Bankenaufsicht

Die schlaflosen Nächte des Andrea Enria

Aus einem launigen Interview mit dem Chef der europäischen Bankenaufsicht lässt sich ablesen, wie angespannt das Verhältnis der europäischen Bankenaufsicht und der Kreditwirtschaft tatsächlich ist.

Die schlaflosen Nächte des Andrea Enria

Von Anna Sleegers, Frankfurt

Für all jene, die sich fragen, was eigentlich die bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelte Bankenaufsicht so treibt, hat die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) in ihrer Dienstagsausgabe keine umfassende, aber doch beruhigende Antwort parat. In einem angesichts des auf den ersten Blick doch eher trockenen Themas ungewöhnlich launigen Interview klärt deren Chef Andrea Enria die Leserinnen und Leser des Blatts darüber auf, dass es bei der Arbeit der von ihm geführten Behörde jedenfalls nicht darum geht, den Banken zu gefallen. Vielmehr gehe es darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen: „Wir machen das nicht nur zum Schutz der Kunden, Steuerzahler und Investoren, sondern auch für die Banken selbst.“

Konfrontiert mit dem Umstand, dass einige große Banken sich genau diese Fürsorglichkeit zuletzt recht deutlich verbeten hatten, gibt sich der Italiener verständnisvoll. Die Banken der Eurozone befänden sich in einer schwierigen Lage, weil einerseits ihre Aktienkurse auf niedrigem Niveau vor her sich her dümpelten, andererseits sei es für die Banken im Jahr 2022 gut gelaufen. „Diese gute Stimmung wollen sich viele Banker gerne erhalten“, konstatiert Enria, der nach eigenem Bekunden „manchmal nicht sehr gut“ schläft, obwohl er den Job bereits ein paar Jahre macht. Angesichts der latenten Antipathie, die der Kreditwirtschaft in Deutschland nicht erst seit der Finanzkrise entgegenschlägt, dürfte er sich für die Formulierung „Aber klar: einige glauben, wir stören die Party“ dem Applaus der SZ-Leserschaft gewiss sein.

Was Enria wohlweislich nicht erwähnt, ist der Anteil der von ihm geleiteten Aufsichtsbehörde an der von ihm als Problem identifizierten niedrigen Börsenbewertung der europäischen Banken. Mit dem während der Coronakrise verhängten Verbot, Aktienrückkäufe zu tätigen und Dividenden auszuschütten, sorgte die EZB dafür, das Investment in diese so offensichtlich hoch regulierte Branche als riskante Anlage einzustufen. Das war insofern für die Bewertungen ungünstig, als die hiesigen Banken aufgrund ihrer geringeren Profitabilität in der Gunst internationaler Investoren ohnehin allzu oft das Nachsehen haben. Als ob das nicht schlimm genug wäre, setzten die Kontinentaleuropäer noch einen drauf, indem sie länger an dem Verbot festhielten als ihre angelsächsischen Pendants. Und auch, als die Gewinne bereits wieder anfingen zu sprudeln, vermochte sich die EZB nur zu einer Rücknahme des Verdikts unter bestimmten Konditionen durchzuringen.

Freudig dürfte den früheren EZB-Granden und heutigen Chairman der französischen Großbank Société Générale, Lorenzo Bini Smaghi, gestimmt haben, was Enria mit Blick auf dessen Kritik an der Anwesenheit von EZB-Mitarbeitern an Aufsichtsratssitzungen sagte. Dass er den Vorwurf, Dauergast in den Gremiensitzungen zu sein, von sich wies, ist wenig überraschend und stimmt wohl auch mit der Realität überein. Der direkt anschließende Hinweis, dass es meistens die Schuld des Aufsichtsrats sei, wenn Banken in eine Krise geraten, grenzt schon fast an Rufschädigung. So entspannt, wie Enria sein Verhältnis zu den von ihm beaufsichtigen Instituten darstellen will, ist es offenkundig nicht.