IT-Chef von Goldman will über KI Outperformance generieren
Chief Information Officer von Goldman betont Banking-Potenzial von KI
xaw New York
Der oberste Technologiestratege von Goldman Sachs wirbt für das Anwendungspotenzial künstlicher Intelligenz im Investmentbanking und Assetmanagement. „In vielen unserer Geschäftsbereiche ist Zeit bares Geld“, sagt Marco Argenti, Chief Information Officer der US-Großbank, in einer Medienrunde am Freitag. „Die KI kann im Austausch mit anderen Marktteilnehmern Funktionen übernehmen, die menschliche Banker hohen Aufwand verursachen, und inzwischen sogar proaktiv mit Kunden interagieren“.
Drei große Anwendungsbereiche
Generell sieht das Vorstandsmitglied drei große Anwendungsbereiche für die Technologie: Die Kommunikation mit Kunden und damit die Unterstützung des Vertriebs, die Nutzung als Analysetool im Research und die „Produktionsseite“ des Investmentbanking. „Wer schon einmal ein Pitch Book für einen M&A-Deal oder ein IPO erstellt hat, der weiß, wie komplex und zeitaufwendig das ist“, sagt Argenti, den Goldman 2019 vom Cloud-Riesen Amazon Web Services abwarb. „Mit generativer KI lassen sich die Präsentationsmappen für Unternehmen und Investoren weitgehend automatisiert aus einem riesigen Informationspool zusammensetzen.“

Goldman Sachs
Der Zeitpunkt, zu dem bei Deal-Verhandlungen nur noch zwei KI-Tools miteinander agierten, sei aber noch lange nicht in Sicht. „Wir verfügen schon über sehr fortschrittliche Assistenzsysteme, aber wir sitzen nicht im vollständig autonomen Fahrzeug“, nutzt Argenti eine Analogie aus der Automobilbranche. Es müsse immer noch Menschen geben, die statt harter Daten auch weiche Faktoren im Gespräch berücksichtigen und im Zweifelsfall Verantwortung für Fehler übernehmen könnten.
KI ist kein guter Stockpicker
KI-Modellen besäßen also Limitierungen, die sich schließlich auch in der Vermögensverwaltung zeigten. „Bisher handelt es sich hier um statistische Mechanismen, die auf Basis bekannter Informationen eine Wahrscheinlichkeitsverteilung erstellen können – an den Finanzmärkten sind aber oft Zufallsvariablen ausschlaggebend“, sagt Argenti. Die KI könne die Kursentwicklung einer Aktie also nur anhand des bisherigen Verlaufs fortschreiben und sei damit in der Regel ein schlechterer Stockpicker als der Mensch. Denn wie aktive Fondsmanager betonen, haben sie der Maschine immer noch ihre Intuition voraus – und damit die Möglichkeit, kalkulierte Risiken einzugehen, die nicht durch einen statistischen Datensatz abgedeckt sind.
„Es gibt aber durchaus Möglichkeiten, über KI Alpha zu generieren“, betont Argenti. Denn nicht nur durch den Einsatz in der Analyse, sondern auch in der Kommunikation mit anderen Marktteilnehmern lasse sich mit der Technologie viel Zeit einsparen. „Mittels KI können wir zum Beispiel schneller fundiert gute Preise stellen als Wettbewerber, die nicht auf ähnlich fortschrittliche Modelle zurückgreifen können“, führt der Chief Information Officer aus. „Damit generieren wir ebenfalls Alpha“ – also eine Outperformance gegenüber dem breiten Markt. Ähnliche Prinzipien gälten auch für die Generierung von Aufträgen im Investmentbanking.
Schnellere Kommunikation mit Kunden
Im Asset- und Wealth Management sowie im Vertrieb sei eine spannende Frage, „ob wir künftig in T minus 1 responsiv sein können“ – also ob die Bank auf Basis von KI-gestützten Analysen schon auf Kunden zugehen könne, bevor diese überhaupt eine Frage gestellt hätten. Ziel müsse es sein, „in Echtzeit auswerten zu können, wie ein globales Ereignis das Portfolio eines Kunden betreffen – oder ein Unternehmen, für das wir an einem Deal arbeiten“, führt Argenti aus. Die Skalierungsmöglichkeiten durch die Entwicklung von der reaktiven zur proaktiven Kommunikation seien „faszinierend“.
Goldman nutzt künstliche Intelligenz auch in der internen Kommunikation und Entwicklung. So hat die Bank ein KI-gestütztes Assistenzsystem entwickelt, das ähnlich wie der OpenAI-Textgenerator ChatGPT funktioniert, aber auf alle populären großen Sprachmodelle zurückgreift. „Wir sind in über 100 Ländern aktiv und müssen deshalb Unmengen an Dokumenten übersetzen – unser Assistenz ist so programmiert, dass er dabei unsere internen Sprachregelungen beibehält und lokale regulatorische Anforderungen erfüllt“, sagt Argenti.
Interne Nutzung zieht an
Die interne Nutzung habe dabei in den vergangenen Monaten stark angezogen. „Im August haben wir die Marke von einer Million Prompts pro Monat überschritten, was für ein Unternehmen unserer Größe beeindruckend ist“, führt der Chief Information Officer aus. Zudem kooperiert Goldman mit dem Startup Cognition Labs, dessen autonomer KI-Agent „Devin“ technische Routinearbeiten übernehmen und die interne Entwicklung von Finanztechnologie-Software deutlich produktiver machen soll.
Generell geht Argenti davon aus, dass die Entwicklung künstlicher Intelligenz in den kommenden Monaten „zumindest im gleichen Tempo wie bisher“ voranschreitet. Die zum Training von Sprachmodellen verfügbaren Daten seien deutlich besser geworden und die Multimodalität – also die Fähigkeit, neben Text auch andere Datentypen wie Audio und Video zu verarbeiten – mache einen großen Unterschied. Mit seinen Prognosen geht der leidenschaftliche Programmierer allerdings in gewisser Weise auf Konfrontationskurs mit den Analysten seines Hauses. Diese gaben zuletzt zu verstehen, dass sich der Boom um künstliche Intelligenz inzwischen deutlich überhitzt habe. Ein „scharfer Tempoverlust“ beim Wachstum der Investitionsausgaben sei unausweichlich. Dies berge „substanzielle Abwärtsrisiken sowohl für den KI-Trade als auch für den breiten S&P 500“.