Im InterviewKamil Liberadzki und Angel Monzon, EBA

„Die starke Leistung der Banken im Stresstest ist beruhigend“

Im Stresstest haben sich die größten europäischen Banken als widerstandsfähig gegenüber geopolitischen und wirtschaftlichen Turbulenzen erwiesen. Doch die Stresstest-Verantwortlichen des europäischen Bankenregulierers EBA, Kamil Liberadzki und Angel Monzon, finden im Interview auch mahnende Worte.

„Die starke Leistung der Banken im Stresstest ist beruhigend“

„Die starke Leistung der Banken ist beruhigend“

Der Stresstest zeugt von guter Kapitalausstattung und Kreditvergabefähigkeit, resümieren die Risikoverantwortlichen der europäischen Bankenaufsicht EBA

Im aktuellen Stresstest haben sich die größten europäischen Banken als widerstandsfähig gegenüber geopolitischen und wirtschaftlichen Turbulenzen erwiesen. Dank der starken Zinserträge der vergangenen Jahre konnten sie Verluste besser abfedern. Das machen die Stresstest-Verantwortlichen des europäischen Bankenregulierers EBA, Kamil Liberadzki und Angel Monzon, deutlich. Banken schreiben sie ins Pflichtenheft, sich gegen Cyberbedrohungen zu wappnen.

Herr Liberadzki und Herr Monzon, ist das diesjährige Stresstest-Szenario das härteste, dem sich Banken bislang stellen mussten?

Kamil Liberadzki: Die Schwere des diesjährigen Szenarios ist ähnlich wie 2023, aber schwerwiegender als in den vorherigen. Das Narrativ unterscheidet sich jedoch von 2023. Damals lag der Schwerpunkt auf steigender Inflation und steigenden Zinsen, während in diesem Jahr geopolitische Spannungen und Handelsfragmentierung einschließlich einer Erhöhung der Zölle im Vordergrund stehen.

Kamil Liberadzki verantwortet als Direktor bei der europäischen Bankenregulierungsbehörde EBA die Wirtschafts- und Risikoanalyse.
EBA

Wie lauten die aus Ihrer Sicht bemerkenswertesten Befunde?

Angel Monzon: Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, dass der Kapitalverlust in dem ungünstigen Stresstest-Szenario 370 Basispunkte betrug, was zu einer harten Kapitalquote von 12% am Ende der Übung führte. Diese Ergebnisse bestätigen, dass das EU-Bankensystem selbst unter einem hypothetischen schweren wirtschaftlichen Abschwung widerstandsfähig ist. Dies bedeutet auch, dass die Banken über eine angemessene Kapitalausstattung verfügen und in der Lage sein sollten, weiterhin Kredite zu vergeben und die Realwirtschaft zu unterstützen.

Was ist Ihnen noch aufgefallen?

Monzon: Eine weitere Beobachtung ist, dass die Banken den Stresstest mit einer besseren Rentabilität und einer besseren Kapitalausstattung als in den vergangenen Jahren begonnen haben. Während des Tests erzielten die Banken hohe Erträge, wodurch sie ihre Verluste teilweise ausgleichen konnten und der Kapitalverlust im Vergleich zum Test von 2023 geringer ausfiel. Die starke Leistung der EU-Banken im Stresstest 2025 ist beruhigend.

Angel Monzon ist Leiter der Abteilung Risikoanalyse und Stresstests beim Bankenregulierer EBA.
EBA

Was fangen Sie nun mit den Resultaten an? In jedem Fall werden sie ja im alljährlichen SREP-Verfahren berücksichtigt, in dem individuelle Kapitalaufschläge festgelegt werden.

Monzon: Die Ergebnisse des Stresstests ermöglichen es den zuständigen Behörden, die Fähigkeit der Banken zu beurteilen, die geltenden aufsichtsrechtlichen Kennzahlen unter dem ungünstigen Szenario zu erfüllen. Dies bedeutet auch, dass sie die Ergebnisse bei der Festlegung potenzieller Kapital- und Leverage-Empfehlungen der Säule 2, also P2G bzw. P2G-LR, berücksichtigen werden. Beobachtungen zu Aspekten wie Reporting-Kapazität und Datenqualität während des Stresstests können ebenfalls im Rahmen des SREP berücksichtigt werden und sich auf die Festlegung der Säule-2-Anforderung auswirken.

Was blüht Instituten, die aus Ihrer Sicht schlecht abgeschnitten haben?

Liberadzki: Wie Sie richtig festgestellt haben, fließen die Ergebnisse in den SREP-Prozess ein, auf dessen Grundlage die Aufsichtsbehörden über Folgemaßnahmen entscheiden. In diesem Jahr könnte der Schwerpunkt auf den Kennzahlen zur Ertragsgenerierung und zur Qualität der Vermögenswerte liegen, die wir als wesentliche Faktoren für schlechte Ergebnisse angesehen haben.

Müssen sich nun so einige Banken darauf gefasst machen, Pläne für Dividendenausschüttungen zurückzustellen oder einzudampfen?

Monzon: Die Ergebnisse des Stresstests haben Auswirkungen auf die Ausschüttung von Dividenden, jedoch nicht unbedingt direkte. Die Aufsichtsbehörden besprechen in der Regel mit den Banken deren Kapitalpläne und ihre Fähigkeit, ihre Kapitalanforderungen unter verschiedenen negativen Szenarien zu erfüllen. Die Fähigkeit der Banken zur Ausschüttung von Dividenden hängt natürlich mit diesen Überlegungen zusammen. Einer der Inputs für diese Diskussion sind die Ergebnisse des Stresstests. 

Aufseher beklagen, dass Banken in bisherigen Stresstests bei der Berechnung ihres jeweiligen Kapitalverzehrs zu optimistische Annahmen vorgenommen haben. Wie gehen Sie vor, wenn Ihnen Ergebnisse schöngerechnet vorkommen?

Liberadzki: Es gibt mehrere Ebenen an Maßnahmen, die sicherstellen, dass die Ergebnisse nicht überbewertet werden. Zunächst stellen wir durch einen speziellen FAQ-Prozess während der Übung sicher, dass die Methodik von den Banken korrekt interpretiert wird. Zweitens überprüfen wir, ob die Ausgangspunkte mit den tatsächlichen Zahlen übereinstimmen, und schließlich werden die Prognosen mit verschiedenen Instrumenten überprüft und mit den Banken diskutiert.

Geopolitische und makroökonomische Turbulenzen in der Welt haben zugenommen, nicht zuletzt wegen der erratischen Entscheidungen von US-Präsident Donald Trump. Werden Sie das in künftigen Stresstests berücksichtigen?

Monzon: Das Szenario wurde unter Berücksichtigung der bedeutendsten Risiken entwickelt. Wie Sie dem diesjährigen Szenario entnehmen können, hätte die Darstellung nicht treffender sein können. Auch in Zukunft werden wir einen ähnlichen Ansatz verfolgen. Leider sieht es so aus, als würden uns die geopolitischen Unsicherheiten noch länger begleiten, weshalb makroökonomische Unsicherheiten und geopolitische Entwicklungen bei der Ausarbeitung des Szenarios berücksichtigt werden. Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Arbeit an den Szenarien vom europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) in Abstimmung mit der Europäischen Zentralbank (EZB), den nationalen zuständigen Behörden und uns geleitet wird. Bei der Ausarbeitung der nächsten Szenarien werden wir die zu diesem Zeitpunkt wichtigsten Risiken berücksichtigen, damit unser Stresstest relevant bleibt.

Was müssen die Banken Ihres Erachtens am dringendsten tun, um sich in diesem zunehmend ungemütlichen Umfeld zu behaupten? 

Liberadzki: In sehr unsicheren Zeiten wird die Szenario-Planung zu einem wichtigen Instrument. Banken müssen beobachten, wie ihre Portfolios auf bestimmte ungünstige Szenarien reagieren würden, vor allem im Hinblick auf das Kreditrisiko. Der Stresstest zeigt deutlich, dass bestimmte Wirtschaftssektoren stärker von den diesjährigen Entwicklungen betroffen sind, zu denen geopolitische Spannungen und Handelsfragmentierung gehören. Obwohl Banken ihre Modellierungskapazitäten bereits verbessert haben, müssen sie in Zukunft noch mehr tun.

Was genau?

Liberadzki: Der diesjährige Stresstest profitierte auch von den sehr guten Erträgen der Banken aufgrund der erhöhten Zinssätze. Allerdings müssen die Banken die Nachhaltigkeit ihrer Erträge in Zukunft berücksichtigen, da sinkende Zinsen ihre Fähigkeit zum Ausgleich von Verlusten beeinträchtigen könnten. Schließlich scheinen zwar die großen Verluste aus Verhaltensrisiken abzunehmen, aber andere operative Risiken wie beispielsweise Cyberangriffe könnten zunehmen. Insbesondere im Zusammenhang mit Letzteren sollten Banken über die finanziellen Auswirkungen hinausblicken und die Geschäftsfortführung sicherstellen.

Die Fragen stellte Tobias Fischer.

Im Interview: Kamil Liberadzki und Angel Monzon