Im GesprächBernhard Brinker

„Der gesamte Finanzierungsmarkt wird hybrider“

Ehemals strikte Trennlinien zwischen typischen Finanzierungsformaten von kleinen Unternehmen und großen Konzernen weichen zusehends auf – und auch die Trennung zwischen Equity und Debt verschwimmt, beobachtet Bernhard Brinker, Head of Global Corporate Banking Deutschland und Österreich bei J.P. Morgan.

„Der gesamte Finanzierungsmarkt wird hybrider“

Im Gespräch: Bernhard Brinker

„Der gesamte Finanzierungsmarkt wird hybrider“

Der Deutschland-Firmenkundenchef von J.P. Morgan über verschwimmende Grenzen zwischen Debt und Equity sowie zwischen Finanzierungsformaten

Ehemals strikte Trennlinien zwischen typischen Finanzierungsformaten von kleinen Unternehmen und großen Konzernen weichen zusehends auf – und auch die Trennung zwischen Equity und Debt verschwimmt, beobachtet Bernhard Brinker, Head of Global Corporate Banking Deutschland und Österreich bei J.P. Morgan.

fed Frankfurt

Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erinnert Brinker daran, dass früher klare Unterschiede sichtbar waren: Große Unternehmen nutzten zur Finanzierung die Anleihemärkte, kleine Firmen finanzierten sich primär über Banken und legten Schuldscheine auf. Nun aber würden die Grenzen zunehmend verschwimmen: „Der gesamte Finanzierungsmarkt wird hybrider.“ Finanzierungsformate seien immer öfter für große als auch kleine Unternehmen interessant. Außerdem werde die harte Abgrenzung zwischen Debt und Equity aufgeweicht. „Wir sehen zunehmend hybride beziehungsweise Cross-over-Strukturen, sowohl in Public als auch in Private Markets.“

Er registriere vermehrt Interesse von Growth-/Late-Tech-Unternehmen ​für Venture-Finanzierung. Es gebe zwar weniger Transaktionen, aber diese hätten höhere Volumina von mehr als 30 Mill. Euro, was wiederum die Größe der Unternehmen widerspiegele. Bei frühphasigen Unternehmen hingegen sei kaum Venture-Finanzierung angesagt, da sie vermehrt weiterhin mit Eigenkapital finanziert würden.

Wunsch nach Diversifizierung

Ein Grund dafür, dass sich Unternehmen, die bislang stark auf Bankenfinanzierung gesetzt haben, für Kapitalmärkte interessierten, habe oft mit dem Wunsch nach Diversifizierung und insgesamt flexibleren Finanzierungsformen zu tun. „Wenn ein Unternehmen bisher nur mit Banken und Schuldscheinen gearbeitet hat, und plötzlich erhöht sich der Verschuldungsgrad, zum Beispiel durch einen unerwarteten Anstieg des Working Capitals, dann kann das Finanzierungskorsett schnell eng werden“, gibt Brinker zu bedenken. Einige hätten sich deshalb auch für kapitalmarktnähere Finanzierungsformen entschieden – und seien jetzt froh darüber, sich diesen Zugang geschaffen zu haben. Sie müssten sich nun natürlich nicht ausschließlich über Anleihen oder Term Loan B finanzieren, aber sie könnten es bei Bedarf – auch wenn das dann gemeinhin einen Tick teurer sei.

Zudem böten sich für Unternehmen, insbesondere auch in der Phase der Nachfolgeregelung, neue Möglichkeiten. „Früher“, so erinnert Brinker, „lautete die Frage, ob ein Nachfolger das Unternehmen behält, der verkauft – und daran schloss sich die Frage an: Verkauf an Strategen oder Private Equity?“. Heute jedoch gebe es daneben viele weitere Optionen – vor allem deshalb, weil Private Equity mittlerweile in viel größerem Umfang Minderheitsbeteiligungen einzugehen bereit sei. Und es auch Investoren gebe, die unter Umständen Engagements länger hielten als „klassisches“ Private Equity, wo früher typischerweise nach fünf, sechs Jahren der Exit anstand.

Entwicklung anderer Sparten

Beides könne vielen Unternehmen helfen. Man stelle sich, so argumentiert Brinker, zum Beispiel ein Unternehmen vor, das ein Geschäft in einem klassischen Industriebereich abdecke, zugleich aber ein anderes Geschäft begonnen habe, was eine neue Sparte begründen könnte, wenn man es richtig entwickele. Sollten jedoch die Erträge im Stammgeschäft nicht reichen, um den neuen Zweig angemessen zu finanzieren und auszubauen, dann bestünden heute gute Chancen, einen Investor hinzuzunehmen, der die Expansion der neuen Sparte kraftvoll unterstütze. Dadurch sei es für Unternehmen einfacher, neben dem Stammgeschäft, das solide, aber im Wachstum begrenzt sei, etwas Wachstumsstarkes zu entwickeln.

Viele reden über Private Debt

Viele redeten derzeit über Private Debt, sagt Brinker. Etliche der neueren Instrumente seien nach der Finanzkrise entstanden. Im Nachgang zur Lehman-Pleite wurde die Kreditvergabe aufgrund vieler neuer regulatorischer Vorgaben gedämpft. Gleichzeitig suchten Investoren in einer Nullzinswelt nach rentablen Anlagegelegenheiten. Daraus sei nicht nur Private Debt entstanden, sondern hätten sich auch die vielen Ableitungen davon etabliert: Fonds, die zusätzlich zum Private Debt auch Mezzanine oder Pref Equity anbieten, also sich in Finanzierungen engagierten, die Merkmale von Fremd- und Eigenkapital in sich tragen. „Ich erwarte nicht, dass diese Finanzierungen künftig wieder verschwinden, im Gegenteil“, erklärt der J.P.-Morgan-Banker. Derzeit wachse dieses Segment, gemessen an der Kapitalbereitstellung, sogar noch schneller als Private Equity. „Und wir sehen, dass beispielsweise Private Debt mittlerweile auch genutzt wird, um Unternehmen mit typischerweise eher klassischem Finanzierungsprofil zu unterstützen.“

J.P. Morgan bietet breites Spektrum

J.P. Morgan biete das komplette Spektrum an. Von Equity Private Placements, also vom außerbörslichen Verkauf von Anteilen an einen bestimmten Käufer, über IPOs bis Private Debt oder auch Venture Lending. „Dadurch können wir diese Lösungen auch umfassend mit den traditionellen Bank- und Kapitalmarktinstrumenten vergleichen und gegenüberstellen, in denen wir ebenfalls weiterhin sehr aktiv sind“, sagt Brinker.

„Vorsichtig zuversichtlich“

In seinem Ausblick für die volkswirtschaftlichen Fundamentaldaten in Europa ist er „vorsichtig zuversichtlich“. „Wir gehen davon aus, dass das Wachstum steigt, Richtung 1,75% im zweiten Halbjahr 2026.“ J.P. Morgan erwarte, dass sich der M&A-Markt weiter erhole, ebenso wie der IPO-Markt.

Von Detlef Fechtner, Frankfurt