Interview BayernLB-Vorstand Johannes Anschott

„Fusionen sind für die anderen Banken eher leicht positiv“

BayernLB-Vorstand Johannes Anschott macht einen entspannten Eindruck. Das Geschäft mit Firmenkrediten wächst, die Risikovorsorge ist relativ gering. Und er deutet an, dass eine Übernahme der Commerzbank durch Unicredit keine Furcht auslösen würde.

„Fusionen sind für die anderen Banken eher leicht positiv“

Im Interview: Johannes Anschott

„Fusionen sind für die Wettbewerber eher leicht positiv"

Der BayernLB-Vorstand für Corporates & Markets hätte vor einer Übernahme der Commerzbank durch Unicredit keine Bange

BayernLB-Vorstand Johannes Anschott macht einen entspannten Eindruck. Das Geschäft mit Firmenkrediten wächst, die Risikovorsorge ist relativ gering. Und er deutet an, dass eine Übernahme der Commerzbank durch Unicredit keine Furcht auslösen würde.

Herr Anschott, die BayernLB hat ihre Kunden gefragt, ob und wie sie geopolitische Risiken früh erkennen und darauf reagieren. Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?

Mehr als 90% der Unternehmen beziehen geopolitische Risiken in ihre Entscheidungen ein. Das Bewusstsein ist also da. Aber es gibt auch Wettbewerbsdruck und den Druck, effizient zu sein.

Mit welchen Folgen?

Unternehmen müssen abwägen, welche Maßnahmen für mehr Resilienz sie sich leisten, also zum Beispiel höhere Vorräte von Rohstoffen oder Bauteilen dauerhaft zu halten.

Was heißt das für Ihre Kunden?

Alle Risiken kann man nicht vermeiden. Man muss flexibel und schnell reagieren. Voraussetzung dafür ist, über relevante Daten zu verfügen, um etwa die Folgen einer kurzfristigen Schließung des Suezkanals oder von Exportrestriktionen Chinas abschätzen zu können.

Wie weit sind Ihre Kunden damit?

Sie haben die Verfügbarkeit von Daten deutlich erhöht. Zudem hat die Umfrage unter anderem ergeben, dass die Unternehmen ihre Lieferketten kritischer hinterfragen und zu komplexe Lieferketten vermeiden. Aber es dauert natürlich längere Zeit, Abhängigkeiten zu verringern, indem zum Beispiel das Design von Produkten verändert oder das Recycling verstärkt wird.

92% Ihrer Kunden haben an der Umfrage teilgenommen. Wie viele sind das absolut?

Wir haben einige Hundert Kunden mit wesentlichen Verbindungen. Reine Spezialfinanzierungen zählen wir beispielsweise nicht dazu.

Was fängt die BayernLB mit den Erkenntnissen aus der Umfrage an?

Wir konzentrieren uns im Unternehmenskundengeschäft sehr stark auf die Zukunftsfähigkeit der Firmen. Dafür sind solche qualitativen Erhebungen wichtig. Wir haben Stresstests mit verschiedenen Simulationen dazu gemacht.

Mit welchem Ergebnis?

Im Basisszenario hat sich das Rating der Unternehmen kaum verändert. In den Stresstests ergaben sich zwar Belastungen, die lassen sich aber managen.

Fordern Sie von Kunden, Lücken im Risikomanagement zu schließen?

In den Gesprächen waren wir eher ein Sparringspartner, um gemeinsam Lösungen zu finden oder auch Möglichkeiten zur Absicherung zu bieten. Die BayernLB ist zum Beispiel sehr stark in der Finanzierung von Betriebskapital, im Verbriefungsbereich und in der Absicherung von internationalen Risiken mit Garantien.

Haben Sie mit der Befragung zusätzliches Geschäft gewonnen?

Sie hat zunächst einmal dazu beigetragen, einen guten Dialog mit den Kunden zu führen. Ein wichtiger Aspekt unserer sektoralen Aufstellung ist ja, dass wir tief in den Themen sind und uns strategisch einbringen können. In den Gesprächen ging es dann auch um die Frage, welche Dienstleistungen kann eine Bank anbieten. Zum Beispiel einen größeren Liquiditätspuffer oder die Finanzierung von Lieferketten. Insgesamt haben wir das Volumen der Firmenkredite in meinem Segment Corporates & Markets in diesem Jahr bisher um ungefähr 8% gesteigert.

Wie haben Sie das erreicht, trotz der allgemeinen Investitionszurückhaltung?

Das liegt vor allem an den Sektoren in unserem Firmenkundengeschäft. Wir sind stark in den Branchen Infrastruktur, Energie und im Mobilitätssektor besonders im Bahnverkehr. Hier gibt es gute Wachstumsraten. Denken Sie an den Ausbau der Stromnetze oder von erneuerbaren Energien, im Nah- und Fernverkehr. Viele große Projekte wurden schon vor Jahren begonnen oder sind in der Planung. Und sie sind langfristig angelegt, zum Teil bis Mitte des nächsten Jahrzehnts. Ganz wenig präsent sind wir dagegen in der Chemie und auch in der Autoindustrie sind wir unterinvestiert. Wir haben uns Sektoren mit einem größeren Wachstumspotenzial ausgesucht.

Was erwarten Sie von dem Sondervermögen des Bundes für Investitionen in Infrastruktur und Rüstung?

Wir hoffen, dass das im nächsten Jahr erste Effekte haben wird. Zurzeit kann ich das noch nicht beobachten.

Wie entwickelt sich die Kreditvergabe im Verteidigungssektor?

Da geht es weniger um einen klassischen Barkredit, sondern eher um Garantien, Avale, weil häufig Anzahlungen geleistet werden. Aber es geht auch um Investitionen in den Ausbau von Produktionskapazitäten. Der Kreditbedarf ist da und deutlich höher als etwa vor fünf Jahren. Aber es wäre eine Illusion zu glauben, volkswirtschaftlich könnte der Verteidigungssektor die Rückgänge in der Automobilbranche ausgleichen.

Weil die Stückzahlen viel geringer sind?

Ja. Und man würde sich auch nicht wünschen, dass sich die Mengen angleichen.

Bringt Ihnen der Boom der künstlichen Intelligenz zusätzliches Geschäft?

Wir finanzieren auch Datenzentren. Das macht in unserem Gesamtportfolio aber nur einen kleinen Teil aus. Und wir sind da eher vorsichtig.

Warum? Befürchten Sie, dass sich eine Blase bildet?

In den USA werden mehr als 500 Mrd. Dollar pro Jahr in Datenzentren investiert. Damit sich das lohnt, müsste der Umsatz mit KI auf 650 Mrd. Dollar im Jahr 2030 steigen. Um das zu erreichen, müssten nicht nur Unternehmen dafür bezahlen, sondern auch jeder Nutzer eines Smartphones müsste 400 Dollar im Jahr für KI ausgeben. Das ist schon viel. Selbst, wenn sich das etwas verzögert, könnte der Kapitalmarkt stark negativ reagieren, da sehr viel Erfolg eingepreist ist.

Sie sind also skeptisch.

Ich glaube, mit Blick auf die nächsten zwei Jahre überschätzen wir die wirtschaftlichen Effekte von KI. Die ganze Welt achtet auf die Quartalszahlen von Nvidia. Auf der langen Zeitachse von zehn Jahren und mehr unterschätzen wir das aber eher.

Die Risikovorsorge im Segment Corporates & Markets hat die BayernLB in den ersten neun Monaten dieses Jahres auf 47 Mill. Euro erhöht. Angesichts der weiter steigenden Insolvenzzahlen in Deutschland ist das nach wie vor relativ wenig. Wann wird sich die Pleitewelle in Ihren Zahlen niederschlagen?

Die Qualität unseres Kreditportfolios hat sich sogar leicht verbessert. Der Anteil notleidender Kredite am gesamten Volumen ist von 1,1 auf 1,0% gesunken. Die Struktur unseres Geschäfts mit der Konzentration auf wenige Sektoren hilft uns sehr. Zudem machen wir eine gute Risikoanalyse. Und wir haben traditionell einen sehr hohen Anteil an Investmentgrade-Krediten. Nicht aktiv sind wir dagegen zum Beispiel im Bereich Leveraged Buyouts. Eine Insolvenzwelle würde uns nur unterproportional zum Markt treffen.

Das Kreditniveau ist nach wie vor vergleichsweise niedrig, der Wettbewerb hart. Wie groß ist die Konkurrenz?

Banken, die stark auf das nächste Quartalsergebnis und ihren Aktienkurs achten müssen, haben einen größeren Wachstumszwang als wir. In einem Markt mit einer schwachen Nachfrage haben diese Banken eine größere Bereitschaft, mit aggressiven Konditionen Marktanteile zu gewinnen. Das ist aber immer nur für eine gewisse Zeit so.

Warum?

Kunden wollen eine stabile Hausbank. Als Kreditnehmer wäre mir auch eine Bank viel lieber, die ein gutes Rating besitzt, gut kapitalisiert ist und ein verantwortungsbewusstes Management hat. Es kommt ja auch auf die Bereitschaft zu Krediten gerade in schwierigen Phasen an.

Gibt es derzeit Wettbewerber, die aggressiv vorgehen?

Gerade wenn es um Übernahmesituationen geht, ist die Bereitschaft tendenziell höher, expansiv zu sein. Das halte ich mit Blick aufs nächste Quartalsergebnis für normal. Wir orientieren uns dagegen eher an der langfristigen Entwicklung.

Sie spielen auf das Thema Commerzbank/Unicredit an. Wie würde die BayernLB auf die Konkurrenz von Commerzbank und HypoVereinsbank unter einem gemeinsamen Dach von Unicredit reagieren?

Zum konkreten Fall möchte ich mich nicht äußern. Ganz allgemein gesagt, ist im Fall eines Zusammenschlusses von zwei Banken eins plus eins nicht zwei, sondern 1,5. Das habe ich selbst schon miterlebt. Es kann große Überlappungen bezogen auf einzelne Kunden geben, Klumpenrisiken und Ähnliches. Da wird dann zum Beispiel die Führungsgruppe von syndizierten Krediten neu zusammengestellt. Deshalb sind unter Wettbewerbsgesichtspunkten Fusionen für die anderen Banken eher leicht positiv.

Wie entwickelt sich das Geschäft der BayernLB im Schlussquartal 2025?

Im Segment Corporates & Markets wird der Bruttoertrag um etwa 7% wachsen. Allerdings gehe ich davon aus, dass die Verwaltungskosten mindestens ebenso stark zunehmen werden – wegen der Tariferhöhungen und anderer Kostensteigerungen.

Und im Konzern?

Da geht es in eine ähnliche Richtung.

In der Regel erhöht die BayernLB im vierten Quartal die Risikovorsorge, um mit möglichst wenig Belastungen ins neue Jahr zu starten. Auch 2025?

Wir sind gut beraten, bei guter Ertragslage für nicht erkennbare Risiken mit einer Pauschalvorsorge zusätzlich konservativ zu sein. Das wäre auch in diesem Jahr vernünftig. Es ist aber nicht so, dass neue Risiken zu erkennen wären. Und ich glaube, den Höhepunkt von Immobilienrisiken haben wir hinter uns gelassen.

Künftig veröffentlicht die BayernLB Halbjahres- und Jahresbericht, aber nicht mehr die Geschäftszahlen fürs erste und dritte Quartal. Warum schränken Sie die Transparenz ein?

Das hat sich in deutschen Banken, die nicht börsennotiert sind, nicht durchgesetzt. Vor diesem Hintergrund haben wir aus Gründen der Effizienz diese Entscheidung getroffen.

Das Interview führte Joachim Herr.
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