"Einfach die Regeln einhalten"

Öffentliche Banken sehen die Politik am Zug - Musterbank durch Basel IV auf dem Kapitalstand von 2015

"Einfach die Regeln einhalten"

Die Entwicklung in Italien stimmt die öffentlichen Banken “nicht hoffnungsfroh”. Aber Europa hat ja schon andere Krisen überstanden. Wegen der neuen Kapitalregeln sieht der VÖB die Institute in der Rolle des Sisyphos. Basel IV rolle den Stein des Kapitalaufbaus zurück, die Banken müssten ihn wieder bergauf rollen.ski Frankfurt – Die öffentlichen deutschen Banken empfehlen der Politik in Europa, sich weniger mit großen Würfen wie der Idee eines europäischen Finanzministers zu befassen. Vielmehr müssten “einfach die Regeln eingehalten werden”, etwa was die Haushaltsdisziplin angeht, und diese Regeltreue müsse unabhängig kontrolliert werden. Das sagte der Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), Johannes-Jörg Riegler, auf der Jahrespressekonferenz in Frankfurt auch in Richtung Italien. Die politische Entwicklung dort lasse sich noch nicht im Detail beurteilen, doch stimmten die ersten Ankündigungen der Koalitionspartner in Rom “nicht hoffnungsfroh”, wobei er davor warnte, Europa generell als Krisenfall darzustellen. Notwendig seien freilich individuelle, auf den Bedarf der einzelnen Länder ausgerichtete Maßnahmen zur gezielten Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Zeitfenster nicht genutztWährend die Banken beispielsweise beim Aufbau von Eigenkapital oder bei der Verringerung der notleidenden Kredite ihre Hausaufgaben machten, wird das von EZB-Präsident Mario Draghi mit der Zinspolitik geöffnete Zeitfenster für die Schuldenkonsolidierung der Staaten laut Riegler von den Regierungen kaum genutzt. Der Chef der BayernLB rief dazu auf, den Konnex zwischen den nach wie vor zu hohen Staatsschulden und den enormen Staatsanleihebeständen vieler Banken zu beenden. Was die seit Jahren ohne erkennbare Fortschritte diskutierte Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen betrifft, plädierte Riegler für Augenmaß und verantwortungsvolle Übergangsfristen. Wann man damit aber überhaupt einmal beginnen könnte, ließ er offen.Nationalen Handlungsbedarf hinsichtlich des Abbaus von Risiken in den Bankbilanzen, die in nationaler Verantwortung entstanden seien, erkennt der VÖB-Präsident “in einzelnen Mitgliedstaaten”. “Und wenn die Risiken erfolgreich reduziert sind, brauchen wir auch keine voll vergemeinschaftete Einlagensicherung mehr”, sagte er. Auf das im Dezember beschlossene Regelwerk Basel IV eingehend, meinte Riegler: “Der Kompromiss im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht wirft die deutsche Kreditwirtschaft um zwei Jahre zurück.” Der VÖB hat die Auswirkungen auf die Top-16-Banken in Deutschland als Musterbank simuliert. Nach der aktuellen Studie, die zusammen mit den Landesbanken, Deka, DZ Bank und Apo-Bank erstellt wurde, sind durch Basel IV umfangreichere Teile der Bankbilanzen mit Kapital zu unterlegen. Demnach würden die risikogewichteten Aktiva (RWA) um 23 % wachsen und sich damit die Kapitalanforderungen entsprechend erhöhen. Dadurch sehen die öffentlichen Banken die ursprüngliche Zusage auch der deutschen Aufsicht verfehlt, durch die Reform werde es keinen “signifikanten” RWA-Anstieg geben – gemeint war damit maximal 10 %.Die Folge sei bei der simulierten Musterbank ein Rückgang der harten Kernkapitalquote um 2,8 Punkte auf 12,2 % und damit auf das Niveau von 2015. Allein der ungeachtet der Einwände der deutschen Banken beschlossene Output Floor, der die Vorteile interner Modelle einschränken soll, führe zu einem RWA-Auftrieb von mehr als 11 %. Europäische Banken seien hiervon stärker betroffen als US-Häuser. Die hiesigen Banken seien in der Rolle des Sisyphos. Basel IV rolle den Stein des Kapitalaufbaus um zwei Jahre zurück, die Banken müssten ihn erneut bergauf rollen. Stark betroffen seien deutsche Institute, die Kredite in ihren Bilanzen halten und diese nicht wie die US-Konkurrenz auslagern. Die überproportionale Belastung europäischer Häuser, vor allem aber auch die jüngste Lockerung der Regeln in den USA (vgl. Berichte und Kommentar auf den Seiten 1 und 2) sind für den VÖB Belege dafür, dass sich die Schere der Regulierung global weiter öffnet. Riegler forderte daher, die Perspektiven für den “European Way of Banking” in der internationalen Regulierung zu stärken und Basel IV nicht mit vorauseilendem Gehorsam und schablonenhaft umzusetzen. Ruf nach EntlastungenNach der umfangreichen Regulierung der vergangenen zehn Jahre würden sich die Banken gerne endlich wieder mit der Entwicklung des Geschäfts im Interesse ihrer Kunden und der Volkswirtschaft beschäftigen, so Riegler. Tatsächlich gingen heute bei vielen Häusern 75 % der Investitionsbudgets und ein entsprechender Zeitaufwand für Regulierungs- und Aufsichtsthemen drauf, wobei die Branche auch unter Prüfungen durch mehrere Behörden nacheinander leide oder unter Prüfungen nach Vorgaben, die noch gar nicht geltendes Recht sind. Es seien dringend regulatorische Entlastungen geboten, um die Leistungsfähigkeit der Kreditwirtschaft zu erhalten.Gefragt, ob sie sich dabei von der Bundesregierung unterstützt sehen, betonten Riegler und VÖB-Hauptgeschäftsführerin Iris Bethge, dass die Politik etwa in Sachen Einlagensicherung oder bei Regulierungsausnahmen für Förderinstitute hinter den Banken stehe. Generell meinte Riegler allerdings, dass die Banken in Deutschland “keine besonders populäre Rolle” spielten, wofür es auch gute Gründe gebe. Etwas Respekt und Akzeptanz würde er sich nach all der Kritik der vergangenen Jahre angesichts der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Banken aber schon wünschen. “Es muss ja nicht gleich Liebe sein”, sagte er.