Finanzstabilitätsbericht

Gewerbeimmobiliensektor als Stressverstärker

Die EZB beobachtet den schwächelnden Gewerbeimmobilienmarkt genau, fürchtet sie doch, dass er als Stressverstärker wirkt.

Gewerbeimmobiliensektor als Stressverstärker

Gewerbeimmobiliensektor als Stressverstärker

EZB befürchtet mögliche Verluste der Banken, erwartet aber keine allein vom Immobilienmarkt ausgehende systemische Krise

Reuters Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) blickt mit Sorge auf den Abschwung der Gewerbeimmobilienmärkte im Euroraum. Kräftig gestiegene Finanzierungskosten und schrumpfende Gewinne setzen dem Sektor aktuell schwer zu. Zwar entfielen nur 10% des gesamten Kreditengagements der Banken auf Gewerbeimmobilien im Vergleich zu 30% bei Wohnimmobilien, teilte die EZB in einem am Dienstag veröffentlichten Aufsatz aus ihrem neuen Finanzstabilitätsbericht mit.

Vom Gewerbeimmobiliensektor allein könne daher zwar keine systemische Krise ausgehen. Er habe aber das Potenzial, wie ein Verstärker in Stresssituationen zu wirken. Die Gefahr systemrelevanter Verluste in der Bankenbranche könne dann zunehmen.

Auch in anderen Teilen des Finanzsystems, die erheblich mit dem Gewerbeimmobiliensektor vernetzt sind, wie Versicherer und Investmentfonds, seien dann hohe Verluste möglich, erklärte die EZB. Bauträger stehen derzeit angesichts sinkender Preise und schrumpfender Auftragsbücher unter Druck. Die Erholung im Markt für Gewerbeimmobilien nach der Coronakrise währte nicht lange. Sie endete mit den rasant steigenden Zinsen in der Eurozone.

Die EZB hat im Kampf gegen die hohe Inflation ihre Schlüsselsätze seit dem Sommer 2022 bereits zehn Mal angehoben. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt mit inzwischen 4,00% auf dem höchsten Niveau seit dem Beginn der Währungsunion 1999.

Transaktionen eingebrochen

Laut EZB ist im ersten Halbjahr 2023 die Zahl der Gewerbeimmobilien-Transaktionen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 47% eingebrochen. Fallende Immobilienpreise bremsten die Marktentwicklung. Die größten börsennotierten Vermieter im Euroraum werden der EZB zufolge derzeit mit einem Kursabschlag von über 30% auf den sogenannten Nettoinventarwert (NAV) gehandelt – ein wichtiges Maß zur Bewertung von Immobilienfirmen. Das sei der größte Abschlag seit 2008. Nach Einschätzung der Währungshüter könnten die Gewinne von Immobilienunternehmen in den kommenden Jahren sinken und den steigenden Finanzierungskosten hinterherhinken. Der Schuldendienst würde damit für die Firmen schwieriger.

Angemessene Rückstellungen

"Immobilienunternehmen sind im derzeitigen Umfeld anfällig für Verluste, was sich auf die Widerstandsfähigkeit der Kredite in den Büchern der Banken auswirkt", schrieben die Währungshüter. Banken und Nichtbanken sollten daher sicherstellen, dass Rückstellungspraktiken und Eigenkapital das Ausmaß der Verwundbarkeiten angemessen widerspiegeln.

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