Helaba: Frankfurt hat die Nase vorn
Im Wettbewerb um die Ansiedlung von Jobs im Finanzsektor nach dem Brexit-Beschluss hat Frankfurt laut Helaba die Nase vorn. Mindestens die Hälfte der aus London abgezogenen Stellen dürfte demnach an den Main verlegt werden.bn Frankfurt – Die Helaba sieht Frankfurt im Wettbewerb um infolge des Brexit aus London fortziehende Banker ganz vorne. “Wir erwarten, dass mindestens die Hälfte der aus London abwandernden Finanzjobs nach Frankfurt verlegt wird”, hat Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud am Donnerstag bei Präsentation der Studie “Finanzplatz Frankfurt/In der Pole-Position für Brexit-Banker” erklärt. Über mehrere Jahre entspreche dies mindestens 8 000 Mitarbeitern. Spürbar dürfte dies schon 2018 werden. Bis Ende 2019 erwartet die Bank im Frankfurter Bankensektor ein Beschäftigungsplus von 4 % auf etwa 65 000 – ungeachtet der weiteren Konsolidierung im Bankenmarkt, die zu einem Abbau von rund 2 500 Stellen führen dürfte. 5 000 Jobs bis Ende 2019In ihrem Basisszenario geht die Landesbank davon aus, dass London trotz Imageschadens und Einschränkungen beim Binnenmarktzugang der bedeutendste Finanzplatz Europas bleiben wird. Unter dieser Prämisse erwartet die Helaba bis Ende 2019 die Zuwanderung von mindestens rund 5 000 Stellen. Sollte es etwa zu einem konfliktreichen Ausgang der Brexit-Verhandlungen kommen, wären demnach bis dahin deutlich mehr als doppelt so viele Zuwanderungen denkbar. Würden nur die bislang 15 Banken, die bereits Verlagerungen nach Frankfurt angekündigt haben (siehe Grafik), mit jeweils rund 200 bis 300 Mitarbeitern an den Main kommen, würde sich dies schon auf fast 4 000 summieren. Diese Annahme deckt sich grob mit jener des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland. Dessen Vorsitzender Stefan Winter hatte am Mittwoch erklärt: “In Deutschland rechnen wir mit Personalaufstockungen von 200 bis 300 Stellen für die größeren Häuser.” Insgesamt geht der Verband “von bis zu 5 000 neuen Stellen in den nächsten zwei bis drei Jahren” aus. “Rechnen wir noch die deutschen Häuser hinzu, die Geschäftsbereiche zurückverlagern, kommt sicherlich noch eine vierstellige Zahl hinzu”, sagte Winter. Allein die Deutsche Bank könnte 2 000 in den Heimatmarkt zurückverlagern, wie Regulierungsvorstand Sylvie Matherat im Frühjahr erklärt hatte.Die meisten vom Brexit betroffenen Institute werden Winter zufolge aber erst den weiteren Verlauf der Verhandlungen sowie politische Entwicklungen etwa um die Frage der Verlagerung des Clearings von Euro-Derivaten abwarten. Sollte Frankreich es schaffen, sich im Euro-Clearing nach vorne zu schieben, werde der Wettbewerb um zu verlagernde Jobs härter, prognostiziert Helaba-Chefvolkswirtin Traud. Im August hatte die in Paris ansässige Mehrländerbörse Euronext mit der Nachricht überrascht, dass sie ihren Vertrag mit dem mehrheitlich zur London Stock Exchange gehörenden Clearinganbieter LCH Group verlängert und dafür eine für 2018 geplante Kooperation mit ICE Clear aufgibt.In jedem Fall hat sich die Wahrnehmung der Stadt am Main laut Helaba seit dem britischen Brexit-Votum am 23. Juni 2016 deutlich geändert. Vorurteile, denen zufolge es in Frankfurt provinziell zugehe und man mit Englisch nicht weit komme, seien ohnehin überholt, heißt es, auch mit Verweis auf einen von 25 % (2008 bis 2010) auf 29 % (2016) gestiegenen Ausländeranteil. 118 000 BeschäftigteDie Helaba weist zudem darauf hin, dass, wird die räumliche Abgrenzung von Greater London auf das Gebiet rund um Frankfurt übertragen, in der Region rund 118 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Finanz- und Versicherersektor arbeiten. Sofern im Wettbewerb um die Ansiedlung von Banken und Bankern diese Größe zählt, steht Frankfurt damit nicht schlecht da, wie am Donnerstag vorgerechnet wurde. Denn in London sind es zwar knapp 360 000 und in Paris 145 000, in Amsterdam und Luxemburg aber jeweils rund 45 000 und in Dublin gerade einmal 23 000. “Das Dorf ist gar nicht so klein”, merkte Traud an.Seit der Finanzplatzstudie der Bank im vergangenen Jahr habe sich die relative Attraktivität Frankfurts weiter erhöht, teilt die Helaba mit. Damals hatte das Institut noch unterstellt, dass es nicht zum Brexit kommt, dafür aber die Fusion von Deutscher Börse und London Stock Exchange Realität wird. Die Absage der Börsenfusion sei positiv, da die Deutsche Börse nun “erhobenen Hauptes” ihren eigenen Weg weitergehen könne, heißt es. Der Börsenplatz Frankfurt sei nicht durch “Eingemeindung aus London degradiert” worden. Darüber hinaus könnte das deutsche Finanzzentrum als europäische Aufsichtsmetropole weiter gestärkt werden, sollte die länderübergreifende Bankenaufsichtsbehörde EBA nach Frankfurt verlegt werden, wie Helaba-Finanzplatzexpertin Ulrike Bischoff festhält. Traud hält Frankfurt für “ziemlich prädestiniert” als neuen EBA-Sitz. Sie hoffe nur, dass die Entscheidung anhand der aufgestellten Kriterien und nicht als Ergebnis politischer Erwägungen falle, sagte sie.Am Büromarkt dürfte die Zusatznachfrage durch nach Frankfurt ziehende Banken wegen Leerstands und einer Reihe von Projektentwicklungen “problemlos zu bewältigen sein”, meint die Helaba. Am Wohnungsmarkt gebe es zwar keinen nennenswerten Leerstand. Allerdings sprächen eine erhöhte Neubauaktivität, die Planungen für die nächsten Jahre sowie umfangreiche Flächenreserven im Umland gegen eine deutliche Verschärfung der Lage durch den Brexit. Angesichts stark nachgefragter Bildungsangebote bedürfe es gleichwohl eines weiteren Ausbaus der Bildungsarchitektur für Kinder jeden Alters und aller Schulformen, der “über den Brexit-bedingten Bedarf hinausgeht”.Dagegen ist eine Schwächung der Londoner City “schon jetzt unübersehbar”, wie die Helaba festhält. Eine anhaltend hohe Unsicherheit über die künftigen Rahmenbedingungen in Großbritannien lasse die Stadt in der Gunst ausländischer Finanzplatzakteure sinken. “In London findet schon ein Abbau statt, und die Veränderung am Immobilienmarkt sehen wir auch schon an den Preisen dort”, sagte Traud.