Gothaer sucht Schulterschluss mit Wettbewerbern

"Kooperationsbereitschaft steigt" - Amazon-Markteinstieg droht - Einsatz von künstlicher Intelligenz

Gothaer sucht Schulterschluss mit Wettbewerbern

ak Köln – Die Gothaer setzt für die Zukunft auf Partnerschaften und will vor allem im Lager der Versicherungsvereine die Zusammenarbeit stärken. “Die Kooperationsbereitschaft in der Branche steigt”, glaubt Konzernchef Karsten Eichmann. Denn die Versicherer fürchten zunehmende Konkurrenz von neuen Marktteilnehmern. Das Augenmerk ganz aktuell liegt auf den Aktivitäten von Amazon. Der Konzern schickt sich an, größer in den Versicherungsmarkt einzusteigen, und sucht über Stellenanzeigen in Europa nach Branchenexperten.Die Gothaer hat wie auch viele etablierte Konkurrenten vor allem mit der Modernisierung ihrer IT-Systeme zu kämpfen. “Ich schließe nicht aus, dass wir Kooperationen mit anderen Häusern eingehen”, sagte Eichmann vor Journalisten in Köln.Der mittelgroße Gegenseitigkeitsversicherer hat in jüngster Zeit bereits zwei größere Partnerschaften mit initiiert: Für ein gemeinsames Leistungsmanagement haben sich vier private Krankenversicherer zusammengetan und das Joint Venture LM+ gegründet. Für die neuen Angebote in der betrieblichen Altersvorsorge geht das Rentenwerk, ein Gemeinschaftsunternehmen aus fünf Versicherern, an den Start. In beiden Kooperationen sind ausschließlich Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit vertreten.Intensiven Wissenstransfer betreibt die Gothaer nach eigenen Angaben im europäischen Verbund Eurapco, in dem acht genossenschaftlich organisierte Versicherungsgruppen in Europa mit zusammen 52 Mrd. Euro Beitragseinnahmen sich austauschen. So steht die Gothaer zum Beispiel beim Thema Blockchain noch an der Seitenlinie, beobachtet aber die Aktivitäten ihrer europäischen Partner genau.In anderen Feldern der Digitalisierung probiert die Gothaer selbst aus. Zwei Pilotprojekte zur Nutzung künstlicher Intelligenz sollen im kommenden Jahr implementiert werden. So sollen in der Krankenversicherung mit Hilfe neuronaler Netze eingereichte Rechnungen auf Auffälligkeiten überprüft werden. Dadurch werde der manuelle Aufwand bei der Bearbeitung von Belegen deutlich sinken, verspricht sich die Gothaer. So können auch Personalkosten eingespart werden. Das seit 2015 laufende Effizienzprogramm sieht den Abbau von 600 bis 800 der zuvor 3 350 Vollzeitstellen vor.Operativ tritt die Gothaer im laufenden Jahr eher auf der Stelle. Sie verbucht ein minimales Beitragsplus von 0,7 % auf 4,4 Mrd. Euro, wobei Wachstum in der Komposit- und Krankenversicherung durch die rückläufige Lebensversicherung konterkariert wird. Als Erfolg wertet die Gothaer ihre neue Gewerbeversicherung, in der mehr als 6 000 Policen verkauft worden seien. Auch in der seit Jahresbeginn angebotenen Cyberversicherung für Mittelständler sieht der Konzern Potenzial, auch wenn bislang weniger als 100 Verträge ausschließlich an Bestandskunden verkauft worden seien. Ein Schaden, so der Vorstand, sei noch nicht aufgetreten. Die Gothaer will die Cyberversicherung im kommenden Jahr ausweiten und auch für Neukunden sowie kleinere Firmen (unter 5 Mill. Euro Umsatz) anbieten. Kein Problem mit ZinsenIn der Lebensversicherung sinkt der Anteil klassischer Garantieprodukte im Neugeschäft stark. Er beträgt 21 %, lag vor drei Jahren aber noch bei 41 %. Die Zuführung zur Zinszusatzreserve fällt wegen des Zinsanstiegs in diesem Jahr mit 240 Mill. Euro geringer aus als vom Vorstand ursprünglich erwartet. Potenzielle Zinskapriolen bringen Finanzvorstand Harald Epple nicht aus der Ruhe: “Auch schnell steigende Zinsen sehen wir nicht als Problem.”In der Kapitalanlage ist das Ergebnis 2017 um 20 % eingebrochen, da die Gothaer im Vorjahr einen positiven Sondereffekt verzeichnet und ihre Beteiligung am Tankkartenanbieter DKV Mobility Services mit einem satten Buchgewinn verkauft hatte. Epple kündigte an, in der Kapitalanlage erstmals in staatsgarantierte Exportkreditfinanzierungen zu investieren.