jsc – Rollenzuschreibungen können mächtig sein: Mal ist KfW-Managerin Ingrid Hengster als gebürtige Österreicherin gefragt, wenn die Presse aus ihrer alten Heimat erfolgreiche Landsleute im Ausland porträtiert, mal wird sie als außergewöhnliche Frau dargestellt, die in den primär von Männern bevölkerten Chefetagen der Kreditwirtschaft Karriere gemacht hat. Es mag erfrischend für die promovierte Juristin gewesen sein, in der Coronakrise wieder vermehrt mit ihrer eigentlichen Aufgabe im Licht der Öffentlichkeit zu stehen: als verantwortliches Vorstandsmitglied für das Inlandsgeschäft.Die KfW hat im zurückliegenden Jahr im Hauruckverfahren ein Sonderkreditprogramm für Unternehmen auf den Weg gebracht, ein mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag ist bereits zugesagt. Hengster, die seit 2014 das wichtige Inlandsgeschäft der Förderbank verantwortet, stand damit neben KfW-Chef Günther Bräunig in besonderer Weise in der Öffentlichkeit. Stressphasen ist die Förderbank bereits gewöhnt, nachdem das Institut in der zurückliegenden Finanzkrise ebenfalls ein Sonderprogramm lanciert hatte. “Die KfW kann Krise”, sagt Hengster laut “Wirtschaftswoche”.Für eine Managerin einer politiknahen Bank ist Diplomatie eine überlebenswichtige Tugend, und Hengster agiert hier sicher: Aussagen, mit denen sie anecken könnte, lässt sie sich jedenfalls nicht entlocken. Akzente hat sie als Managerin gleichwohl gesetzt, denn sie steht wie keine andere Führungskraft im Vorstand der Bank für das Wagniskapital-Engagement, das sie in ihrer Amtszeit heraufgefahren und in der Tochter KfW Capital gebündelt hat. Im Schulterschluss mit privaten Investoren investiert die Bank in junge Technologiefirmen und schließt somit nach Hengsters Lesart eine Finanzierungslücke. Das Unternehmertum ist ohnehin eine Leidenschaft Hengsters, die beim Besuch von verschiedenen Start-ups den Gründern ihren Respekt ausdrückt und mehr Fragen stellt als viele der geladenen Journalisten. Ehe sie zur KfW kam, hat sie für die ABN Amro das Investment Banking in Deutschland und Österreich angeführt und nach Übernahme des Zweigs durch die Royal Bank of Scotland als Länderchefin für Deutschland, Österreich und die Schweiz weitergemacht. Hengster kann mehr als Krise und Kredit.Ihre starke Rolle bei der KfW konfrontiert sie mittlerweile auch mit der Frage, ob sie bald die Förderbank womöglich als Vorstandsvorsitzende anführt, denn Bankchef Bräunig geht Ende Juni in den Ruhestand. Das politische Geschacher in Berlin ist aber noch nicht abgeschlossen, und neben Hengster, die einst auf Initiative der FDP in die Bank einzog, ist auch der Name von Finanzstaatssekretär Jörg Kukies (SPD) schon gefallen. Mit der Rollenzuschreibung als Anwärterin auf die Spitze muss sie nun ebenfalls leben.Am Sonntag feiert Hengster, die verheiratet ist und ein Kind hat, ihren 60. Geburtstag.