Branchenstudie

Inflation treibt Lebensversicherer um

Klassische Lebensversicherungen verschwinden langsam vom Markt. Für die hohen Altgarantien haben die Unternehmen aber bereits viel vorgesorgt, zeigt die jährliche Marktstudie von Assekurata.

Inflation treibt Lebensversicherer um

ak Köln

Die starke Inflation beschleunigt den Veränderungsprozess in der deutschen Lebensversicherung. Die früheren klassischen Policen mit unverrückbaren Garantien werden immer unattraktiver. Nur wenige Unternehmen bieten sie noch im Neugeschäft an. Nach einer Studie der Ratingagentur Assekurata sind es nur noch etwas über 20 Gesellschaften, die konventionelle Produkte verkaufen, bei denen der Höchstrechnungszins Anfang 2022 von 0,9 auf 0,25% gesunken ist. Eine klassische private Rentenversicherung bieten nur noch gut ein Dutzend Unternehmen an – darunter auch Marktführerin Allianz.

„Die Realverzinsung ist deutlich negativ in der Lebensversicherung“, erläutert Assekurata-Analyst Lars Heermann. Die Attraktivität einer klassischen Lebensversicherung nehme dadurch deutlich ab. Assekurata rechnet deshalb damit, dass sich der Trend hin zu kapitalmarktorientierten Produkten verstärken wird. Vor allem Fondspolicen stünden in den Produktschmieden der Lebensversicherer derzeit hoch im Kurs, sagt Heermann. Für Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will sind konventionelle Policen auch auf Dauer ein Auslaufmodell: „Die Zeiten der Klassik werden wir so nicht wieder sehen.“ Für die Lebensversicherer sind die klassischen Konstrukte schlicht zu kapitalintensiv. Sie müssen für die Garantien viel Solvenzkapital vorhalten.

In den Beständen nehmen die klassischen Produkte jedoch noch breiten Raum ein. Der durchschnittliche Garantiezins in der Branche liegt laut Assekurata bei 2,56%. Für diese Verpflichtungen müssen die Lebensversicherer seit 2011 einen Extra-Puffer aufbauen, da sie in der Neuanlage solche Verzinsungen nicht mehr erwirtschaften können. Die Zinszusatzreserve (ZZR) ist nach den Daten von Assekurata mittlerweile auf 97 Mrd. Euro angeschwollen. Allein 10 Mrd. Euro kamen im vergangenen Jahr hinzu. Damit steigt der Ausfinanzierungsgrad laut Studie auf 78%. Der rechnerische marktweite Garantiezins im Bestand sinkt so auf 1,43%. Assekurata prognostiziert, dass bei stagnierenden Zinsen die ZZR noch bis zum Jahr 2028 wächst und dann rund 125 Mrd. Euro erreichen würde. Danach könnte die Reserve langsam abschmelzen.

Immerhin deutet sich bei der Überschussbeteiligung, die für die klassischen Vertragsbestände in den vergangenen Jahren stark gesunken war, eine Bodenbildung an. Über alle Tarifgenerationen hinweg errechnet Assekurata eine laufende Verzinsung für 2022 von 2,61%, nur knapp unter dem Vorjahreswert von 2,64%. Das liegt auch daran, dass bei Verträgen mit hohen Garantien die Verzinsung gar nicht mehr sinken kann. Doch auch im kleinen, noch existierenden Neugeschäft zeigt sich eine Entspannung: Hier ist die laufende Verzinsung im Jahresvergleich sogar marginal um zwei Basispunkte auf 2,15% gestiegen, was allerdings nur an der veränderten Grundgesamtheit der Anbieter liegt. An der Branchenstudie von Assekurata haben sich 46 Lebensversicherer mit einem Marktanteil von 73% beteiligt.