WERTBERICHTIGT

Eigennütziges Orakel

Börsen-Zeitung, 8.5.2012 Lang vergangene Kindheitserinnerung erscheinen in der Rückschau oft in besserem Licht. Offenbar kann das auch für näher zurückliegende Ereignisse gelten. Anders lässt sich das Lob von Berkshire-CEO Warren Buffett für...

Eigennütziges Orakel

Lang vergangene Kindheitserinnerung erscheinen in der Rückschau oft in besserem Licht. Offenbar kann das auch für näher zurückliegende Ereignisse gelten. Anders lässt sich das Lob von Berkshire-CEO Warren Buffett für Ex-Finanzminister Hank Paulson kaum erklären. Immerhin hat dieser erst die sich anbahnende Implosion des US-Häusermarktes ignoriert, dann die Folgen für die Banken kleingeredet und schließlich die Lehman-Pleite zugelassen, die die Finanzwelt fast zum Stillstand brachte. Wer nun – wie Buffett – die panikartig angewiesene Rekapitalisierung des US-Finanzsystems als “entschiedenes Handeln” verkauft, der verkennt die Abfolge der Ereignisse. Die US-Banken, denen Buffett eine “gute Verfassung” bescheinigt, sitzen noch heute auf Millionen Häusern, die bis auf Weiteres unverkäuflich sind. Fehlt dem 81-jährigen Orakel aus Omaha der Durchblick? Sicher nicht. Aus Buffetts persönlicher Sicht ist ein Dank an Paulson längst überfällig. Schließlich hat Berkshire in schwierigem Marktumfeld mit den Kapitalspritzen für Goldman Sachs und Bank of America Milliarden verdient. scd