Euronext muss sich entscheiden

Angebot für die BME würde finanziellen Spielraum für andere Übernahmeziele einschränken

Euronext muss sich entscheiden

wü Paris – Es ist wie ein Déjà-vu-Erlebnis, nur dass diesmal alles schneller geht. Fast ein Jahr nachdem sich Euronext mit der Nasdaq eine Übernahmeschlacht um die Börse Oslo lieferte, zeichnet sich ein Bieterwettkampf zwischen der Mehrländerbörse und der Schweizer Konkurrentin Six ab. Nur wenige Minuten nachdem Euronext Montag zugab, Fusionsgespräche mit der Bolsas y Mercados Españoles (BME) zu führen, warfen auch die Eidgenossen ihren Hut in den Ring. Das setzt den europäischen Börsenbetreiber unter Druck, das Angebot von 34 Euro je Aktie zu erhöhen.Euronext-Chef Stéphane Boujnah will durch Akquisitionen und Fusionen neue Märkte erschließen und auf diese Weise Kosten senken. Als einer der wenigen verbleibenden unabhängigen Akteure in Europa erscheint die Börse von Madrid da als ideales Übernahmeziel.Auf den ersten Blick hat Euronext wenig Spielraum, um sich wie bei der Börse Oslo gegen den größeren Konkurrenten durchzusetzen. Immerhin hat Six mit insgesamt 2,8 Mrd. Euro einen recht hohen Preis geboten. Der Betreiber der Börsen von Amsterdam, Brüssel, Dublin, Lissabon, Oslo und Paris verfügt nach eigenen Angaben über mehrere hundert Millionen Euro für zusätzliche Akquisitionen, für den Fall, dass sich ihm weitere unabhängige Börsenbetreiber anschließen wollen.Anlässlich der Vorstellung des neuen Strategieplans hatte Euronext-Chef Boujnah im Oktober erklärt, dass er sich auch an die Märkte wenden könnte, um das Budget für das Geschäftsmodell verändernde Übernahmen auf mehr als 2 Mrd. Euro zu erhöhen. Einige Analysten äußerten sich jetzt besorgt, dass Euronext das Angebot der Schweizer überbieten und damit gegen die sich selbst auferlegte Kostendisziplin verstoßen könnte.Eine konkrete Offerte wäre logisch, so sie nicht 40 Euro je Aktie übersteige, meint Andrew Coombs von Citibank. Bei einer mit dem Angebot von Six vergleichbaren Übernahmeprämie und einer Finanzierung zu drei Vierteln über frisches Kapital könnte der Deal den Gewinn von Euronext über Kostensynergien antreiben, urteilt Gurjit Kambo von J.P. Morgan. Die Euronext-Aktie schloss am Montag knapp 2 % fester.Sollte sich die Mehrländerbörse in dieser Woche tatsächlich entscheiden, für die BME zu bieten, wäre der finanzielle Spielraum für andere größere Übernahmen erstmal ausgeschöpft. Etwa für die Mailänder Börse, die ein interessantes Übernahmeziel wäre, falls Auflagen für die Übernahme des Finanzdaten- und Handelsplattformanbieters Refinitiv die Londoner Stock Exchange zum Verkauf zwingen würden. Mit der Übernahme der Börse Oslo für rund 700 Mill. Euro und der Börse Dublin für rund 127 Mill. Euro hat Euronext innerhalb von zwei Jahren zwei größere Zukäufe getätigt.