EZB

Helaba stuft Geldpolitik als restriktiv ein

Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud hat den Eindruck, dass die EZB „leicht überschießt“. Ein restriktiver Kurs der EZB gehe mit dem Risiko einher, dass die Euro-Zone in eine Rezession abgleite.

Helaba stuft Geldpolitik als restriktiv ein

Helaba stuft Geldpolitik als restriktiv ein

Chefvolkswirtin Traud erwartet längere Durststrecke im Wohnungsbau

fed Frankfurt

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ist nach Einschätzung der Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen, Gertrud Traud, mittlerweile restriktiv. Sie habe den Eindruck, sagte Traud beim 19. Immobilientag der Börsen-Zeitung, dass die EZB, nachdem sie zunächst zu lange mit der geldpolitischen Straffung gezögert habe, nunmehr "leicht überschießt“. Traud erinnerte an die Zeiten, als die Bundesbank noch den Leitzins bestimmt habe. Die deutsche Notenbank habe seinerzeit Zinsen in Situationen bereits wieder gesenkt, in denen die Inflation noch deutlich höher lag als die angestrebten 2%. Die Bundesbank, so Traud, habe vorausschauend agiert.

Ein restriktiver Kurs der EZB gehe mit dem Risiko einher, dass die Euro-Zone in eine Rezession abgleite – nicht nur in eine Mini-Rezession. Zumal Stimmungsindikatoren wie der Ifo-Geschäftsklima-Index ein Rückschlagpotenzial für die wirtschaftliche Erholung anzeigten.

Sinkende Erzeugerpreise

Die Ökonomin wies darauf hin, dass die Gefahren für die Preisstabilität zuletzt wieder etwas gesunken seien. Das gelte insbesondere mit Blick auf die Erzeugerpreise oder auch hinsichtlich der Transportkosten für Schiffscontainer. Der Straffungskurs der EZB habe Wirkung gezeigt und tue das weiterhin. Traud prognostiziert einen stufenweisen Rückgang der Verbraucherpreise in Deutschland auf 3,5% und dann 2,5%.

Die vergangenen Monate haben ihrer Ansicht nach veranschaulicht, dass die extrem geringe Teuerung eben kein anhaltendes Phänomen seien – ebenso wenig wie niedrige Leitzinsen. Bis zur Jahrtausendwende sei ein Leitzins in der Größenordnung von 3% am unteren Ende der Skala gewesen. Erst danach seien die EZB-Zinsen deutlicher gesunken.

Diese Zeiten von geringer Inflation und Nullzinsen seien nun Vergangenheit: Aus Sicht der Immobilienwirtschaft sei die "Party vorbei“. Sie rechne nun mit einer längeren Durststrecke im Wohnungsbau.

Bedarf an Wohnraum wächst

Die angestrebte Zahl von 400.000 Fertigstellungen von Wohnungen werde nicht erreicht werden. Das sei bedauerlich, denn der Bedarf an Wohnraum wachse. Die Kapazitätsauslastung am Bau gehe zwar zurück, allerdings auf hohem Niveau. Die Auftraggeber stünden nicht mehr Schlange, aber es gebe für die Bauunternehmen noch genug zu tun. Bei den Baustoffpreisen gebe es zumindest bei einigen Materialien Entspannungssignale.

Die Unsicherheit, nicht nur in der Immobilienbranche, sei noch hoch, obwohl die Pandemie vorbei sei. Das gelte vor allem für Deutschland. Die Zahl der Nennungen des Begriffs Unsicherheit in der Wirtschaftsberichterstattung liege höher als bei den EU-Nachbarn. Die Helaba-Konjunkturprognose spiegele in Teilen diese Unsicherheit, denn das Basisszenario, das Traud mit 65% beziffert, laute auf eine "Gratwanderung". Das Negativszenario hat die Helaba mit 25% in ihrem Ausblick, das positive Szenario mit 10%.

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