Der Krypto-Rubel rollt immer schneller
Von Björn Godenrath, FrankfurtWer schon länger dabei ist am Kapitalmarkt, der denkt mit leichter Wehmut zurück an die Tage, da Investoren bei Börsengängen beherzt zugriffen und das Angebot gar nicht groß genug sein konnte – Hauptsache, man war dabei bei der Zuteilung. Diese Epoche wurde rückblickend als eine des “irrationalen Überschwanges” bezeichnet, also menschliches Verhalten, bei dem die Gier aufgrund der Aussicht auf spekulative Gewinne deutlich größer war als die Angst vor einem möglichen Totalverlust.Das Ende der Geschichte ist bekannt, Kursraketen stürzten atemberaumend schnell zu Boden und die nur auf “Kaufen” getrimmten Anleger mussten zusehen, wie ihr Risikokapital an Wert verlor. Das ist eine Erfahrung, die den Investoren in Initial Coin Offerings (ICO) hoffentlich erspart bleibt. Analog zu einer Venture-Capital-Finanzierung oder einem Initial Public Offering (IPO) zeichnen Anleger dabei Anteile via Blockchain, die über eine der vielen Krypto-Handelsplattformen dann sogar fungibel sind.Und da so mancher Gründer mit dem Prozedere der klassischen Venture-Fonds hadert, haben sich ICOs innerhalb weniger Monate als Alternative für kapitalsuchende Gründer etabliert – und steigende Notierungen von Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum zu Dollar/Euro/Yen haben natürlich dazu beigetragen, das ICO-Fieber weiter anzufachen. Mittlerweile gerät die junge ICO-Szene aber in Verdacht, dass sich dort ein irrationaler Überschwang breitmacht, der Preise nach oben verzerrt.Den Vogel abgeschossen hat dieser Tage das Start-up Brave, das in ungefähr 30 Sekunden den Betrag von 35 Mill. Dollar einsammelte. Das signalisiert, dass der Markt überhitzt hat. Details der Transaktion deuten darauf hin, dass das Angebot an Tokens wohl ein wenig knapp strukturiert war. Branchendienste berichten, ein einzelner Investor habe allein “Basic Attention Tokens” – verwendet wird für den Kauf von Tokens ja immer eine Kryptowährung, wie in diesem Fall Ethereum – im Wert von umgerechnet 5 Mill. Dollar geordert. So kamen nur rund 130 weitere Investoren zum Zuge, da fünf Investoren rund die Hälfte des Volumens zeichneten. Das entfachte Diskussionen im Krypto-Space, fühlten sich einige Interessenten doch benachteiligt im Zuteilungsprozess. Mozilla-MitgründerDass sich ein breites Publikum für das ICO interessierte, liegt wohl an dem Erschaffer von Brave: Brandon Eich ist ein Mitgründer der Mozilla-Stiftung, also einer der Köpfe hinter der Entwicklung des gleichnamigen Browsers, der sich als Alternative zu den Produkten von Microsoft und Google gut im Markt behaupten konnte. Brandon Eich ist einer, der weiß, wie es geht, und gibt dem Projekt Brave die notwendige Glaubwürdigkeit, was Investoren anlockt.Dabei verfolgt Eich tatsächlich eine interessante Strategie, soll doch ein Browser entwickelt werden, der neben hohen Standards für Sicherheit und Privatsphäre eine Payment-Funktion für Kleinstbeträge integriert hat. Dort können Nutzer ein Guthaben hinterlegen, das dann dazu verwendet werden kann, den besuchten Websites/Blogs einen Teil des Guthabens zukommen zu lassen. Daher leitet sich auch das Motto “Basic Attention” ab. Das Ganze soll eine Plattform werden, welche als Alternative zu den Werbevergütungsprogrammen von Google läuft – da gucken die Content-Lieferanten meist in die Röhre, bleibt außer ein paar lausigen Pfennigen doch kaum was hängen trotz hoher, mitunter super Reichweite.Allerdings haben sich Micropayment-Modelle im Publishing-Sektor bislang nicht bewährt. Und Brave müsste als Browser eine Verbreitung finden wie Mozilla, da nur so die Basis für einen kräftigen Erlösstrom gelegt werden kann. ——–35 Mill. Dollar in 30 Sekunden – wenn Risikokapital so schnell zufließt, macht das misstrauisch.——-