Gemeindefinanzierung per digitaler Plattform
Das Münchener Fintech Commnex hat seine Plattform für Kommunalfinanzierung konsequent auf die Bedürfnisse von Kämmerern zugeschnitten.Von Björn Godenrath, FrankfurtEs gibt in der Finanzwirtschaft kaum noch einen Bereich, der nicht von Fintechs erschlossen wird. Nach Kreditmarktplätzen für Privat- und Firmenkunden drängen die Start-ups nun in das Segment der Kommunalfinanzierung – ein Bereich, der bislang ein wenig unter dem Radar der Öffentlichkeit stattfand, wurde er von den Banken und Sparkassen doch geräuschlos bedient.Dabei besitzt die Gemeindefinanzierung einige Besonderheiten. Es handelt sich analog zur Staatsfinanzierung um margenarmes, aber dafür nahezu risikoloses Geschäft. Da Kommunen per Gesetz nicht insolvent gehen können, ist das Geschäft für die Banken eigenkapitalneutral, da sie Kommunalfinanzierungen ein Risikogewicht von null zuordnen können, wie Friedrich von Jagow erklärt, Mitgründer von Commnex, einer Plattform für Kommunalfinanzierung, die sich seit März im operativen Betrieb befindet.Ihr erklärtes Ziel: Commnex als überregionalen Marktplatz für Kommunalfinanzen zu etablieren. “Wir haben schon diverse Regional- und Großbanken und Versicherungen an Bord und etablieren uns mit der Commnex-Plattform als umfassende Schnittstelle zwischen der öffentlichen Finanzverwaltung und dem privaten Finanzmarkt”, sagt von Jagow. Der Ausschreibungsprozess auf der Plattform läuft dann so: Eine Kommune schreibt ihren Finanzbedarf aus, Finanzinstitute und andere lizenzierte Investoren geben dann Angebote ab. Auf der Bankenseite hat Commnex einen Such- und Filtermechanismus installiert, mit dessen Hilfe jedes Institut individuell definieren kann, an welchen Ticketgrößen, Laufzeiten und Regionen es interessiert ist. Gestützt auf diese automatisierte Selektion werden die potenziellen Kreditgeber dann wie bei Google Alert benachrichtigt, wenn etwas eingestellt wurde, das auf ihr Profil passt. “Die Interessen liegen bei jedem Portfolio anders: Versicherer brauchen größere Tickets ab 20 Mill. Euro, kleinere Regionalbanken fangen schon bei 1,5 Mill. Euro an”, sagt von Jagow.Das Ganze ist inklusive Dokumentenmanagement nutzerfreundlich arrangiert und – soweit es sich aus einem sneak peek heraus beurteilen lässt – selbsterklärend für den Nutzer. Für Kommunen und Kommunalunternehmen ist das Angebot kostenlos, Commnex erhält von den Banken nur bei erfolgreicher Vermittlung eine Vergütung. Die Vergütung spielt sich im Basispunktbereich ab und hängt von Laufzeit und Kreditvolumen ab.Für die Banken ist das Aufkommen solcher Fintech-Plattformen ein zweischneidiges Schwert. Denn einerseits geht die gewohnte Kundenbeziehung zu den Kämmerern flöten, begegnet man sich doch nur noch ein wenig anonym einzig für die Transaktion auf der Plattform. Andererseits sorgen solche Plattformen mit ihrer inhärent transparenten Form der Ausschreibung dafür, dass die Banken für diese Form der Finanzierung keine Mitarbeiter mehr in der Region benötigen, ersetzt die Plattform doch den Vertrieb. Warum sollte eine Bank für die Gemeindefinanzierung in Niedersachsen auf dem weiten Land noch Leute beschäftigen, wenn die Kommunen doch direkt auf der Plattform präsent sind, räsoniert von Jagow. Bei der Finanzierung von Kommunen und Kommunalunternehmen geht es um ein jährliches Volumen von insgesamt über 290 Mrd. Euro. Der Markt stagniert, aber es schulden viele Kämmerer um. “Das lohnt sich, wenn die Vorfälligkeitsentschädigung geringer ist als die Zinsersparnis. Entsprechende Tools für solche Berechnungen werden in der Plattform eingebaut”, sagt von Jagow.Das gibt auch den Stand der Unternehmensentwicklung wieder. Seit fünf Wochen besitzt Commnex breiten Marktzugang, seitdem seien über 5 Mill. Euro ausgeschrieben, sagt von Jagow. Für die kommenden drei Monate befinde sich aber schon ein Volumen von 40 Mill. bis 50 Mill. Euro in der Pipeline, derzeit registriere man alle zwei Stunden eine Neuanmeldung. Dabei sei klar, dass Commnex zunächst einmal von einigen als Vergleichsplattform genutzt werde, um bei der örtlichen Sparkasse oder Volksbank bessere Konditionen herauszuschlagen. Aber man erhalte schon jetzt von Marktteilnehmern gutes Feedback.Commnex ist eines von drei Fintechs, die den Markt für Gemeindefinanzierung mit ihren Plattformen knacken wollen. Die Schweizer Loanboox startet ihr deutsches Angebot im Juli von Köln aus und will Städten helfen, sich die Angebote von Versicherern und Pensionsfonds zu erschließen. In der Schweiz hat das schon ganz gut geklappt: In den ersten acht Monaten wurden mehr als 1,8 Mrd. sfr über die Plattform vermittelt, die durchschnittliche Ticketgröße betrug 13 Mill. sfr.Loanboox-Gründer Stefan Mühlemann zufolge können dank Plattform-Vermittlung 90 % der bisherigen Kosten aus dem Prozess herausgenommen werden. Loanboox gibt an, von den Kreditnehmern einen Basispunkt pro Laufzeitjahr als Gebühr zu erheben. Nach einigen Seed-Runden will Mühlemann dieser Tage eine Serie-A-Finanzierung abschließen. Das steht auch für Commnex auf der Agenda. Ein einstelliger Millionenbetrag soll bei institutionellen Investoren eingesammelt werden, nachdem man sich bislang über Seed Money von Business Angels finanzierte.Wettbewerber Nummer 3 unter den digitalen Marktplätzen ist Firstwire, die vor allem institutionelle Kunden vernetzen will. Die Kölner haben bislang eine Transaktion vermittelt, als die Stadt Essen über diese Plattform 5 Mill. Euro aufnahm. Seitdem herrscht Stille – Firstwire ist breiter aufgestellt und beschränkt sich bei Krediten nicht auf die Vermittlung kommunaler Darlehen. Im Aufbau befindet sich ein Sekundärmarkt für Fremdkapitalinstrumente, um insbesondere den Schuldschein handelbar zu machen.Commnex konzentriert sich voll auf die Schnittstelle von Kommunen und ihren Finanzierungspartnern. Von Jagow spielt aber auch mit dem Gedanken, die Produktpalette auszuweiten. Da es auch wohlhabende Kommunen gibt, könnten deren Einlagen an Banken vermittelt werden, die für diese Depositen Zinsangebote einstellen können. Das könnte für viele Kämmerer interessant sein, fallen Kommunen und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften doch ab Oktober 2017 aus der freiwilligen Einlagensicherung des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) heraus, also des freiwilligen Sicherungsfonds, der über die gesetzlichen Mindestvorschriften hinausgeht. In dieser Gemengelage müssen die Kämmerer zusehen, ihre Gelder möglichst frei von Strafzinsen und doch zugänglich für Liquiditätszwecke unterzubringen.