Finanzmarktaufsicht

Die Schweiz will die Aufsicht stärken – vorerst

„Nie wieder“ hallte es 2008 durch die Schweiz, als der Staat den Untergang der UBS mit Steuergeld verhindern musste. Die Geschichte wiederholt sich: Seit dem Credit-Suisse-Debakel im März 2023 ist der Konsens für eine starke Aufsicht zurück. Doch gute Vorsätze werden erfahrungsgemäß schnell vergessen.

Die Schweiz will die Aufsicht stärken – vorerst

Die Schweiz will die Aufsicht stärken – vorerst

Der neue Finma-Direktor Stefan Walter will aus der Schweiz die „Klassenbeste“ in Sachen Finanzmarktaufsicht machen

„Nie wieder“ hallte es 2008 durch die Schweiz, als der Staat den Untergang der UBS mit Steuergeld verhindern musste. Die Geschichte wiederholt sich: Seit dem Credit-Suisse-Debakel im März 2023 ist der Konsens für eine starke Aufsicht zurück. Doch gute Vorsätze werden erfahrungsgemäß schnell vergessen.

dz Zürich

Stefan Walter, ein Aufsichtsprofi mit jahrzehntelanger Erfahrung, hat sich für seinen vermutlich letzten exekutiven Job als Direktor der Schweizer Finanzmarktaufsicht ein eingängiges Ziel gesetzt: „Was wir anstreben müssen – und für was ich mich in den nächsten Monaten und Jahren mit großem persönlichen Engagement einsetzen werde – ist eine Best-in-Class-Aufsicht.“ Das verkündete der 59-jährige Deutsche vor zwei Wochen bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in der neuen Funktion auf einem Schweizer Kleinbankensymposium. Was in puncto Finanzmarktaufsicht ehrgeizig klingt, kommt in der Schweiz derzeit überall gut an. Schock und Schmach des Credit-Suisse-Kollapses stecken den Eidgenossen noch tief in den Knochen.

Bankenkritische Stimmung

Die bankenkritische Stimmung in der Öffentlichkeit und in der Politik spielt dem neuen Finma-Chef in die Karten. Er fordert für seine Behörde zusätzliche Kompetenzen ein und feilt gleichzeitig an seinem eigenen Profil. Beides scheint ihm derzeit gut zu gelingen.

Im April versprach Finanzministerin Karin Keller-Sutter: „Die Finma soll zusätzliche Instrumente erhalten.“ Von den 22 Maßnahmen, die sie in ihrem Bericht zur Stärkung der Bankenstabilität in der Schweiz vorschlägt, enthalten viele mehr Kompetenzen für die Aufsicht. Das sei „sinnvoll für die Zukunft“, sagt die Ministerin, obschon sie selbst an der präventiven Kraft solcher Instrumente Zweifel zu haben scheint: „Ob die Finma mit dem bestehenden oder einem größeren Werkzeugkasten das Desaster der CS hätte verhindern können, muss die Parlamentarische Untersuchungskommission beurteilen.“ Diese hat die Phase der Anhörungen nun abgeschlossen und will ihre Erkenntnisse im Winter veröffentlichen. Auch die Finma dürfte ihr Fett abbekommen.

Stefan Walter dürfte das nur recht sein. Was die frühere Leistung der Behörde mindert, könnte dem Ziel des neuen Direktors dienlich sein.

Aber was ist das für eine Klasse, in der die Finma zum Primus avancieren will? Inwieweit lässt sie sich mit Aufsichtsbehörden anderer wichtiger Finanzplätze vergleichen? Die einfachste Antwort ergibt sich aus dem Financial Assessment Program des Internationalen Währungsfonds. Seit der Finanzkrise bewertet der IWF die global wichtigsten und systemkritischen Finanzplätze in Fünfjahreszeiträumen hinsichtlich der Qualität ihrer Regulierung und ihrer Institutionen.

In der letzten Evaluation 2019 kamen die Eigenheiten der Schweizer Finanzmarktaufsicht zum wiederholten Mal zur Sprache und flossen unmissverständlich als Kritik in die Bewertung ein. Die Finma, die 2009 von einer Bundesbehörde in eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit umgewandelt wurde, habe sich zu einer bewährten Aufsichtsbehörde entwickelt, aber ihre Autonomie, ihre Governance und ihre Verantwortlichkeit sollten weiter gestärkt werden, heißt es in dem Bericht.

Kontrollen delegiert

Der IWF unterfüttert seine Kritik mit konkreten Beispielen. Moniert wird unter anderem, dass die Behörde bei den Großbanken zu wenig Vor-Ort-Kontrollen aus eigener Hand vornimmt und diese stattdessen an Revisionsgesellschaften delegiert, die aufgrund ihrer kommerziellen Interessen naturgemäß der Gefahr von Interessenkonflikten unterliegen.

Ferner sollten die Mitarbeitenden der Behörde besser gegen zivil- oder gar strafrechtliche Ansprüche der Beaufsichtigten geschützt werden, zumal die Letzteren seit der Finanzkrise rascher zu juristischen Mitteln greifen würden, um ihre Interessen durchzusetzen.

Zu den regelmäßigen Kritikpunkten des IWF an der Finma gehört auch deren personelle und finanzielle Ausstattung, die im internationalen Vergleich als zu gering angesehen wird.

Letztlich zeigt die Kritik, dass die Aufsicht auch nach ihrer rechtlichen „Verselbständigung“ politischen Einflüssen ausgesetzt ist, die sich mit dem Verlauf der Finanzmarktkonjunktur verstärken oder auch abschwächen können. Nach der Finanzkrise, in der die UBS vom Staat gerettet werden musste, herrschte Konsens, dass das Land einer stärkeren Aufsicht bedürfe. Die Finma baute ihren Personalbestand aus und ging zu einer schärferen Enforcement-Praxis über.

2016 bekamen die Banken in ihrem Lobbying gegen Überregulierung mehr politische Unterstützung, so dass sich der seit 2014 amtierende Finma-Direktor Mark Branson zu größerer Zurückhaltung gezwungen sah. Mit Walter ist die Behörde wieder im Vorwärtsgang. Doch die Erfahrung zeigt: Die Zeit läuft gegen ihn, und Klassenbester kann im Aufsichtsgeschäft nur ein vorübergehendes Ziel sein.