Immobilienbranche sieht die Taxonomie als Angebot
Immobilienbranche sieht die Taxonomie als Angebot
Definition für nachhaltige Immobilien weitgehend gelungen – Viele Aktivitäten durch EU-Klassifizierung nicht erfasst
wbr Frankfurt
Die EU-Taxonomie als Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten wird auch in der Immobilienbranche heiß diskutiert. Bislang beschreibt das Regelwerk, das derzeit um vier weitere Umweltziele ergänzt wird, Tätigkeiten von Unternehmen in den Bereichen Umwelt und Energie und hat damit auch für Wohn- und Gewerbegebäude eine große Bedeutung. Soziale Fragen sind dagegen bislang ausgeklammert, obgleich das Thema gerade im Bereich von Wohnen eine hohe Relevanz hat.
Sehr hoher Standard
Auf dem Immobilientag der Börsen-Zeitung gab es in der Diskussionsrunde zur Taxonomie und Immobilienfinanzierung überwiegend wohlmeinende Einschätzungen zum Brüsseler Regelwerk. Nach Meinung von Jenny Stephan, Expertin für Sustainable Finance im Bereich Real Estate bei der Unternehmensberatung KPMG, hat die Taxonomie in erster Linie die Aufgabe, ein einheitliches Verständnis darüber herzustellen, was eine nachhaltige Immobilie ist. Hervorzuheben sei außerdem Transparenz, die durch die Taxonomie im Prozess von ESG und Nachhaltigkeit hergestellt werde.
Nach dem jetzigen Stand sei es der Taxonomie gelungen, eine Klassifikation zu bieten. Stephan gibt aber auch zu bedenken, dass die Taxonomie ein sehr hoher Standard sei, der in Richtung dunkelgrün gehe. Das führe dazu, dass Aktivitäten etwa im Bereich des Übergangs beziehungsweise der Transition nicht darunterfallen.
Bedenklich sei zudem, dass angesichts des sehr hohen Maßstabs unter Umständen einzelne Aspekte von den Unternehmen gar nicht eingebracht und berücksichtigt würden. Die Vereinheitlichung begrüßt auch Thomas Beyerle, Leiter Research bei Catella. Er sieht die Taxonomie als ein Angebot an die Wirtschaft. Letztlich gehe es in dem dynamischen Prozess auch darum, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die die Kipppunkte im Klimawandel nach hinten verschieben. Der hohe dunkelgrüne Standard führt nach Einschätzung vor Beyerle allerdings dazu, dass im Produktbereich Fonds nach Art. 9 praktisch nur mit energieeffizienten Neubauimmobilien zu erreichen seien.
Mit Blick auf das vielfach diskutierte Thema der Stranded Assets, also Immobilien, die die Standards nicht mehr erfüllen, sieht Beyerle auch Chancen für ein intensives Management dieser Immobilien.
Aktivitäten fallen raus
„Die Taxonomie ist eine notwendige Initialzündung“, so die Einschätzung von Stefan Hoenen, Leiter der Niederlassungen Frankfurt, München und Düsseldorf bei der Hamburg Commercial Bank. Allerdings gehe das Klassifizierungssystem nicht weit genug. Durch einen Mangel an Definitionen beziehungsweise Lücken gebe es viele nachhaltige Aktivitäten, die bei der aktuellen Taxonomie unter den Tisch fallen.
Aus Sicht von Hoenen sei für viele Unternehmen die Taxonomie in der Praxis auch gar nicht so entscheidend, sondern es kommt darauf an, den Energieverbrauch zu senken und einen Nachhaltigkeitsbeitrag zu leisten.
Aus Sicht von Stephan geht die Entwicklung im Bereich Nachhaltigkeit und Immobilien in die richtige Richtung und es sei mehr erreicht worden, als man hätte erwarten können. Beispielsweise, dass es heutzutage ohne einen Transformationsplan für eine Immobilie, wie diese sich in Richtung Grün entwickelt, kaum noch eine Finanzierung gebe. Daher könne man sagen, dass auch die Allokationswirkung der Regulierung greift und es nicht zu Fehlallokation kommt.
Mit Blick nach vorn stellt Hoenen fest, dass es für die Immobilienbranche auch noch Zeit gebe. Das Ziel Klimaneutralität im Jahr 2050 lasse mehr als 25 Jahre zum Handeln. Und auch die Ziele in der EU-Gebäudeenergieverordnung, die derzeit in der Diskussion ist, bieten ebenfalls noch etliche Jahre.
Stufenweise vorgehen
Insofern haben die Unternehmen durchaus die Gelegenheit, einen Zeitplan im Bereich ESG und Nachhaltigkeit zu entwickeln und in Stufen vorzugehen. Ganz so entspannt sieht es Stephan nicht: „Die Zeit läuft ab“, meint die Expertin von KPMG. Unternehmen könnten sich nicht zurücklehnen, sondern müssten sich mit den Themen beschäftigen.