IM GESPRÄCH: HEIKO BECK, DWP BANK

"Die Zahl der Tischtuchecken nimmt zu"

Das IT-System des Infrastrukturanbieters für Wertpapierdepots wird immer komplexer - Für 100 Mill. Euro soll eine neue Plattform her

"Die Zahl der Tischtuchecken nimmt zu"

Wie in einem Uhrwerk greift in einem technischen System einer Bank ein Rädchen ins andere – Änderungen sind da mitunter komplex, sagt Heiko Beck, Chef der DWP Bank. Der Dienstleister, der für drei Viertel der deutschen Kreditinstitute Wertpapierdepots technisch betreut, baut seine Plattform WP2 daher neu auf. Das geht ins Geld.Von Jan Schrader, FrankfurtIT-Systeme werden immer komplexer, je weiter sie entwickelt werden. Die DWP Bank, die für die Wertpapierdepots der Kunden von Banken und Sparkassen die technische Infrastruktur bereitstellt, hat ihre Abwicklungsplattform WP2 stetig weiterentwickelt. Wesentliche Funktionen hängen miteinander zusammen, so dass Änderungen am System schwierig sind, wie der Vorstandsvorsitzende Heiko Beck im Gespräch mit der Börsen-Zeitung sagt: “Die Zahl der Tischtuchecken, die Sie im Blick behalten müssen, nimmt zu.”Künftig soll ein neues System her, schlicht “WP3” genannt. Sind verschiedene Funktionen bisher miteinander verknüpft, sollen sie künftig stärker “modular” nebeneinander existieren. Änderungen lassen sich dann einfacher vornehmen, Funktionen ergänzen. Die bisherige Plattform, die über die browserbasierte Oberfläche WPDirect bedienbar ist und über WPIntegrator an Systeme von Banken und Sparkassen andockt, ist zwar eine “verlässliche und stabile Abwicklungsplattform”, wie die DWP Bank betont. Mit dem neuen System werden Kundenanforderungen künftig aber schneller umgesetzt und auch neue Produkte ermöglicht, wie der Manager ausführt.Die Bank, die von Beck und den übrigen Vorstandsmitgliedern Thomas Klanten und Markus Neukirch geführt wird, steht vor einem Großprojekt: Ungefähr 100 Mill. Euro über etwa fünf Jahre hinweg will das Haus dafür in die Hand nehmen. Anfang 2018 startete die Gesellschaft mit den Vorbereitungen, ehe Mitte 2018 konkrete Projekte anliefen. Die Bank steigt dafür auf eine neue Programmiersprache um. Bis alles sitzt und passt, führt sie die alten Systeme weiter fort – ein Riesenaufwand.Die nötige Kraft bezieht der Infrastrukturanbieter, der in Frankfurt nahe der Bockenheimer Warte residiert, aus seiner Größe: Die DZ Bank auf der einen und Sparkassenverbände und Landesbanken auf der anderen Seite treten als wesentliche Eigner auf. Zu den Kunden zählen nicht nur öffentlich-rechtliche und genossenschaftliche Institute, sondern auch einige private Banken. Insgesamt bedient die Bank rund 1 288 Adressen. Abhängig von anderen Projekten seien Zeit- und Kostenplan für WP3 nicht in Stein gemeißelt, sagt Beck: “Das Projekt steht im Wettbewerb zu anderen Vorhaben.”So will das “technologiegetriebene Unternehmen mit Banklizenz”, wie Beck die Bank liebevoll nennt, die Auswertung von Daten verbessern. Eine Bank oder Sparkasse soll zum Beispiel mit Hilfe der Frankfurter Gesellschaft erkennen können, wie sich ihre Kunden konkret verhalten oder wie ein Haus vergleichsweise dasteht – natürlich bei Achtung des Datenschutzes, wie Beck betont. Erste Gehversuche unternehme die Bank bereits mit einem “Data Lab”.Experimente mit neuen Technologien kommen hinzu. Vor wenigen Tagen gab die DWP Bank gemeinsam mit DZ Bank, DekaBank und Helaba die Lancierung von “Finledger” bekannt, einer auf der Technik der Blockchain basierenden Plattform für die Abwicklung von Schuldschein-Emissionen (vgl. BZ vom 21. Mai).Die Technologie, die eine dezentrale, fälschungssichere und für alle Teilnehmer einsehbare Speicherung von Transaktionen erlaubt, muss sich insgesamt noch entwickeln, wie Beck erkennen lässt. Die Blockchain komme bisher in Teilsegmenten zum Einsatz, wo bislang wenige Transaktionen oft noch manuell gesteuert würden, sagt er. Bis sich über die Technik auch Sachwerte wie Immobilien in digitale Wertmarken (Token) unterteilen lassen, um dann per Blockchain gehandelt zu werden, ist es aus seiner Sicht ein weiter Weg – nicht zuletzt, weil die notwendige Regulierung noch aussteht. Auch die bisherige Rolle der Intermediäre, die für ihre Teilbereiche Verantwortung übernehmen, sieht er nicht in Frage gestellt. Denn eine Sammelstelle wie Clearstream, die Wertpapierurkunden in Papierform verwahrt, oder die DWP Bank, die Vermögenswerte den Depots zuordnet, seien in ihrer Rolle nicht ohne Weiteres durch ein dezentrales Register ersetzbar.Beck wäre kein Bankchef, klagte nicht auch er über die Regulierung: Aus einem Entwicklungsbudget von 55 Mill. Euro für 2018 flossen geschätzt 17 Mill. Euro, also rund ein Drittel der Ausgaben, für regulierungsbedingte Vorhaben ab, wie er sagt. Allein die Folgeprojekte, die nach Inkrafttreten des EU-Regelwerks Mifid II auf die Bank zukamen, hätten 25 Vollzeitstellen gebunden, rund 8 % aller Kapazitäten für Weiterentwicklungen. Die Investmentsteuerreform kommt noch hinzu. Auch die anstehende Aktionärsrechte-Richtlinie hält die DWP Bank auf Trab. Mit der Novelle richten sich Auskunftsansprüche auch an Banken, “und die drehen sich dann zu uns um”, sagt Beck.Der Aufwand für diverse Projekte fällt dabei offenbar auch für die DWP Bank größer aus als ursprünglich veranschlagt. Denn bereits per Anfang 2018 wollte Beck die Zahl der Mitarbeiter – gerechnet in Vollzeitstellen – auf unter 1 000 drücken. Zum Jahresende zählte die Bank 1 128 Vollzeitstellen. Während durch die Automatisierung von Prozessen Aufwand wegfällt, stellt die Bank zugleich Spezialisten neu ein.Dem Institut fällt es aber schwer, IT-Fachleute zu finden – um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, stelle die Gesellschaft ihre Eigenschaft als Bank weniger deutlich heraus, sagt er: “Je deutlicher wir unsere Technologiekompetenz nach vorne schieben, desto interessanter sind wir für Leute.” Die Töchter der Bank wachsen derweil. Von Halle aus wickeln 84 Mitarbeiter Kundenprozesse ab, während die Tochter in Budapest mit 35 Mitarbeitern die technische Verantwortung für WP2-Anwendungen übernommen hat. Ein Kommen und GehenNicht alle Banken lagern ihre Systeme an die DWP Bank oder an einen vergleichbaren Anbieter aus, sondern verlassen sich auf ihre eigenen IT-Systeme. Das hat laut Beck auch mit dem Selbstverständnis eines Instituts zu tun und nicht allein mit betriebswirtschaftlichen Erwägungen. Im vergangenen Jahr kam die Hamburger Sparkasse (Haspa) als Kunde hinzu, außerdem sagte die Einlagensicherungsbank zu, also das Spezialinstitut, das für den Bankenverband BdB den Einlagensicherungsfonds unterstützt. Die Privatbank Oddo BHF verlängerte die Kooperation. Im laufenden Jahr schließen sich außerdem eine Handvoll Sparkassen an, wie Beck sagt. Die genossenschaftliche Apobank wendet sich derweil ab.Die Commerzbank wiederum hatte 2017 erklärt, ihre Wertpapierdepots künftig von HSBC Deutschland betreuen zu lassen. Der Transaktionsdienstleister der Bank bedient eigenen Angaben zufolge den S Broker der Sparkassen, die Comdirect-Einheit Onvista sowie die BNP-Paribas-Tochter DAB und zählt im Vergleich zur DWP Bank nur wenige Depots, wickelt aber etliche Transaktionen ab.Unklar ist auch, wie sich die Postbank, die Kunde der DWP Bank ist, nach der Integration in die Konzerneinheit DB Privat- und Firmenkundenbank der Deutschen Bank verhalten wird. Beck spricht von einer angenehmen Kundenbeziehung, an der sein Haus arbeite.Da die meisten Kunden zugleich zum Eignerkreis zählen, macht die Bank offenbar wenig Gebrauch von ihrer Marktmacht: Angesichts eines Verwaltungsaufwands von 211 Mill Euro im vergangenen Jahr muten die Höhe der Erträge von 249 Mill. Euro und der Jahresüberschuss mit 17 Mill. Euro bescheiden an. Die zurückliegende Verschlankung des Preissystems auf eine überschaubare Zahl an Standardleistungen dürfte einigen Kunden gleichwohl eine Preiserhöhung gebracht haben, auch wenn sich unterm Strich, wie Beck hervorhebt, wenig verändert habe.