Rückversicherer

Die Spreu trennt sich vom Weizen

Zwei der vier größten Rückversicherer, Swiss Re und Scor, kämpfen mit der Weltlage und schreiben zu Jahresbeginn rot. Munich Re und Hannover Rück konnten sich im Startquartal noch behaupten. Die Branche steht unter Druck.

Die Spreu trennt sich vom Weizen

Von Antje Kullrich, Köln

Die größten Rückversicherer der Welt haben die Katastrophen des Jahresbeginns 2022 höchst unterschiedlich verdaut. Mit Scor und Swiss Re fuhren zwei der vier Branchenführer in den ersten drei Monaten einen Nettoverlust ein – im Vorjahreszeitraum hatten sie noch klar schwarze Zahlen geschrieben.

Die Rückstellungen für die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs – sie waren mit 283 Mill. Dollar bei der Swiss Re am höchsten von allen vier Marktführern – waren in einem Mix aus verschiedenen Belastungen das unerwünschte Tüpfelchen auf dem i. Auch die Naturkatastrophen der ersten drei Monate des Jahres haben bei den stärker unter Druck geratenen Rückversicherern ordentlich durchgeschlagen. Die Swiss Re musste 524 Mill. Dollar aufwenden, was mehr war als erwartet. Außerdem setzte die höhere Sterblichkeit in den USA durch Covid-19 dem Rückversicherer zu.

Investoren skeptisch

Die französische Scor wiederum, Nummer vier unter den etablierten Rückversicherern, hatte Ende vergangener Woche einen Nettoverlust von 80 Mill. Euro im ersten Quartal gemeldet und das vor allem auf 85 Mill. Euro Rückstellungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg zurückgeführt. Auch hier kamen die Kriegseffekte on top, da die Naturkatastrophenbelastung ebenfalls über dem eingeplanten Budget lag. Grund waren nach Angaben des Managements die Überschwemmungen in Australien und Stürme in Europa.

Analysten von Berenberg sehen Investoren von der Rückversicherungsbranche zunehmend Abstand nehmen. Der Ukraine-Krieg sei für viele Investoren wie der letzte Sargnagel für das Engagement in einem Segment, das zunehmend als schwierig wahrgenommen wird. Zwar hätten die zahlreichen und schweren Naturkatastrophen in den vergangenen fünf Jahren zu einem Preisanstieg für Rückversicherung und einem sogenannten harten Markt geführt, doch die Geldgeber vermissen daraus folgende positive Effekte in den Ergebnissen. Auch hat die Hurrikan-Saison in den USA, die von Juli bis Oktober geht, noch gar nicht angefangen. Die Unsicherheit darüber, wie gravierend sie in diesem Jahr ausfällt, ist ein weiterer Treiber für das Zögern der Investoren.

Einzig die Munich Re hält dem Druck in den Augen der Analysten noch stand. Die „Kauf“-Empfehlung von Berenberg dürfte durch die am Dienstag veröffentlichten Quartalszahlen, die auch andere Beobachter als robust charakterisierten, bestätigt worden sein. Die Ergebnisse und die Bilanzstärke der Munich Re stießen auf viel Beifall. Die LBBW stufte ihre Einschätzung sogar von „Halten“ auf „Kaufen“ hoch. Andere Häuser unterstrichen ihr „Overweight“.

Auch die Hannover Rück hatte sich im ersten Quartal behaupten können, auch wenn die australischen Fluten sowie das Sturmtief „Ylenia/Zeynep“ in Europa die Schäden über das eigentlich einkalkulierte Naturkatastrophenbudget getrieben hatte. Das Konzernergebnis büßte im Jahresvergleich zwar 14% ein, doch der 2022 avisierte Nettogewinn in einer Spanne von 1,4 bis 1,5 Mrd. Euro wurde bestätigt.

Für die gesamte Branche gilt dieser Optimismus nicht. Die Ratingagentur Fitch hatte bereits Ende April den Sektorausblick für die Rückversicherungsbranche auf „neutral“ herabgesetzt, nachdem die Analysten zuvor noch von einem Aufwärtstrend ausgegangen waren. Der Ukraine-Krieg verschärfe einige der negativen makro­ökonomischen Trends wie Inflation und hohe Volatilität an den Finanzmärkten.

Investoren wie Analysten treibt die Sorge um, ob sich in einem inflationären Umfeld mit hohen aktuellen Schäden und düsteren Erwartungen hinsichtlich der Klimakriseneffekte weitere Preiserhöhungen in dem Umfang, wie sie nötig sind, realisieren lassen.

Schadenschätzungen steigen

Die Marktschätzungen für die Schadenbelastung des globalen Versicherungssektors durch den Ukra­ine-Krieg steigen indes. Der US-Dienstleister und Schadenschätzer PCS geht jetzt von gut 20 Mrd. Dollar aus und hält das auf Basis der derzeit verfügbaren Marktdaten für eine realistische Kalkulation und nicht einmal für das Worst-Case-Szenario.

Etwa die Hälfte davon dürfte auf Luftfahrtrisiken entfallen. Denn mehr als die Hälfte der Flotten russischer Fluggesellschaften gehört ausländischen Leasingfirmen wie der irischen Aercap. Und diese Flugzeuge sitzen jetzt in Russland fest. Über spezielle Aviation-War-Deckungen können in der Branche auch Kriegs­risiken versichert werden.

Für den Schifffahrtssektor geht PCS von rund 5 Mrd. Dollar Versicherungsschaden durch versenkte Schiffe, Hafen- und Frachtbeschädigungen aus.

Dazu kommen Schäden im Energiesektor sowie weitere Sachschäden. Die Regulierung dürfte viele Jahre dauern und zu unzähligen rechtlichen Fragen und Streitigkeiten führen.

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