsichtsrechtliche Überprüfung. Inwiefern hilft das weiter?
Erleichterungen bei Meldungen und aufsichtlichen Stresstests wären ein spürbarer Fortschritt, sie sind Aufwandstreiber für die Kreditinstitute. Ein schlankes Meldewesen folgt der Logik des radikal vereinfachten Regelwerks mit wenigen harten Quoten. Auch nationale Meldungen müssen auf den Prüfstand. Die geplante Abschaffung des Millionenkreditmeldewesens ist ein gutes Beispiel dafür. Eine Erleichterung an dieser Stelle nutzt Instituten und Aufsicht gleichermaßen.
Wie viele Sparkassen erfüllen die Kriterien, um in den Genuss der vorgeschlagenen Entlastungen zu kommen?
Wie viele Sparkassen profitieren könnten, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Kriterien ab. Orientiert man sich am bislang diskutierten Schwellenwert von 10 Mrd. Euro Bilanzsumme, wäre ein erheblicher Teil unserer Institute einbezogen. Entscheidend ist: Ein Kleinbankenregime wirkt nur, wenn es nicht auf wenige Häuser beschränkt bleibt. Sonst droht Proportionalität zum bloßen Feigenblatt zu werden.
Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Institute im Sparkassen-Sektor, die Interesse hätten, diese Option zu ziehen? Was wären mögliche Gründe, um davon Abstand zu nehmen?
Wir gehen davon aus, dass das Interesse insgesamt groß sein dürfte. Manche Institute werden jedoch prüfen, ob sich der Umstieg lohnt oder ob sie mit den bisherigen Regeln besser fahren. Unklar ist derzeit neben der Höhe der Leverage Ratio etwa noch, wie das qualitative Kriterium „keine hohen Zinsänderungsrisiken“ bemessen werden soll. Insgesamt kommt es damit auf das „Preisschild“ des Gesamtpakets an. Wichtig bleibt, dass es ein freiwilliges Regime ist.
Wären die Vorschläge geeignet, den Fusionsdruck in der Sparkassen-Finanzgruppe zu mildern?
Die Chance besteht. Es ist ein wichtiges Signal, dass die deutsche Aufsicht solche Vorschläge macht. Denn es zeigt, dass sie die Lage regional fokussierter Institute verstanden hat. Auflagen dürfen nicht so gestaltet sein, dass sie den Konsolidierungsdruck zusätzlich erhöhen. Fusionen müssen eine strategische Entscheidung vor Ort bleiben – aus eigener Stärke heraus und nicht aus regulatorischem Anpassungsdruck.
Wer sollte mitdiskutieren, damit der Vorschlag nicht zerredet wird?
An den Tisch gehören Politik, Aufsicht und die Institute selbst. Entscheidend ist, dass die Vorschläge europäisch andocken – sonst verpufft der Impuls. Deshalb wird es auf EZB, EBA und die Mitgliedstaaten ankommen. Wir bringen uns als größte Finanzgruppe Europas und mit den praktischen Erfahrungen unserer Sparkassen gern konstruktiv in diesen Dialog ein.
Die Fragen stellten Angela Wefers und Anna Sleegers.