"Ein dankbarer Elfmeter für Frau König"
Von Andreas Heitker, BrüsselElke König wirkt müde, als sie am Mittwochvormittag in Brüssel vor die Presse tritt. Und sie selbst macht daraus auch gar keinen Hehl. “Es war eine lange Nacht”, sagt die 63-Jährige, die seit zweieinhalb Jahren die europäische Bankenabwicklungsbehörde Single Resolution Board (SRB) leitet. Entgegen der Idealvorstellung blieb beim Banco Popular Español nicht ein Wochenende lang Zeit, eine Lösung zu finden. Es ging um eine Nacht. Die Liquiditätssituation der Bank verschlechterte sich rapide immer weiter, so dass die EZB ihm den Stempel “failing or likely to fail” aufdrückte und damit erstmals seit Inkrafttreten der neuen europäischen Bankenabwicklungsregelungen (BRRD) den SRB aktiv ins Spiel brachte, da keine privatwirtschaftliche Option mehr denkbar schien. Schnelles BieterverfahrenWas folgte, waren Stunden intensiver Abstimmungs- und Logistikarbeit zwischen dem SRB, der spanischen Abwicklungsbehörde Frob und der EU-Kommission, die eine Lösung im Endeffekt noch billigen musste. Der Auftrag: Nachteilige Effekte für die Finanzstabilität in Spanien und Portugal, wo Banco Popular ebenfalls aktiv ist, für die Realwirtschaft und für die Kunden vermeiden und dabei keine öffentlichen Gelder einsetzen. Der Beschluss zum Verkauf der Krisenbank an Santander folgte schließlich einem “wettbewerblichen Bieterverfahren”, wie König betont. Wie viele Bieter es außer Santander gegeben hatte und wer diese genau waren, wollte sie nicht preisgeben. Dass dieser Prozess so schnell abgeschlossen werden konnte, lag aber offenbar daran, dass der ergebnislos gebliebene vorangegangene Bieterprozess wohl schon eine Due Diligence beinhaltet hatte.Bei Banco Popular tragen Besitzer sogenannter AT1- und AT2-Anleihen nun Verluste von rund 2 Mrd. Euro. Aktionäre verlieren alles. Die Besitzer vorrangiger Titel wurden geschont. Dass es tatsächlich gelang, eine Lösung noch vor Öffnung der Märkte festzuzurren, und die Filialen von Banco Popular (jetzt als Teil der Santander-Gruppe) am Mittwochvormittag öffnen konnten, als sei nichts zuvor geschehen, kann König auch als bestandenen Lackmustest der neuen Abwicklungsregeln verstehen. Die getroffene Entscheidung schütze die Einleger und sichere entscheidende Funktionen des Banco Popular, sagt die frühere BaFin-Chefin zufrieden. “Der Fall zeigt, dass die Instrumente, die den Abwicklungsbehörden nach der Krise gegeben wurden, effektiv das Geld der Steuerzahler schützen.”In den vergangenen Monaten war der SRB wegen seiner (erzwungenen) Untätigkeit vor allem in Bezug auf italienische Banken schon mal als “überflüssigste Behörde in der EU” bezeichnet worden. Der gelungene rasche Verkauf von Banco Popular ist jetzt aber “ein ermutigendes Lebenszeichen des SRB”, wie der Bankenabwicklungsexperte Hans-Joachim Dübel, Gründer des Research- und Beratungshauses Finpolconsult.de bemerkt. Seiner Einschätzung nach muss man allerdings auch den politisch vereinfachten Kontext einer Privatbank und ihrer stärker institutionellen Finanzierungsstruktur berücksichtigen – etwa im Vergleich zu den spanischen Sparkassen, bei denen sich wegen der starken Einbindung von Haushalten in Nachrang- und Hybridpapiere ähnliche Prozesse in den Jahren 2012/2013 über Monate hinzogen.Auch in Portugal seien die öffentliche Banif und die private BES bei ähnlichen Verlustschätzungen unterschiedlich behandelt worden, betont Dübel. Der Fall Banco Popular sei “insofern ein dankbarer Elfmeter für Frau König” gewesen. Dies verbinde sich allerdings auch mit der “Hoffnung, dass sich auch die politisch heißeren Eisen in Zukunft rascher anfassen lassen”.Erst in der vergangenen Woche hatte die EU-Kommission nämlich Staatshilfe für die italienische Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) genehmigt. Da das Institut noch als solvent eingestuft wurde, durfte es nach den EU-Regeln eine vorsorgliche Rekapitalisierung durch den Staat erhalten, ohne private Anleger allzu sehr zur Kasse bitten zu müssen. Nach Meinung des Finanzexperten der Grünen Sven Giegold werden so doppelte Standards gesetzt. Kritik an Doppel-StandardsDie ungleiche Behandlung von Banco Popular und MPS sei “inakzeptabel”, monierte der EU-Parlamentarier. Es schade dem Vertrauen in die Bankenunion, dass MPS nicht ebenfalls als “failing or likely to fail” eingestuft werde. “Es ist offensichtlich, dass unterschiedliche politische Risiken einer Anwendung der Gläubigerhaftung in Spanien und Italien zu zweierlei Maß führen.”Elke König will sich zum undankbaren Thema MPS nicht weiter äußern. Ein “one size fits all” gebe es nicht in Europa, sagt sie lediglich. Für die SRB-Chefin zählt jetzt erst einmal, den Abwicklungsrahmen weiter zu füllen. Noch längst nicht sind für alle knapp 150 Banken, um die sie sich zu kümmern hat, die Abwicklungspläne genehmigt. Bis Jahresende müssen Ziele für das Bail-in-Kapital MREL vorliegen. Und der Abwicklungsfonds (SRF) soll erst Ende 2023 vollständig gefüllt sein.