GastbeitragWohnungsmarkt

In Europa sinken seit Herbst die Preise für bestehende Wohnimmobilien

Jahrelang kannten die Wohnimmobilienpries nur eine Richtung - nach oben. Im Schlussquartal 2022 jedoch sanken nicht nur in Deutschland die Preise gegenüber Vorquartal, sondern auch in sieben der acht Nachbarstaaten.

In Europa sinken seit Herbst die Preise für bestehende Wohnimmobilien

In Europa sinken seit Herbst die Preise für bestehende Wohnimmobilien

Von Peter Parlasca*), Luxemburg

Wohnimmobilien verzeichneten als einzige Anlageklasse innerhalb der Kategorie Immobilien auch während der Corona-Pandemie eine kontinuierlich aufwärtsgerichtete Preisentwicklung. Das Jahr 2021 zeigte die stärkste Preisentwicklung seit dem Beginn der standardisierten Erfassung von Preisen für Wohnimmobilien auf europäischer Ebene im Jahr 2005. Im Laufe des Sommers 2022 zeichnete sich in nahezu allen europäischen Ländern ein Ende des oft mehr als ein Jahrzehnt andauernden Preisanstiegs ab.

Zur Messung der Wohnimmobilienpreise findet der HPI (House Price Index) Verwendung, der neben Häusern auch Wohnungen umfasst und von Eurostat veröffentlicht wird. Während im zweiten Quartal 2022 noch in allen 26 EU-Ländern sowie der Schweiz die Hauspreise gegenüber dem Vorquartal stiegen, begannen diese im dritten Quartal zuerst in Deutschland und Dänemark zurückzugehen. Im letzten Quartal 2022 sanken nicht nur in Deutschland die Preise gegenüber Vorquartal (−5,0%), sondern auch in sieben der acht Nachbarstaaten mit Ausnahme von Polen (+1,4%).

Als Folge der Aufwärtsbewegungen in den ersten Quartalen 2022 lagen die Wohnimmobilienpreise im vierten Quartal mit Ausnahme von Deutschland (−3,6%) und Dänemark (−6,5%) über dem Stand vom letzten Quartal 2021. Die Dämpfung des Preisanstiegs hat mit Ausnahme von Kroatien inzwischen alle EU-Länder sowie die Schweiz erfasst. Ein wichtiger Einflussfaktor für die rückläufigen Preise war die Entwicklung der Transaktionen bei Bestandsimmobilien. Neben Deutschland verzeichneten sieben seiner acht Nachbarstaaten im letzten Quartal 2022 bereits Preisrückgänge, und zwar zwischen −0,6% (Frankreich) und −6,6% (Tschechien). Einzig in Polen stiegen die Preise für Gebrauchtwohnungen mit +0,7% noch leicht an.

Uneinheitlich verlief dagegen die Preisentwicklung bei Neubauobjekten. Hier stiegen die Preise nicht nur in den ersten drei Quartalen 2022, sondern sogar im vierten Quartal in den fünf Nachbarstaaten Belgien, Österreich, Polen, Dänemark sowie in Frankreich gegenüber dem Vorquartal weiter an. Demgegenüber meldeten Luxemburg, Deutschland, Tschechien und die Niederlande auch im Neubau bereits Rückgänge gegenüber dem Vorquartal. Vergleicht man die Neubaupreise für Wohngebäude im vierten Quartal 2022 mit dem Schlussquartal des Vorjahres verzeichnete Deutschland mit 1,5% den niedrigsten Preisanstieg unter allen 26 EU-Mitgliedstaaten. Die höchsten Preisanstiege bei Neubauten in den Nachbarstaaten meldeten Österreich (+13,8%), Dänemark (+10,8%) und Polen (+10,4%).

Abwärtstrend dürfte anhalten

Für eine weiterhin abwärtsgerichtete Preisentwicklung spricht die Analyse der Transaktionsdaten. Diese liegen auf europäischer Ebene zwar für viele Nachbarstaaten vor, nicht jedoch für Deutschland. 2022 schwankte die Entwicklung der Anzahl der Transaktionen gegenüber dem Vorjahr zwischen −29,8% in Dänemark, −16,2% in den Niederlanden, −15,4% in Luxemburg, −12,3% in Österreich und −6,4% für Frankreich. Nur Belgien lag mit +1,7% im Plus. Auch im vierten Quartal 2022 verzeichneten mit Ausnahme Belgiens (+3,7%) alle an Eurostat meldenden Nachbarstaaten Rückgänge gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Das wertmäßige Volumen der Transaktionen erhöhte sich 2022 insgesamt unter den Nachbarstaaten Deutschlands wieder nur in Belgien um +7,6%. Alle anderen Nachbarstaaten meldeten Rückgänge – in Dänemark von −32,6%. Betrachtet man dagegen bei den Nachbarstaaten nur das vierte Quartal 2022, so verzeichnete wiederum einzig Belgien (+7,4%) einen Anstieg. Zu Rückgängen kam es dagegen in Frankreich (−7,6%), den Niederlanden (−9,6%), Österreich (−14,9%), Luxemburg (−27,7%) sowie Dänemark (−33,2%).

In Deutschland bewirkte der kräftige Anstieg der Baupreise für Wohngebäude, dass die Preise auch bei Wohnimmobilien weiter stiegen. Herrschte im zweiten Halbjahr 2020 hier – mitbedingt durch Coronaeffekte – noch Preisstabilität, war im Zeitraum April bis Dezember 2022 ein Anstieg um 17% gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu verzeichnen, was eine deutlich stärkere Zunahme als bei der Inflation (+9,5%) bedeutet. Das gesamtwirtschaftliche Umfeld ist deutlich eingetrübt:  Neben der weiterhin hohen Inflation und dem rasch gestiegenen Zinsniveau sind hier die geplanten energetischen Anforderungen insbesondere an Heizungen zu nennen. Es ist daher damit zu rechnen, dass es im laufenden Jahr insgesamt zu einer weiteren Preisberuhigung kommt, was auch Druck auf den Neubausektor trotz stark gestiegener Baukosten ausüben dürfte.

Peter Parlasca

Fellow of the Royal Institution of Chartered Surveyors und bis 2022 Senior Expert Real Estate Statistics bei Eurostat.

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