Enteignungsdiskussionen schrecken ausländische Investoren ab
Enteignungsdiskussionen schrecken ausländische Investoren ab
„Ausländische Investoren abgeschreckt“
Diskussionen über Enteignungen und Mietendeckel befremden – Talsohle an Immobilienmärkten wohl erreicht
Von Thomas List, Frankfurt
tl Frankfurt
Institutionelle Investoren vor allem aus Deutschland (70% der 120 Befragten) und Europa (25%) blicken mit deutlich größerer Zuversicht als in den Vorjahren auf die Immobilienmärkte. Erstmals seit 2022 erwarten in den kommenden zwei Jahren mehr von ihnen steigende Bewertungen (39% nach 27% im Jahr zuvor) als sinkende (22 nach 39%).
Allerdings ist das bei Wohninvestments differenziert zu sehen. Für Konrad Finkenzeller, Mitglied des Vorstands der Patrizia SE ist Wohnen durch das seit Jahren knappe Angebot in aller Munde und damit auch im Fokus vieler Anleger. „Wohnformen haben sich sehr verändert und werden flexibler. Durch die vielen unterschiedlichen Vermietungsformen sind die Einnahmen viel diversifizierter“, umreißt er den Charme dieser Nutzungsart im Vergleich zu anderen. Das gelte allerdings nicht für ausländische Investoren. „Kritische Diskussionen über noch mehr Regulierung im Bereich Wohnen wie z.B. Mietendeckel wirken auf ausländische Investoren eher abschreckend“, berichtet er aus Gesprächen in Japan und anderen asiatischen Ländern.
Patrizia investiert für institutionelle und private Kunden weltweit in Immobilien und Infrastruktur und hat mehr als 56 Mrd. Euro Assets under Management.
Renditen bleiben zumindest stabil
80 (64)% der antwortenden Immobilienprofis der 5. Patrizia Investorenbefragung erwarten steigende oder zumindest stabile Gesamtrenditen von Immobilieninvestments. Mahdi Mokrane, Co-Head of Fund Management und Head of Fund Management Real Estate bei Patrizia, weist darauf hin, dass Investoren im neuen Marktzyklus „vom strukturellen Wachstum profitieren (können), das von den Megatrends getragen wird, wie der Digitalisierung, Urbanisierung, Energiewende und den sich wandelnden Lebens- und Wohngewohnheiten.“
Auch in dieser Befragung findet sich die von sehr vielen Marktteilnehmern inzwischen eingenommene Haltung: Die Talsohle ist auf den Immobilienmärkten durchschritten. Bis Mitte 2027 (die Umfrage lief von Mitte Juni bis Ende Juli 2025) werde es wieder mehr Transaktionen geben. Die Zahl der Anhänger dieser Erwartung hat binnen Jahresfrist von 59% auf 69% zugenommen. Von etwa gleichbleibenden Transaktionszahlen gehen 25 (18)% aus.
„Bei Aktien und Anleihen herrscht viel Nervosität“, beschreibt Finkenzeller die aktuelle Lage. „Die Geopolitik macht vielen Sorgen. Viele Anlagechefs, mit denen ich spreche, erwarten in den nächsten 12 bis 24 Monaten auf den Anleihe- und Aktienmärkten Abwertungsdruck.“
Sanierung ist abgeschlossen
Ganz anders sehe es auf den Immobilienmärkten aus: Investoren hätten bei ihren Beständen jetzt das Gefühl, die Sanierungsphase sei abgeschlossen, es bestehe aber noch ein gewisser Abwertungsdruck. Dies verdichte sich, so der Partrizia-Manager zu dem Bild: „Die Talsohle haben wir hinter uns, wir befinden uns jetzt wieder am Beginn des nächsten Wachstumszyklus – und könnten profitieren, wenn man jetzt wieder einsteigt.“
Allerdings schauen Investoren jetzt sehr genau hin, bevor sie sich zum Einstieg, also zu Käufen entscheiden. Wenn sie dies tun, dann folgen sie risikoärmeren Strategien. In den kommenden fünf Jahren wollen 32 (12)% auf Core+ und 29 (32)% auf Core-Strategien setzen. Value-add-Strategien auf Platz 3 verlieren mit 19 (16)% etwas. Wie schwer es selbst für erfahrene Anbieter ist, mit riskanteren Strategien Geld einzusammeln, zeigt sich an einem Ende 2024 aufgelegten Value-add-Fonds von BNP Paribas Real Estate, der erst kürzlich mangels Investoreninteresse das Fundraising aufgegeben hat.
Wohnen liegt klar vorn
Bei den Nutzungsarten sind Wohnimmobilien bei 47% der Befragten am beliebtesten, gefolgt von „modernem“ Wohnen (21%) – das sind für Patrizia u.a. bezahlbares Wohnen, Studenten- und Seniorenwohnungen und Pflegeheime – und Logistik (16%). Erst auf Platz 4 folgen Büros (9%).
Für den 2022 aufgelegten „Sustainable Communities" Fonds hat Patrizia kamen die ersten Mittelzuflüsse aus Dänemark. Erstes Projekt des Impact Funds war bezahlbares Wohnen zuerst in Dublin, dann in Spanien und jetzt in London und Brüssel. Patrizia will sich in die Diskussion einbringen, wie privates Kapital gerade auch für bezahlbares Wohnen im Rahmen des 500 Mrd.-Euro-Programms der Bundesregierung mobilisiert werden kann.
Schwierige Stimmung
Bei Büros ist die Stimmung der Investoren schwierig. „Gerade in den USA gab es große Abwertungen und viele Verluste bei Zwischenfinanzierungen und auf der Fremdkapitalseite. Mehr Potential bieten Büroflächen in hoher Qualität, die man günstig einkaufen kann.“
Logistikimmobilien erfreuten sich wurden in den vergangenen Jahren einer deutlich gestiegenen Nachfrage. Finkenzeller sieht aber erste Sättigungstendenzen. „Es lässt sich nicht mehr alles in allen Logistikbereichen gut vermieten.“ Daher müsse man differenzieren, forderte der Patrizia-Manager. „Logistik, die man strategisch gut ankaufen und vermieten kann wie zum Beispiel urbane Logistik im Speckgürtel von Städten, ist nach wie vor attraktiv.“
Vor manchen Hypes warnt Finkenzeller aber. „Medical Offices zum Beispiel erfordern häufig Laborausstattungen, die sehr individuell und sehr teuer sein können.“ Da sind Mietzahlungen bis zum Ende der Vertragslaufzeit eben sehr unsicher und die Drittverwendungsfähigkeit sowieso.
Zwar müsse man Trends zur Generierung von Rendite folgen. „Wenn ein Trend aber nicht fundamental begründet ist, lassen wir die Finger davon, selbst wenn dabei kurzfristig gute Renditen zu erwirtschaften wären. Wir sind in unseren Anlagestrategien fundamental orientiert und sehr diszipliniert und folgen nicht kurzfristigen Trends. Wir setzen auf langfristige, stabile und gute Erträge sowie Asset-Liquidität.“
Infrastruktur ist gesucht
Infrastrukturinvestments stehen bei Investoren nach wie vor hoch im Kurs. Der Anteil am Gesamt-Portfolio wird sich in den kommenden fünf Jahren allerdings nur noch geringfügig (25 nach 59%) oder gar nicht (57 nach 30%) ändern, hat die Patrizia-Investorenumfrage ergeben. Infrastrukturinvestments werden in den kommenden zwei Jahren unverändert (46 nach 53% der Befragten) oder sogar höher (44 nach 38%) bewertet, so die Erwartung.
75 (73)% gehen von mehr Transaktionen aus.
Den von den meisten (86%) Befragten geäußerten Wunsch, Immobilien- und Infrastrukturstrategien intelligent zu kombinieren, illustrierte Finkenzeller mit Hinweis auf Investoren in den Niederlanden und in Skandinavien. Dort gebe es keine getrennte Infrastruktur- und Immobilienquote, sondern eine Real-Asset-Quote.
„Die Konvergenz von Immobilien und Infrastruktur – wir nennen es Re-Infra – ist ein schnell wachsendes attraktives Segment. Dazu gehört z.B. die intelligente Vernetzung in Städten, Photovoltaik auf Dächern von Logistik und Wohnimmobilien, Rechenzentren und smarte LED-Straßenbeleuchtung. Investitionen in Real Estate/Infra werden deutlich zunehmen.“ Der Staat könne die erforderlichen Investitionen nicht im Ansatz alleine stemmen. „Hier braucht es bessere strukturelle Rahmenbedingungen in Deutschland, um mehr privates Kapital für die Modernisierung von urbaner Infrastruktur zu mobilisieren.“
Alternatives werden zulegen
Finkenzeller wagt die Prognose, dass der Immobilienanteil an den Portfolios in den kommenden Jahren allenfalls leicht zulegen wird. „Das wirkliche Wachstum im Alternatives-Bereich wird es in der Infrastruktur geben.“ Gerade für die kritische Infrastruktur gelte es, deutsche Kapitalsammelstellen ins Boot zu holen.
Beim Investitionsgipfel bei Bundeskanzler Friedrich Merz im Juli waren Spitzenmanager von Blackstone, Blackrock und KKR anwesend. Von den großen deutschen Assetmanager waren allenfalls Allianz und Deutsche Bank vertreten. Vertreter aus dem Sparkassen- und Genossenschaftssektor und wichtige und große deutsche Assetmanager aus dem Infrastruktur- und Private Markets Bereich fehlten leider.
Signifikante EIgenkapitalanforderungen
Allerdings gebe es ein bedeutendes aufsichtsrechtliches Hindernis. „Die Eigenkapitalanforderungen für Infrastrukturanlagen sind signifikant.“ Das passe nicht zum Wunsch des Staates, privates Kapital für die notwendige Erneuerung der Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.
Gefragt sind bei den Investoren mit weitem Abstand zum Rest Anlagen, die zur Energiewende beitragen, und digitale Infrastruktur. „Man geht davon aus, dass diese Themen politisch ganz oben auf der Agenda stehen. Daraus folgen Wachstum und attraktive Renditen. Bei Themen wie Straßen und Eisenbahn ist das eben anders. Da haben viele Investoren in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht."
In den Investmentprozess integrieren
ESG-Kriterien wollen 69% der Befragten noch stärker in den Investmentprozess integrieren. Allerdings müsse man sich mit einer komplexen Regulierung auseinandersetzen und um hochwertige, standardisierte Daten kämpfen. Ob Nachhaltigkeitskriterien in Zukunft noch wichtiger werden, darüber gehen die Meinungen auseinander. 45% sind davon überzeugt, 37% erwarten einen nachlassenden Einfluss. Nur 13% glauben, dass globale politische Entwicklungen die Integration von ESG nicht beeinflussen werden. Das zeigt, wie sehr geopolitische Entwicklungen die Nachhaltigkeitsagenda beeinflussen – und damit letztlich auch Investitionsentscheidungen.
Für Edward Pugh, Head of Investment Management Sustainability bei Patrizia, ist klar, dass „ESG längst kein Randthema mehr (ist), sondern eine zentrale Investment-Perspektive, mit der Risiken, Bewertungen und die langfristige Performance bestimmt werden. Investoren, die dies am schnellsten aufgreifen, haben die besten Voraussetzungen, um in der beginnenden Ära der Real-Asset-Investments eine führende Rolle einzunehmen.“
Die Talsohle am Immobilienmarkt ist durchschritten. Die Bewertungen werden ebenso steigen wie Renditen und Transaktionsvolumina. Wohnen bleibt bevorzugtes Investitionsziel. Infrastruktur in Kombination mit Immobilien wird an Gewicht zulegen. Das sind Erkenntnisse einer Umfrage bei institutionellen Investoren.