Die regulatorische Deadline für T+1 rückt näher
Die regulatorische Deadline für T+1 rückt näher
Die Experten von Cofinpro drängen die Wertpapier-Branche, Prozesse und Schnittstellen zügig zu optimieren für das verkürzte Settlement
Von Björn Godenrath, Frankfurt
Wenn es in der untereinander hochgradig vernetzten Wertpapierbranche zu Umstellungen in standardisierten Abläufen kommt, dann muss das auf den Punkt hin funktionieren. Erfahrungsgemäß gibt es immer ein paar Nachzügler, die Fristen bis zum letzten Moment ausreizen wollen – und dann in die Bredouille kommen, wenn sich Löcher im Setup von IT und Datenbanken nicht so schnell flicken lassen, wie erhofft.
Der Fahrplan steht
Um solchen Stress zu vermeiden, sind die Marktteilnehmer in der Regel gut beraten, sich frühzeitig mit geplanten Neuerungen auseinanderzusetzen, sonst geht es in die Binsen, wie bei der Ende 2023 verschobenen ISO2002-Migration. Jetzt kommt auf die Wertpapierbranche die auf T+1 verkürzte Abwicklung von Transaktionen zu. Den Fahrplan hatte die „T+1 Working Group“ Anfang Juli vorgelegt. Danach soll der Settlement-Zyklus einheitlich ab Mitte Oktober 2027 verkürzt werden. In den USA ist T+1 schon in Kraft. Europa geht das nun harmonisiert mit Großbritannien und der Schweiz an.
Prozesse, Systeme und Schnittstellen unter die Lupe genommen
Wie bereit sind deutsche und europäische Institute, um den Wechsel auf den verkürzten Settlement-Zyklus unfallfrei hinzukriegen? Um sich davon ein Bild zu machen, haben die Kapitalmarkt-Experten von Cofinpro bei einigen Häusern im Rahmen des „T+1 Readiness Check“ mal unter die Haube geschaut. Bei drei Verwahrstellen und zwei Assetmanagern wurden mit Hilfe eines standardisierten Fragenkatalogs die Prozesse, Systeme und Schnittstellen der Institute systematisch auf ihre T+1-Tauglichkeit geprüft sowie Schwachstellen ermittelt.
Kein kohärentes Bild
Zu den zentralen Erkenntnissen gehört zunächst, dass sich beim Automatisierungsgrad kein kohärentes Bild ergibt. Dieser variiere stark von Echtzeitprozessen bis hin zu mehrfach täglichen Batch-Läufen, so Katrin Hoese von Cofinpro im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Auch bei der Settlement-Effizienz ergibt sich ein erhebliches Delta: Diese liegt bei drei Instituten über 90%, bei zwei Instituten aber nur zwischen 70 und 90%. Und bei einem Institut liegt der manuelle Nachbearbeitungsanteil bei über 3%, was viel ist in einem auf Automatisierung gepolten Umfeld.

„Unser Readiness-Check zeigt, wie unterschiedlich Banken und Assetmanager tatsächlich aufgestellt sind und welche Lücken trotz der immer näher rückenden regulatorischen Deadlines noch klaffen. Wer heute noch per Fax und Excel mit Zentralverwahrern kommuniziert, riskiert Systembrüche. Entscheidend ist jetzt, Prozesse und Schnittstellen, wo es möglich ist, konsequent auf nahezu Echtzeit-Performance zu optimieren,“ sagt Katrin Hoese.
Die Tücken eines fragmentierten Kapitalmarktes
Was die Umsetzung in Europa noch anspruchsvoller macht, das ist die Fragmentierung des Kapitalmarktes. Es gibt 18 CCPs (Zentrale Gegenparteien) und 31 Zentralverwahrer, was in den Ketten von Verwahrung und Unterverwahrung in komplexe Prozesslandschaften mündet. „Die Umstellung auf T+1 erfordert von allen Marktteilnehmern eine Optimierung und Überarbeitung ihrer gesamten Wertpapierabwicklungsprozesse. Die vielfältigen Marktinfrastrukturen in Europa erhöhen den Druck. Umso wichtiger ist es deshalb, zusammen mit internen und externen Schnittstellen den notwendigen Anpassungsbedarf in den Prozessketten frühzeitig zu erkennen und gemeinschaftlich zu adressieren, zum Beispiel Anpassung in Cut-Off-Zeiten,“ so Franziska Ziemer von Cofinpro.

cp
Angesichts sehr langer Prozessketten muss alles bis in den letzten Winkel auf Vordermann gebracht werden. Denn sonst kommt es in den einzelnen betroffenen Prozessschritten zu Problemen. Das verlangt Ziemer zufolge ein frühzeitiges Abklopfen auf mögliche Schwächen: „Die Branche darf nicht abwarten, bis alle Details des europäischen T+1-Regelwerks finalisiert sind. Eine erfolgreiche Umstellung auf T+1 hängt auch von vor- und nachgelagerten Einheiten ab. Beispiele sind die Berechnung des Fondswertes (NAV-Berechnung), Funding von Fremdwährungen und Zahlungsverkehr. Im Zweifel wird eine fristgerechte Umstellung nicht schnell genug erfolgen können. Deshalb gilt jetzt: Den Schalter in Richtung standardisierter Datenflüsse umlegen. Das Zeitfenster ist kleiner als viele denken.“
Fehlende Echtzeitfähigkeit im Matching diagnostiziert
Weitere Erkenntnisse des „Readiness Check“: Die Standardisierung von Handelsdaten befindet sich zwar in Vorbereitung, ist aber noch nicht einheitlich umgesetzt. Das ist schlecht, denn die einzelnen Umsetzungsschritte betreffen vor allem Trading, Matching and Confirmation, Clearing und Settlement. Cofinpro hat nun fehlende Echtzeitfähigkeit im Matching diagnostiziert. Häufigste Fehlerursache ist im „Cofinpro-Check“ „falsche Lagerstelle“, gefolgt von Wertpapier-Leihe-Problemen. Jeder einzelne Mangel kann durchschlagen, wenn man mit schneller heranrückenden Cutoff-Zeiten konfrontiert ist.
„T+1 ist ein Lackmustest für die digitale Reife und das Prozessverständnis jeder Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG)/Verwahrstelle. Die Ergebnisse unseres Readiness-Checks senden ein Warnsignal: Institute, die noch immer auf manuelle Abläufe und Batch-Verarbeitung setzen, müssen dringend handeln. Andernfalls kann die Umstellung zu einem operativen Risiko mit finanziellen Folgen und erhöhten manuellen Aufwänden führen,“ warnt Hoese.