EZB fürchtet die erneute Zollkeule
EZB fürchtet die erneute Zollkeule
US-Zölle bedrohen weiterhin Finanzstabilität
EZB fürchtet Wiederaufflammen von Zoll- und Handelsstreitigkeiten sowie Verwerfungen durch angespannte Lage der öffentlichen Finanzen
fir Frankfurt
Die Unsicherheit, die US-Präsident Donald Trump mit seiner erratischen Zollpolitik geschürt hat, prägt weiterhin das Finanzwesen im Euroraum. Einerseits hätten sich die Banken auch gegenüber derlei Schocks als widerstandsfähig erwiesen, hält die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrem am 26. November veröffentlichte, halbjährlichen Finanzstabilitätsbericht fest. Andererseits drohe die Stimmung aber schnell zu kippen, falls die handelspolitisch motivierte Unruhe wieder zunehme.
Den Instituten hält die EZB zugute, über hohe Rentabilität und reichlich Kapital- und Liquiditätspuffer zu verfügen. Die Unsicherheit in der Handelspolitik habe sich seit April, als Trump dem Rest der Welt hohe Zölle auferlegte, um sie später teils wieder herunterzufahren, deutlich verringert, konstatiert EZB-Vizepräsident Luis de Guindos. „Zwar scheint das akute Risiko eines umfassenden Handelskriegs seit Mai abgeklungen zu sein, doch bestehen weiterhin Spannungen“, führt er aus.
Warnung vor KI-Blase
Vor allem warnt er davor, dass sich die Stimmung nicht nur angesichts verschlechterter Wachstumsaussichten zum Negativen verändern, sondern auch dann abrupt wechseln könne, sofern die Gewinne im Technologiesektor, hauptsächlich KI-Unternehmen betreffend, „hinter den Erwartungen zurückbleiben“. Diese Warnung hatte er jüngst bei der Euro Finance Week ausgesprochen. Nun legte die EZB in dem Bericht nach: „Die Marktstimmung könnte sich beispielsweise aufgrund sich verschlechternder Wachstumsaussichten oder enttäuschender Nachrichten über die Einführung künstlicher Intelligenz (KI) abrupt ändern.“ Verschärft werden könnte solcher Stress durch Liquiditätsengpässe bei offenen Investmentfonds, eine hohe Verschuldung von Hedgefonds und Intransparenz der Private Markets.
Auch könnten Kreditrisiken gegenüber Unternehmen, deren Geschäfte besonders von Zöllen beeinflusst werden, negative Ausstrahlungen auf Banken haben, die entsprechende Kredite vergeben. Darüber hinaus warnt die EZB vor Risiken, die dadurch zustande kommen, dass Zölle sich negativ auf Unternehmen auswirken und dadurch wiederum auf die Schuldendienstfähigkeit von Privataushalten durchschlagen, weil es zu Entlassungen kommt.
Schon vor einem Jahr, also nach der Wahl Trumps zum Präsidenten, aber vor Amtsantritt, hatte die EZB in ihrem seinerzeitigen Finanzstabilitätsbericht vor getrübten Aussichten für die Finanzstabilität gewarnt, die von wachsenden makrofinanziellen und geopolitischen Unsicherheiten und zunehmender handelspolitischer Ungewissheit beeinflusst würden.
Hohe Staatsverschuldung
Weiterhin zeigt sich die EZB besorgt über „die angespannte Lage der öffentlichen Finanzen“ in einigen Ländern. Dies könne sogar zu Verwerfungen an den globalen Anleihemärkten führen. „Eine Abkehr von der Haushaltsdisziplin könnte das Vertrauen der Anleger erschüttern, insbesondere in Ländern mit einer instabilen politischen Mehrheit“, sagte de Guindos. Zusätzliche Belastungen für die Staatshaushalte und Risiken wegen eines zunehmen Emissionsbedarfs an Staatsanleihen brächten zum einen die steigenden Verteidigungsausgaben mit sich und zum anderen anhaltende strukturelle Herausforderungen wie Digitalisierung, demografischer Wandel sowie die Erderwärmung.
Verflechtung mit Schattenbanken
Darüber hinaus beobachtet die EZB Risiken, die sich aus den Verflechtungen mit Nicht- oder Schattenbanken wie Hedge- und Private-Credit-Fonds ergeben. Die zunehmenden Verflechtungen könnten Schwachstellen bei der Refinanzierung von Banken offenbaren, heißt es in dem Bericht. Die Bedeutung der Nichtbanken für die Refinanzierung von Banken habe in den letzten Jahren zugenommen, wobei der Anteil volatiler, kurzfristiger Verbindlichkeiten einen erheblichen Teil der Gesamtfinanzierung durch Nichtbanken ausmache. Gleichzeitig seien die Finanzierungen durch Nichtbanken für Banken möglicherweise schwer zu ersetzen, sollten diese wegbrechen.
Nichtbanken werden aber nicht nur für die Refinanzierung der Banken immer wichtiger. Auch an anderer Stelle seien Banken Risiken aus den undurchsichtigen Private Markets ausgesetzt. Als Beispiele nennt der Bericht die direkte Kreditvergabe von Banken an Private-Markets-Fonds oder an Firmen, die sich im Besitzt von Private-Markets-Fonds besitzen.
Die anhaltende Unsicherheit durch die Zollpolitik der USA lastet nach Ansicht der EZB auf dem Finanzsektor. Auch die ausgeprägte Staatsverschuldung und hohe Bewertungen an den Aktienmärkten besorgen die Hüter der Finanzstabilität. Grundsätzlich bewertet die EZB die Finanzbranche aber als solide aufgestellt.
