SERIE: ZEHN JAHRE FINANZKRISE (TEIL 3)

Die schwierige Suche nach dem Täter

Ehemalige Spitze der Hypo Real Estate muss sich vor Gericht für ihre Rolle in der Finanzkrise verantworten

Die schwierige Suche nach dem Täter

Die HRE stand im Zentrum der Finanzkrise. Am Montag beginnt der Strafprozess gegen den früheren Vorstandschef Georg Funke und seinen Finanzvorstand.Von Michael Flämig, MünchenDie Deutschen lieben den “Tatort”. Kein Wunder, bietet die Fernsehsendung doch eine kantige Story und am Ende meist eine klare Trennung zwischen Gut sowie Böse. Die Finanzkrise vor zehn Jahren dagegen hat keinen so klar erkennbaren Plot, vor allem aber mangelt es an identifizierbaren Tätern. Irgendwie scheint die Schuld im System verborgen.Ein Gesicht allerdings hat die Finanzkrise in Deutschland doch: Georg Funke. In einem Strafprozess vor dem Landgericht München wird von Montag an gegen den ehemaligen Vorstandschef der Hypo Real Estate Bank (HRE) und seinen Ex-Finanzvorstand Markus Fell verhandelt. Juristisch geht es um die Frage, ob sie die Liquiditätslage falsch dargestellt haben. Auf einer Metaebene allerdings wird darum gekämpft, wer gut und wer böse war in der eskalierenden Finanzkrise im Herbst 2008. Rettung vor dem GAUDer Tatverlauf liegt auf der Hand. Nachdem die Hypo Real Estate im Oktober 2007 den Konkurrenten Depfa für mehr als 5 Mrd. Euro gekauft hatte, steuerte sie im September 2008, als die US-Investmentbank Lehman Brothers bankrott ging, auf die Insolvenz und damit das Finanzsystem auf einen GAU zu (siehe Grafik). Die Steuerzahler und anfangs auch die Kreditwirtschaft mussten die Bank mit bis dato unvorstellbaren Beträgen auffangen. Funke, der Bundesfinanzminister, Deutsche Bank & Co. und die Bundesbank verhandelten an mehreren Wochenenden in aufreibenden Nachtsitzungen über die Lastenverteilung. Mehr als 100 Mrd. Euro wurden an Hilfen und Garantien in das Kreditinstitut gesteckt, das einst als Abspaltung der gewerblichen Immobilienfinanzierungsaktivitäten von der HypoVereinsbank gegründet worden war. Mini-Büro statt George IVDie Rettung gelang. Aber die Abwicklung der später verstaatlichten HRE dauert bis heute. Die Deutsche Pfandbriefbank, mittlerweile privatisiert, hat das vielversprechende Portfolio übernommen. Bei der Abwicklungsanstalt FMS Wertmanagement werden immer noch die toxischen Bestände auch der Depfa eingedampft – bisher mit Erfolg.Endgültig zum Gesicht der Finanzkrise wurde Funke, als er nach seinem Rauswurf 3,5 Mill. Euro Grundgehalt und eine zugesagte Rente von 47 000 Euro einforderte. “Gierbanker” oder gleich “Bankster”: Der Ruf war dahin. Schon zuvor hatte ihn Finanzminister Peer Steinbrück bezichtigt, er habe falsche Angaben zur Höhe des Liquiditätsbedarfes gemacht.Das Problem: So recht passt die Persönlichkeit Funkes nicht zu der Rolle, die er seitdem hat. Statt sich eine Anrichte aus dem 19. Jahrhundert ins Büro zu stellen oder Gäste auf einem George IV Chair zu platzieren, wie dies Merrill-Lynch-Chef John Thain tat, hatte er in der unauffälligen HRE-Zentrale nur ein kleines Büro. Glamour? Keine Spur. Zurückhaltend und unprätentiös führte er die HRE schon wenige Jahre nach Amtsantritt in den Deutschen Aktienindex. In der Öffentlichkeit gab es denn vor der Finanzkrise kaum ein kritisches Wort zu hören, vielmehr wurde er gefeiert für seine Erfolge. Die damaligen Überschriften der Zeitungen sprechen Bände: “Meistgelobter Banker” (FAZ), “Stiller Strippenzieher” (Financial Times Deutschland) oder “Die treibende Kraft” (Börsen-Zeitung).Gut oder böse? Für Funke (61) ist die Sache klar, die nun an zunächst 18 Tagen – in der ursprünglichen Mitteilung des Gerichts schienen es nur 17 zu sein, weil ein Tag nicht aufgeführt war – verhandelt wird. Steinbrück habe mit seinen Äußerungen zur “geordneten Abwicklung” die HRE schwer geschädigt. Funke ist in dieser Sichtweise nicht Täter, sondern Opfer. Das Ziel seiner Anwälte ist der Freispruch.Schon jetzt ist klar: Der Prozess wird kein spektakuläres Kapitel zur juristischen Aufarbeitung der Finanzkrise bringen, sondern jede Menge Graubrot. Es warten Gutachten und endlose Zahlenreihen auf die Vorsitzende Richterin Petra Wittmann und ihren Senat. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Vorwürfe zuletzt immer weiter abgespeckt.—-Bisher erschienen:- Geschichten aus einer anderen Zeit (14. März)- Einmal im regulatorischen Kreis herum (10. März)