Finanzplatzkonferenz der Bundesbank

Europa fehlt Kapital für Innovationen und Verteidigung

Bei der dritten Finanzplatzkonferenz der Deutschen Bundesbank standen Fragen zur Finanzierung von Innovation, Altersvorsorge und Verteidigung im Mittelpunkt. Vertreter aus Wirtschaft und Finanzsektor diskutierten die Rolle privater Kapitalmärkte.

Europa fehlt Kapital für Innovationen und Verteidigung

„Drei bis vier gezielte Gesetzesänderungen reichen“

Finanzplatzkonferenz der Bundesbank diskutiert über Impulse für den Kapitalmarkt und die Reform der betrieblichen Altersvorsorge

Bei der dritten Finanzplatzkonferenz der Deutschen Bundesbank standen Fragen zur Finanzierung von Innovation, Altersvorsorge und Verteidigung im Mittelpunkt. Vertreter aus Wirtschaft und Finanzsektor diskutierten die Rolle privater Kapitalmärkte. Ein breites Thema war die Stärkung der Betriebsrenten in Deutschland.

wbr Frankfurt

Auf der dritten Finanzplatzkonferenz der Deutschen Bundesbank in Frankfurt diskutierten am Donnerstag Vertreter aus Wirtschaft, Finanzsektor und Aufsicht, wie Innovationen finanziert, Altersvorsorgesysteme tragfähiger gestaltet und geopolitische Anforderungen – etwa im Bereich Verteidigung – auch finanziell bewältigt werden können. Einigkeit herrschte darüber, dass privates Kapital eine entscheidende Rolle spielen muss.

Eigenes Kapital mobilisieren

Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Mauderer machte deutlich, worum es geht: „Wie auch immer die politischen Antworten sein werden – eines braucht es immer, und davon viel: Geld.“ Innovation, Verteidigung und Altersvorsorge seien zentrale Zukunftsfragen – und alle drei litten unter einem ähnlichen strukturellen Mangel: fehlender Kapitalausstattung. Gerade junge und innovative Unternehmen hätten oft keinen ausreichenden Zugang zu Risikokapital. „Oder das Geld kommt aus den USA“, so Mauderer, die bei der Bundesbank unter anderem Märkte verantwortet und deutsche Finanzmarkt-Interessen im EU-Kontext vertritt. Europa müsse lernen, eigenes Kapital zu mobilisieren und intelligent zu lenken. Der Schlüssel: eine tiefere, grenzüberschreitende Kapitalmarktstruktur.

Dabei gehe es nicht nur um institutionelle Strukturen, sondern auch um eine neue Haltung der Bevölkerung. Mauderer forderte mehr Kapitalmarktkultur – und verwies auf Schweden als positives Beispiel: „Dort halten Haushalte rund 85% ihres Finanzvermögens in Aktien, Schuldtiteln und Pensionsforderungen – in Deutschland sind es gerade einmal 62%.“ Diese Zahlen stünden sinnbildlich für eine verpasste Chance. Denn nicht nur die Innovationsfinanzierung leide, sondern auch die Altersvorsorge. „Das umlagefinanzierte Rentensystem stößt an seine Grenzen. Wir brauchen einen Kapitalmarkt für jedermann.“

Nagel sieht keine Fortschritte

Auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel mahnte zur Umsetzung: „Wir sind in der Analyse weit – aber in der Umsetzung zu schwach“, sagte er. Die Kapitalmarktunion werde seit Jahren diskutiert. Doch wirklich spürbare Fortschritte blieben aus. „Wir wollen Kapital nach Europa und nach Deutschland holen – aber uns fehlen derzeit die Instrumente dazu.“ Die Märkte seien noch immer zu stark fragmentiert – nicht nur in der Kapitalallokation, sondern auch in den politischen Prozessen. Nagels Fazit: „Die Antwort ist nicht weniger Europa – die Antwort ist mehr Europa.“

Wie dieser Wandel konkret aussehen könnte, skizzierte Allianz-CEO Oliver Bäte. Für ihn liegt der größte Hebel in der betrieblichen Altersvorsorge – und ihrer fundamentalen Reform. „Heute herrscht 100% Risikoaversion und 100% Vollkasko“, sagte er. Das Ergebnis sei eine kollektive Kapitalblockade. „Wenn wir schon auf 50:50 gehen – Rendite und Sicherheit – wäre das ein Fortschritt.“

Betriebliche Vorsorge als Hebel

Mitarbeitende und Unternehmen sollten selbst entscheiden dürfen, welches Risiko sie eingehen wollen. Dafür brauche es mehr Flexibilität im System, weniger bürokratische Engpässe und intelligentere Regulierung. Bäte warnte zugleich vor zu viel Vorsicht. Vielmehr brauche es Aufklärung, Auswahl und Augenmaß. Die betriebliche Altersvorsorge sei dafür der ideale Hebel – denn dort treffe Vertrauen auf Gestaltungsspielraum. „Wenn wir es schaffen, Arbeitgeber zu überzeugen – die das Vertrauen ihrer Mitarbeiter genießen –, dann können wir in Deutschland sehr schnell sehr viel Geld mobilisieren.“

Ein weiteres Thema war die Kapitalbindung in der Unternehmensbilanz. Bäte kritisierte, dass das Vorsorgekapital in vielen Unternehmen noch immer zweckentfremdet werde: Das Kapital für Betriebsrenten dürfe nicht in Maschinen investiert sein, sondern gehöre in professionelle Altersvorsorgeeinrichtungen. Dafür seien keine Systembrüche nötig – „drei bis vier gezielte Gesetzesänderungen reichen.“

Besorgt äußerte sich der Allianz-Chef auch zur Kapitalherkunft. Der Finanzierungsanteil aus dem Ausland, insbesondere aus den USA, liege inzwischen bei rund 80%. Eine Börsennotierung der Allianz in New York brächte seiner Einschätzung nach rund 20% höhere Bewertung – aber das komme definitiv nicht infrage. „Das passt nicht zu uns. Wir wollen in Deutschland erfolgreich bleiben“, so Bäte. Doch das gehe nur, wenn sich auch das Umfeld ändere: „Wir müssen erfolgreich sein, damit wir solchen Druck gar nicht erst erleben.“