SERIE: WER BRAUCHT NOCH BANKER? (TEIL 9) - IM INTERVIEW: OLAF KLOSE

"Eine Filiale rechnet sich in einer Stadt ab 150 000 Einwohnern"

Der Privatkunden-Vorstand der Apo-Bank sieht die Zukunft in kompakteren, technisierten Einheiten - Sachbearbeiter schulen zu Beratern um

"Eine Filiale rechnet sich in einer Stadt ab 150 000 Einwohnern"

– Herr Klose, die Apo-Bank erweitert ihr Filialnetz, während die meisten anderen Institute Geschäftsstellen schließen. Rechnen sich die Investitionen?Grundsätzlich können Sie davon ausgehen, dass sich eine Filiale in einer Stadt ab 150 000 Einwohnern rechnet. Wir sind in vielen Großstädten in Deutschland noch nicht präsent. Nehmen Sie mal Bochum mit 365 000 Einwohnern. Dort werden wir unsere nächste Filiale eröffnen. Rechnerisch tragen sich die Geschäftsstellen, trotzdem sind wir in einem Umfeld, in dem andere Banken 20, 30 oder bis zu 50 % der Filialkapazität schließen, zurückhaltend bei der Eröffnung neuer Standorte.- Die Apo-Bank wird also keine Filialen auf dem flachen Land eröffnen?Nein, wir fokussieren uns auf große Städte. Wir planen fünf neue Standorte in den nächsten drei bis fünf Jahren – als Nächstes wie erwähnt in Bochum im Frühjahr 2018, und danach zum Beispiel in Halle an der Saale. Im Moment verfügen wir über 84 Filialen, Bochum noch nicht eingerechnet.- Halle hat doch weniger als 150 000 Einwohner.Das stimmt, aber es kommen noch andere Kriterien wie Anfahrtswege hinzu. Wir wollen beispielsweise nicht, dass unsere Kunden zu lange Anfahrtszeiten zu den Filialen haben.- Wie hoch sind die Investitionen in die fünf Filialen?Das verteilt sich auf einen Zeitraum von mehreren Jahren; insofern lässt sich das noch nicht konkret sagen.- Sind auch Filialschließungen geplant?Nein, es handelt sich um einen reinen Aufbau.- Geht der mit einem Personalaufbau einher?Wir versuchen, unseren Personalstand weitgehend konstant zu halten. Es kommt zu einer Umgewichtung innerhalb des Unternehmens von administrativen Tätigkeiten hin zu Funktionen in der Kundenberatung.- Ist das nicht sehr schwierig, wenn Sie Kollegen, die bisher administrativ tätig waren, in die Beratung schicken?Das ist sehr anspruchsvoll. Für die ersten Mitarbeiter – 75 an der Zahl – beginnen gerade die Qualifizierungsmaßnahmen.- In welchen Größenordnungen bewegen sich die Filialen?Die Bochumer Filiale umfasst 400 qm, dort werden zehn bis zwölf Mitarbeiter tätig sein. Der Trend geht bei uns zur kleineren Filiale. Ein erfolgreiches Format hat in der Regel 10 bis 20 Arbeitsplätze.- Haben Sie ein Konzept, um Filialausbau und Digitalisierung bestmöglich zu kombinieren?Wir stehen aktuell in der letzten Phase des Auswahlprozesses für unseren künftigen IT-Anbieter, der uns noch umfassendere Omnikanal-Fähigkeiten bieten wird. Wenn Sie sich beispielsweise zunächst im Internet orientieren und dann merken, dass Ihnen das doch zu kompliziert wird, können Sie den Mitarbeiter in der Filiale zu Rate ziehen, der genau an dieser Stelle ansetzt. Alternativ können Sie auf unserer Homepage anklicken, dass Sie jetzt den Videoberater brauchen. Dahingehend arbeiten wir gerade an den Servicezeiten: Unsere Vorstellung ist 0 bis 24 Uhr. In zwei bis drei Jahren wollen wir das haben.- Die Möglichkeit gibt’s aber schon zu den gängigen Arbeitszeiten?Ja. Wir haben gerade unsere Beratungszeiten in den Filialen ausgeweitet, um dem Bedarf in den Randzeiten gerechter zu werden. 8 bis 20 Uhr ist derzeit Beratungszeit. Die Zeiten darüber hinaus wollen wir dann über die Videotelefonie abdecken.- Wie muss die Filiale der Zukunft aussehen?Sie ist eine Mischung aus Wohnzimmer, Büro mit moderner Technik und 100 % Zielgruppenorientierung. Wir entwickeln gerade ein neues Filialkonzept, das wir in Bochum erstmals umsetzen und woraus wir lernen wollen. Der wichtigste Punkt ist: Die Filiale muss kommunikativer werden. Das klingt erst mal esoterisch, doch unsere Filialen – und auch die im gesamten Bankwesen – sind sehr stark auf Sachbearbeitung ausgerichtet. Wenn der Kunde einen Wunsch hat, etwa nach einem Kredit, folgen noch elf Stunden Arbeit. Diese Prozesszeiten zur Bearbeitung eines Kreditantrags werden wir sehr stark durch eine modernere IT verkürzen, sodass wir schon während des Gesprächs in der Lage sein werden zu sagen, ob wir den Kredit vergeben. Das können wir heute noch nicht.- Können Sie das an einem Beispiel erläutern?Angenommen, ein Kunde hat sich für eine Praxis entschieden, die er übernehmen möchte. Künftig werden wir noch während der Beratung den Grundriss der Praxis aufbereiten. Nach zwei, drei Stunden liegt uns dann ein 3D-Entwurf der Praxis vor. Geplant sind auch Virtual-Reality-Brillen, sodass der Kunde quasi gleich durch seine künftige Praxis gehen kann. Wir beabsichtigen also, die Prozesszeiten in den Filialen zu verringern und alle Arbeitsplätze auf Kommunikation auszurichten.- Was werden Sie räumlich anders machen?Als Spezialinstitut, das auf den Gesundheitsmarkt konzentriert ist, möchten wir zielgruppenspezifisch eingerichtete Räume. Beispielsweise werden Beratungszimmer mit Reagenzgläsern oder mit Utensilien aus der Zahnarztpraxis ausgestattet. Zudem wird die Arbeit unserer Kundenberater nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden.- Und das heißt konkret?Wir wollen eine Kombination aus Open Space und geschützten Räumen haben. Und die Beraterplätze wollen wir stärker auf Kommunikation ausrichten und weniger auf Sacharbeit. Das erhöht die Kundenkontaktfrequenz extrem. So schaffen wir es, unsere Kunden viel häufiger zu sprechen. Dadurch entsteht eine wesentlich stärkere Bindung zu ihnen und letztlich auch mehr Geschäft. Außerdem können wir uns vorstellen, haptischer zu werden, indem wir unseren Netzwerkpartnern unsere Filialen als Showroom zum Beispiel für medizinische Geräte anbieten. Das werden wir in Berlin pilotieren.- Sie erwähnten, dass sich allein durch die Ausstattung die Kontaktfrequenz stark erhöht. Welche Möglichkeiten gibt es noch, um neue Kunden über die Filiale zu gewinnen?Es gibt zwei Typen von Kunden: Diejenigen, die gerne in die Filiale kommen, aber es gibt auch viele, die in ihrer Praxis besucht werden wollen. Das sind in etwa ein Viertel der Kunden. Das Modell Bochum ist nicht darauf ausgerichtet, dass die Berater in der Filiale sitzen und warten, bis der Kunde kommt. Wir werden viel stärker Home-Office-Konzepte nutzen, das heißt, der Berater muss nicht morgens in die Filiale fahren, er kann auch direkt Kunden besuchen, arbeitet dann von zu Hause am Laptop und kommt in der Woche zwei-, dreimal in die Filiale zu Team-Meetings, zur Weiterqualifizierung oder um dort Kundentermine wahrzunehmen. Das Ganze wird wesentlich mobiler und familienfreundlicher.- Dann könnten die Mitarbeiter ja theoretisch alle von zu Hause aus arbeiten beziehungsweise von dort ausschwärmen. Andererseits präferiert ein Teil der Kunden – wie Sie sagten – ja doch den Filialbesuch.Genau, das ist der eine Grund. Und man braucht eine Homebase. Das Team muss sich untereinander abstimmen, es gibt Qualifizierungsaspekte, und wir bieten in unseren Filialen Ärzten, Apothekern und Zahnärzten Räume kostenlos zur Nutzung an. In den großen Filialen finden schon heute fast jeden Tag Veranstaltungen statt. Zum Beispiel Existenzgründungsseminare oder Veranstaltungen der Kunden. Das ist ein klarer Mehrwert, der über die Kontobeziehung hinausgeht. Und wenn es dann darum geht, ob die Finanzierung von der Bank A oder von der Apo-Bank gestellt wird, dann entscheiden bei gleichen Konditionen diese Mehrwertleistungen und natürlich die Beratungsqualität.- Beraten die Mitarbeiter in den Filialen hauptsächlich?Ja, der Trend in der Filiale geht zu komplexer Beratung. Ein Beispiel: Wenn Sie sich selbständig machen, ist das sehr aufwendig. Sie müssen 16 Prozessschritte absolvieren, von der Auswahl der Praxis über den Kaufvertrag und Fragen, wie die Inneneinrichtung aussehen oder die Vertragsgestaltung sein soll, bis hin zur Einstellung von Mitarbeitern. Für diesen Prozess brauchen Sie einen kompetenten Berater. Deshalb benötigen wir auch die Filialen, das ist unstrittig.- Unter welchen Bedingungen hat die Filiale Ihrer Meinung nach eine Zukunft?Entgegen der aktuellen Branchenentwicklung brauchen wir in der Apo-Bank Filialen, weil etwa eine Existenzgründung sehr komplex ist. Gleichzeitig brauchen wir Omnikanal-Lösungen für standardisierte Tätigkeiten. Eine einfache private Baufinanzierung etwa kann – sofern es der Kunde wünscht – bei uns über die Online-Beratung abgeschlossen werden.- Und wie sieht es bei einer Existenzgründung aus?Wenn Sie eine Existenzgründung machen oder sich entscheiden, in eine Gemeinschaftspraxis zu gehen, dann haben Sie enormen Beratungsbedarf. Das ist unsere Kernkompetenz. Und hier haben wir noch viel Potenzial. In der Existenzgründungsfinanzierung sind wir von Januar bis Juli 2017 im Neugeschäft um 20 % gewachsen auf 6,5 Mrd. Euro und im Depotvolumen um 400 Mill. Euro auf 7,6 Mrd. Euro.- Und diese Entwicklung kommt aus den Filialen?Ja, ganz stark. Ich sehe daher eine sichere Zukunft für unsere Standorte. Sie werden kleiner und dynamischer, Berater werden flexibler sein, weil sie viel im Home Office tätig beziehungsweise unterwegs sind. Deshalb haben wir auch weniger Flächenbedarf. Der wird sich in den Filialen der Apo-Bank insgesamt um 25 % reduzieren. Das spart Kosten. Aber die Filiale an sich, die bleibt.—-Das Interview führte Tobias Fischer.- Porträt von Apo-Bank-Chef Ulrich Sommer Seite 16