IM INTERVIEW: MARCUS MOSEN

"Geschäftsmodell deutlich erweitern"

Der Concardis-Chef hat den Zahlungsdienstleister von Fesseln befreit und kann nun Tempo aufnehmen

"Geschäftsmodell deutlich erweitern"

Mitte Januar wurde der Kaufvertrag unterzeichnet, das Closing zum Verkauf von Concardis an Private Equity erfolgte jetzt zur Wochenmitte. Concardis-Chef Marcus Mosen will den Payment-Dienstleister mit Rückendeckung der neuen Eigentümer so positionieren, dass die Frankfurter von sich aus die Konsolidierung im deutschsprachigen Markt gestalten. Dafür stehen Mittel bereit. Mit Vergrößerung der Gruppe um Ratepay ist bereits ein stärkeres Vordringen in E-Commerce-Systeme möglich. Die neue Concardis fängt gerade erst an, ihre unternehmerische Freiheit zu genießen.- Herr Mosen, Concardis hat mit Advent International und Bain Capital neue Eigentümer. Was für strategische Veränderungen ergeben sich daraus?Zunächst mal hat es Concardis mit dem Eigentümerwechsel geschafft, aus der Clubstruktur als Unternehmen der Deutschen Kreditwirtschaft rauszukommen und ist nun ganz anders in der Lage, sich strategisch zu entwickeln. Dabei war es von Anbeginn meine klare Präferenz, dass Concardis nicht an einen Strategen geht, bei dem wir im Zweifel nur integriert würden. Sondern unser Ziel war es, einen Gesellschafter zu bekommen, der zusammen mit dem Management eine klare Vorstellung von den Entwicklungsopportunitäten des Unternehmens hat. Und den haben wir nun gefunden. Advent und Bain wollen Concardis als Ausgangpunkt nutzen, um ein größeres Unternehmen zu schaffen. Das Investmentziel von Advent und Bain als Einstieg in den deutschsprachigen Payment-Markt, ist es, über eine Buy-and-Build-Strategie weiteres Wachstum zu schaffen. Neben Zukäufen gehören dazu weitere Investitionen in technische Plattformen, Prozesse und Produkte. Denn wir wollen uns nicht wie bisher nur mit dem Markt weiterentwickeln, wo wir produktseitig lange Zeit lediglich als Kreditkarten-Acquirer wahrgenommen wurden. Vielmehr wollen wir durch strategische Maßnahmen unseren Weg der breiteren Aufstellung als Full-Service-Dienstleister beschleunigt fortsetzen.- Das heißt, Sie wollen die Konsolidierung im deutschsprachigen Payment-Markt vorantreiben. An welche Bereiche denken Sie da konkret?Es gibt viele Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die in ihrer Aufstellung nicht wirklich zukunftsfähig sind, weil sie mitunter zu national aufgestellt sind, zu klein sind oder auch keine zukunftsfähige Produktentwicklung finanzieren können. Insofern sehen wir Chancen, uns auch über Zukäufe weiter zu verstärken. Außerdem werden wir uns Themen anschauen, mit denen Concardis ihre Produktkompetenz ausbauen kann. So wie wir das im vergangenen Jahr auch schon mit dem Kauf des Netzbetreibers ICP getan haben, den wir jetzt technisch in unsere Tochter Cardtech migrieren. Da ist noch viel Potenzial bei Unternehmen, die zusammen mit uns von den Strukturen und neuen Plattformen der Concardis profitieren können.- Der geografische Fokus bleibt auf den deutschsprachigen Raum beschränkt?Das ist zunächst mal so geplant für den Kartenbereich. Beim E-Commerce ist es aber so, dass der nun mal per se nicht in der DACH-Region endet. Und es gibt einen vertikalen Industriebereich, in dem wir schon tätig sind, das ist die Luftfahrtindustrie. Dort betreiben wir bereits globales Acquiring, aber das ist eine Sondersituation.- Was steht denn an Mitteln für zusätzliche Investitionen zur Verfügung?Mit Advent und Bain haben wir zwei Finanzinvestoren als Eigentümer, die im Private-Equity-Bereich in der Champions League spielen – und beide haben schon gezeigt, dass sie bereit sind, im Payment-Sektor Wachstum zu finanzieren. Was zur Verfügung steht, lässt sich nur schwer in Zahlen fassen, denn jede Maßnahme ist von einem individuellen Geschäftsplan getrieben. Die Bereitschaft unserer Eigentümer, hier mehrere hundert Millionen Euro Eigenkapital für Buy-and-Build zur Verfügung zu stellen, ist gegeben – und für uns ist jetzt Geschwindigkeit ein entscheidender Faktor. Auch wenn es grundsätzlich darum geht, profitabel zu wachsen, ist das jetzt schon eine andere Situation für Concardis als zu Zeiten mit den alten Eigentümern, für die es lange Priorität hatte, dass Concardis die Gewinne an sie ausschüttet. Jetzt können auch Gewinne einbehalten werden, um Wachstum zu finanzieren.- Wie sehen die mittelfristigen Finanzziele aus?Es ist natürlich das Ziel, den Gewinn in den kommenden Jahren deutlich nach oben zu bekommen. Das wird über organisches Wachstum sowie über Akquisitionen passieren, woraus wir dann die eine oder andere Synergie auf der Kosten- und Umsatzseite ziehen. Insgesamt ist es das Ziel, das Geschäftsmodell so zu erweitern, dass wir Skaleneffekte und profitables Wachstum erzielen können. Dies war in der Vergangenheit nicht immer eine Maxime.- Inwieweit ist Ihr strategisches Handeln geprägt von der bevorstehenden Einführung der Zahlungsdiensterichtlinie PSD2?Dem haben wir schon mit dem Aufbau einiger technischer Plattformen wie beispielsweise für den E-Commerce-Netzbetrieb Rechnung getragen. Außerdem sind wir im Backend dabei, stärker ein Insourcing von Lösungen zu betreiben. Das sind Voraussetzungen, um neue Produkte einführen zu können, die durch die PSD2 möglich werden. Als Payment-Dienstleister für die Händlerseite muss man die Schnittstelle haben, um von seiner Plattform aus die neuen Payment-Methoden zur Verfügung zu stellen. Auch für Instant Payment sind wir dann als Dienstleister für den Handel gut positioniert.- Im Markt wird schon vermutet, dass die Einführung von Instant Payment die Kreditkarten verdrängen könnte.Ich glaube nicht, dass die Kredit- oder Debitkarten verdrängt werden. Für uns ist aber noch etwas anderes wichtig: Mastercard und Visa befassen sich selbst schon ausführlich mit diesen Themen. Mastercard hat sich mit dem Erwerb von Vocalink bereits im Instant Payment positioniert. Man muss unterscheiden zwischen der technischen Lösung und der Vermarkung, also dem Branding des Produktes. Wenn hinter einer Mastercard oder einer Visa ein Instant-Payment-Produkt steht und dafür ein Acquirer und Abwickler benötigt wird, dann wird das auch für uns ein Geschäft sein. Denn es kommt darauf an, dass man den Zugang zum Händler hat, und den hat man nicht, weil man Instant Payment nur technisch kann. Ohne Zugang zum Händler verbleibt man im Henne-Ei-Dilemma.- Mit Ratepay gibt es schon einen Zukauf, der zur Concardis-Gruppe stößt. Welche Rolle soll Ratepay übernehmen?Wir waren schon im vergangen Jahr daran interessiert, Ratepay zu erwerben. Unser eigener Verkauf klappte aber doch schneller als gedacht, und ich habe das Thema dann direkt mit Advent und Bain im Januar wieder angestoßen. Wir waren uns schnell einig, dass Ratepay ein sehr interessantes Asset im Concardis-Verbund sein kann. Denn damit erhalten wir die Kompetenz zum Rechnungskauf als Plattform – und das ist nun mal eine sehr wichtige Zahlmethode im deutschsprachigen Raum. Dieses Produkt richtig zu beherrschen ist meiner Ansicht nach besser, als es nur als Reseller anzubieten. Schließlich wollen wir ganz klar deutscher Payment Champion werden, und Ratepay passt perfekt in unsere Strategie, stärker im E-Commerce aufgestellt zu sein.- Was wird aus dem Ratepay-Management um Gründerin Miriam Wohlfarth?Das Management um Miriam Wohlfarth kenne ich schon lange, wir waren uns in strategischen Dingen schnell einig – und es hilft, wenn man ein gemeinsames Verständnis vom Markt und der Dynamik im Online-Payment hat. Ratepay wird Teil der Concardis-Gruppe, aber man muss sich da vom alten Concardis-Bild lösen: Concardis wird ein breiterer Payment-Dienstleister sein und Ratepay sein Produkt weiterhin eigenständig vermarkten. Miriam Wohlfarth und Jesper Wahrendorf werden beide als Geschäftsführer an Bord bleiben. Mit der Ratepay-Kompetenz haben wir eine stärkere Profilierung im E-Commerce-Markt.- Was denken Sie, ist Concardis für die Eigentümer dann ein IPO-Kandidat oder eher ein Trade Sale?Wir befinden uns jetzt am Beginn der Zusammenarbeit mit Advent und Bain. Es wäre verfrüht, sich bereits heute über den Exit Gedanken zu machen. Im Vordergrund steht jetzt erst einmal, Concardis zu einem großen industriellen Player im Payment aufzubauen. Wir entwickeln derzeit eine hochperformante Plattform, mit der wir dem Markt innovative Payment-Produkte anbieten und damit das Geschäft unserer Kunden und Kooperationspartner unterstützen können. Unsere neuen Eigentümer bringen dafür eine Menge Erfahrung mit. Insofern freuen wir uns auf die gemeinsame Zusammenarbeit und die vor uns liegenden Aufgaben.- Bei Paydirekt als Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) lässt die Nutzung durch Privatkunden doch zu wünschen übrig. Befindet sich Paydirekt in einer Sackgasse?Wir haben Paydirekt in unserem Portfolio, und wir werden Paydirekt vertrieblich weiter bestmöglich unterstützen. Wahrscheinlich muss man sich bei Paydirekt aber auch noch einmal Gedanken über Maßnahmen im Marketing und Pricing machen sowie über die Zusammenarbeit mit Schlüsselpartnern. In die richtige Richtung geht hier die jüngst angekündigte Kooperation von Paydirekt mit der Otto Group. Paydirekt liegt in der Hand der gesamten Deutschen Kreditwirtschaft, und in dieser Clubstruktur ist das Herbeiführen von gemeinsam getragenen Entscheidungen naturgemäß schwierig und zeitaufwendig. Ich kenne das Thema, und es war viel Arbeit, Concardis aus dieser Clubstruktur herauszuführen, um damit eine nachhaltige Wachstumsstrategie auf Basis ausreichender Ressourcen und rascher Entscheidungen möglich zu machen. Die Deutsche Kreditwirtschaft diskutiert natürlich auch, ob es sinnvoll ist, Unternehmen in einer solchen Verbundstruktur zu führen. Sie werden dann vor allem als Erfüllungsgehilfe für andere Ziele gesehen. Das verhindert häufig ein markt- und wettbewerbsorientiertes Agieren. Nur Mittel zum Zweck Dritter zu sein ist aber für Unternehmen auf Dauer weder tragfähig noch innovativ.—-Das Interview führte Björn Godenrath.