"Insgesamt haben wir noch nicht genug getan"
– Herr Cryan, üblicherweise erzählen Banker in Interviews von ihren Erfolgen, und wir stellen sie in Frage. Wir würden gerne einmal tauschen und Ihnen Ihre Erfolge seit Amtsantritt 2015 aufzählen.Nur zu.- Sie haben dafür gesorgt, dass die Bank und ihre Mitarbeiter Bodenhaftung bekommen haben.Danke, ich glaube, das hat uns gut getan.- Sie haben das Verhältnis der Bank zur Aufsicht extrem verbessert, und Sie haben die Veräußerung der Postbank gestoppt, was definitiv eine Errungenschaft ist.Ja, das war notwendig, und wir sind froh, dass wir die Postbank nun behalten.- Fehlt etwas?Warum erwähnen Sie nicht auch den geplanten Börsengang der Deutschen Asset Management?- Ist das in Ihren Augen ein Erfolg?Für dieses Geschäft ist es der richtige Schritt. Gerade erst hatte ich mein Quartalsgespräch mit der Europäischen Zentralbank und der deutschen Finanzaufsicht. Die Regulatoren bewerten den Börsengang als sehr gut für das Asset-Management-Geschäft, fragten sich aber, wie viel es der Bank bringt. Richtig ist: Im Moment bräuchten wir nicht unbedingt einen Verkaufserlös. Wir haben eine Menge Cash und auch reichlich Kapital. Wenn, dann fehlt es eher an ausreichend Gelegenheiten, diese Ressourcen an Cash und Kapital einzusetzen.- Da kann man sich ja glatt fragen, warum Sie die Sparte, die kaum Eigenkapital bindet, überhaupt an die Börse bringen.Es geht uns nicht darum, Eigenkapital zu beschaffen. Der Börsengang ist aber der beste Weg, um unsere Vermögensverwaltung weiterzuentwickeln und ihren Wachstumskurs zu unterstützen, auch vor dem Hintergrund von Mifid II und entsprechenden Regeln in den USA, etwa zu Treuhänderpflichten. Und das ist letztlich auch im Interesse unserer Bank, die ja die deutliche Mehrheit behalten wird. Insgesamt wird der Wert dieses Geschäftsbereichs viel besser sichtbar, gerade in einem konsolidierenden Markt. Die Investoren verstehen das, die Resonanz auf die Ankündigung der Emission war ja auch sehr positiv.- Die Konstruktion einer GmbH & Co KGaA, welche die Rechte der Investoren beschränkt, dürfte einen Bewertungsabschlag erfordern. Damit lässt die Bank beim IPO Geld auf dem Tisch liegen.Das Interesse an dem Börsengang ist unverändert sehr hoch. Die Bank wird ohnehin auch nach einem Börsengang eine deutliche Mehrheit behalten. Die Rechtsform ist für Minderheitsaktionäre im Übrigen auch zweitrangig. Viel wichtiger ist, ob das Unternehmen mit seiner Strategie überzeugen kann. Die Rückmeldungen potenzieller Investoren sind da sehr positiv. Zu einer möglichen Bewertung können wir uns allerdings nicht äußern, hier bitte ich um Verständnis. Auch ein Vergleich mit anderen KGaAs am Markt ist quasi nicht möglich.- Nachdem wir Ihre Erfolge aufgezählt haben, dachten wir, Sie erzählen uns jetzt einmal, wo die Schwächen liegen.Manche Leute mögen mich kleinlich nennen, aber ich muss sagen: Wir haben ein bisschen länger als geplant gebraucht, um unsere Kontrollsysteme so zu verbessern, dass die Regulatoren und wir damit zufrieden sein können. Wir wollen bei den Kontrollen wirklich gut sein – eine führende Bank Europas kann sich da keine Schwächen leisten. In der Vergangenheit haben wir nicht genug investiert, um diese Kontrollen zu modernisieren und zu automatisieren. Gleichzeitig ist das regulatorische Umfeld sehr schnell viel strenger geworden.- Was meinen Sie konkret?Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Banken sind inzwischen ein wichtiger Teil der allgemeinen Kriminalitätsprävention weltweit. Das ist neu für unsere Branche und bedeutet einen großen Aufwand. Das galt ganz besonders für uns, weil wir zweifellos Nachholbedarf hatten. Wir mussten deshalb viele Leute abstellen, die diese Schwächen beheben. Und das ist teuer. Deshalb sind unsere Kosten anfangs nicht so stark gesunken, wie ich dies gerne gesehen hätte.- Wie geht es jetzt weiter?Wir müssen diese Tätigkeiten automatisieren. Das ist weniger fehleranfällig und gleichzeitig kostengünstiger. Das wiederum bedeutet, dass wir in neue Systeme investieren müssen, aber auch in neue Prozesse, um sicherzustellen, dass die Arbeit von Menschen und Systemen richtig ineinandergreift. Da machen wir gute Fortschritte, aber es hat uns ein bisschen mehr Arbeit bereitet als ursprünglich erwartet.- Das sind die Kontrollen, was ist mit der Effizienz im Tagesgeschäft?Was unsere Effizienz angeht, so haben wir uns in einigen Bereichen zwar sehr gut geschlagen, aber insgesamt haben wir noch nicht genug getan. Das hatten wir so aber auch erwartet: Wir haben 2015 ja gesagt, dass es fünf Jahre oder sogar länger dauern würde, bis wir so effizient sind, wie wir sein sollen. Hier sind wir noch lange nicht am Ziel. Das muss auch unseren Mitarbeitern bewusst bleiben. Investoren wissen es, denn sie erzählen es uns jedes Mal, wenn wir sie treffen.- Die Aufwandsquote der Deutschen Bank beträgt 85 %, 2015 hatte sie schon fürs kommende Jahr rund 70 % angekündigt.Ja, von jedem Euro, den wir einnehmen, behalten wir 15 Cent Ergebnis. Das ist nicht genug, wie der internationale Vergleich zeigt. Wir erledigen zu viele Dinge auf zu viele unterschiedliche Weisen. Wir müssen alles auf eine Art machen, die Deutsche-Bank-Art. Und wir müssen eine Menge investieren, um dorthin zu kommen. Dabei geht es nicht nur um die Kosten für den Betrieb unserer Bank, sondern auch um die Preisgestaltung unserer Produkte.- Wie das?Wir sehen mit Blick auf das Kosten-Ertrags-Verhältnis wirklich nicht gut aus. Wenn Sie aber die Kosten auf Produktebene vergleichen, dann sind wir effizienter als die meisten Konkurrenten in den Vereinigten Staaten. Leider aber verdienen die US-Banken mit vielen ihrer Produkte ein Vielfaches unserer Margen. Nehmen wir mal an, wir nehmen bei einem Privatkundenprodukt 60 Basispunkte ein, mehr ist in Deutschland nicht drin. Wenn wir dann Kosten von 50 haben, verdienen wir zehn Basispunkte. Wenn eine amerikanische Bank dagegen 400 Basispunkte einnimmt, bleiben selbst bei Kosten von 100 noch 300 Basispunkte, also das 30-Fache unseres Werts.- Was können Sie tun?Meine Vorgänger in den 90er Jahren haben in dieser Situation eine Diversifikation in den globalen Markt mit Investoren und Unternehmen gestartet, und für eine Weile lief das gut. Inzwischen gibt es aber auch dort eine Menge Preiswettbewerb. Darüber will ich mich nicht beschweren, aber schauen Sie sich nur einmal die offiziellen Statistiken zum Aktienhandel zum dritten Quartal an. Da kommt eine Gesellschaft wie Citadel auf einen Marktanteil von 27 %, und an dritter Stelle liegt ein Unternehmen namens Susquehanna, von dem wahrscheinlich noch nicht allzu viele Leute gehört haben, mit 10 %. Banken erreichen gerade noch jeweils 2 oder 3 %, wir nicht einmal 2 %. Die Welt hat sich komplett verändert, und bestimmte Geschäfte sind für Banken unwirtschaftlich geworden, weil wir einer besonderen Regulierung und Kontrolle unterliegen.- Das heißt, die Deutsche Bank hat mit ihrem Vorstoß ins globale Kapitalmarktgeschäft aufs falsche Pferd gesetzt?Das lässt sich rückblickend leicht fragen.- Es ist unser Job. Die Deutsche Bank etablierte sich in den Jahren vor der Finanzkrise als Fixed-Income-Haus. Gerade im Geschäft mit Festverzinslichen aber hat Handelselektronik die Margen strukturell schrumpfen lassen, während höhere Kapitalanforderungen das Geschäft erheblich verteuert haben.Das kommt darauf an. Nehmen wir zum Beispiel das Devisengeschäft. Die Verantwortlichen dort erkannten Mitte der 90er Jahre, dass es künftig weniger Währungen geben werde und die Margen kräftig sinken dürften. Also bauten sie ein Handelssystem, das bis in die Hauptbuchhaltung automatisch läuft, einen Bericht produziert und zudem sehr hohe Volumina verarbeiten kann. Dieses System, das wir damals Autobahn genannt haben, ist heute noch weltweit führend, und wir haben einen riesigen Marktanteil. Die Margen sind zwar gering, aber der Nutzen für unsere Kunden ist sehr groß. Unser profitabelster Bereich ist unterdessen ein Geschäft, das gar nicht im Fokus steht: Unser Geschäft mit komplexen Kreditlösungen, wir nennen es Credit Solutions. Das ist kein großer Markt, aber es geht um sehr anspruchsvolle Konzepte, die nur wenige so anbieten können wie wir – dank eines sehr guten Managements in diesem Bereich.- Dennoch erodieren die Erträge. Im dritten Quartal lagen sie konzernweit um 10 % unter dem Vorjahreswert, in der Unternehmens- und Investmentbank brachen sie binnen Jahresfrist sogar um knapp ein Viertel ein.Die Märkte haben sich ja auch schwächer entwickelt. Und die US-Banken haben schon prognostiziert, dass die Handelserträge auch im Schlussquartal im Jahresvergleich um 15 bis 20 % gefallen sein dürften.- Zugleich erklären die Chefs Ihrer Unternehmens- und Investmentbank, Marcus Schenck und Garth Ritchie, sie dürften für den Turnaround noch zwei bis drei Jahre benötigen.Wir haben immer gesagt, unser Umbau braucht Zeit. Das liegt auch daran, dass sich die Struktur des Marktes rasant verändert: Manche Erträge werden nicht wiederkommen. Darauf müssen wir uns einstellen.- Sie erwarten nicht, dass das Bankgeschäft noch einmal zu den Niveaus vor der Krise zurückkehrt?Absolut nicht, erst recht nicht im Kapitalmarktgeschäft. Es gibt heute kein herkömmliches Aktienbrokergeschäft mehr. Niemand ruft mehr an, um etwa Daimler zu kaufen oder BMW zu verkaufen.- Was sind die Konsequenzen?Man muss sehr effizient sein. Im Devisengeschäft zum Beispiel sind zwar die Erträge gesunken, unser Marktanteil hingegen nicht. Wir sind noch immer sehr relevant, auch wenn wir weniger Geld verdienen. Bei anderen Geschäften müssen wir uns hingegen die Frage stellen, ob Banken überhaupt noch der richtige Ort dafür sind. Sollen wir zum Beispiel Zins-Swaps für Unternehmenskunden schreiben? Die Regulierer meinen “nein”, und sie verteuern dieses Geschäft für Banken.- Zu Recht?In gewisser Weise schon. Eine Bank sollte ein Vermittler sein und Kunden zusammenbringen. Sie sollte hingegen nicht im großen Stil auf eigene Rechnung handeln. Deshalb ist es berechtigt, wenn Regulierer nun vor allem mit den neuen Baseler Kapitalregeln diese Geschäfte teurer machen.- Wie teuer wird der Abschluss von Basel III für die Bank? Europäische Großbanken sollen ja in besonderem Maße betroffen sein.Das ist unmöglich vorherzusagen. Die Baseler Vorgaben müssen in Gesetzen umgesetzt werden, erst dann stehen alle Details fest. Und vieles hängt davon ab, wie unser Buch in zehn Jahren nach Ablauf der Übergangsfristen aussehen wird. Wir wissen heute noch nicht, welches Geschäft wir dann schreiben werden.- Sie haben doch sicher schon einmal nachgerechnet.Solche Schätzungen führen oft in die Irre. Zehn Jahre sind im Bankengeschäft heutzutage eine Ewigkeit. Unser Devisenbuch zum Beispiel verändert sich kurzfristig sehr stark, da viele Verträge eine Laufzeit von nur zwei oder drei Tagen haben. Natürlich haben wir auch länger laufende Swaps, die etwa mit staatlichen Förderbanken vereinbart wurden. Diese langfristigen Verträge werden tatsächlich durch die Baseler Regeln belastet.- Wie reagiert die Bank darauf?Indem wir solche Verträge heute nicht mehr schreiben. Außerdem fragen wir Kunden, ob wir die Verträge ändern können, indem wir sie zum Beispiel besichern. Einige sind dazu bereit, andere nicht. Der Abschluss von Basel III hat also einen Effekt, und er macht sich bei größeren Banken stärker bemerkbar als bei kleinen. Wir haben jedoch noch ausreichend Zeit, um darauf zu reagieren. 2022 beginnen ja erst die Übergangsfristen.- Sie rechnen damit, dass die Erträge in der Investmentbank vorher wieder anziehen.Ja.- Was passiert denn, wenn der Turnaround auch in den kommenden zwei oder drei Jahren nicht glückt? Gibt es dann eine neue Strategie der Deutschen Bank?Das ist eine sehr hypothetische Frage. Grundsätzlich gilt: Wenn sich die Märkte verändern, müssen wir unsere Investitionen neu ausbalancieren. Das ist ein laufender Prozess. Dabei geht es vor allem um Investitionen in Technologie. Damit werden wir effizienter und können sowohl dem Margendruck etwas entgegensetzen als auch den höheren Kosten für Kontrollen und Risikomanagement.- Das klingt nicht so, als wollten Sie zu radikalen Maßnahmen wie etwa einen Rückzug aus den USA oder dem Investment Banking greifen, falls die Erträge zwei weitere Jahre lang erodieren sollten.Ich werde heute nicht darüber öffentlich spekulieren, was wir vielleicht machen, wenn möglicherweise irgendein Plan nicht wie erhofft aufgeht. Wir steuern das Geschäft verantwortungsvoll. Gutes Management heißt, jeden Tag darüber nachzudenken, wie wir effizienter arbeiten können und wo wir investieren wollen. Der Wandel in unserer Branche insgesamt ist radikal, darauf haben wir uns eingestellt. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass wir heute weniger Händler als vor zwei Jahren haben würden und dass wir in zwei Jahren weniger Händler haben werden als heute. BlackRock zum Beispiel, der größte Investor weltweit, nutzt heutzutage eigentlich keine Händler mehr. Die Gesellschaft hat ein Orderanforderungssystem namens RFQ.- Wie stark wird die Zahl der Beschäftigten in den kommenden beiden Jahren abnehmen?Wir setzen uns kein Ziel, wie viele Mitarbeiter unsere Bank in zwei Jahren haben soll. Klar ist, dass wir noch effizienter werden müssen. Und es gibt einen unübersehbaren Trend, manuelle Tätigkeiten immer weiter zu automatisieren – nicht nur in der Bankenbranche. Gleichzeitig werden aber an anderen Stellen der Bank neue Aufgaben entstehen, vielfach sogar interessantere, anspruchsvollere Jobs.- Hat Ihnen der neue Aktionär Cerberus denn schon seine Ideen präsentiert?Wir sind mit allen größeren Aktionären regelmäßig in Kontakt. Sie werden aber verstehen, dass diese Gespräche vertraulich sind.- Nach der jüngsten Kapitalerhöhung liegen rund zwei Fünftel der Anteile bei Anlegern aus autoritären Systemen. Wie beurteilt die Bank dies als Corporate Citizen?Wir sind eine börsennotierte Gesellschaft und begrüßen Investoren, die an das Potenzial der Deutschen Bank glauben. Unabhängig davon sind wir uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst: Wir wollen mit unserer Arbeit wirtschaftliches Wachstum fördern – nachhaltig und verantwortungsvoll.- Speziell HNA wirkt gerade ein wenig instabil und klamm. Macht Ihnen das Sorge?Ich bitte um Verständnis: Wir sprechen mit unseren Investoren, nicht über sie.- Wie stark wird die geplante US-Steuerreform zu Buche schlagen? Credit Suisse schreibt deshalb auf latente Steuerguthaben in den USA 2,3 Mrd. sfr ab.Auch wir werden davon betroffen sein, weil die Steuerreform den buchhalterischen Wert von Verlustvorträgen beeinflussen wird. Das Gesetz sieht auch eine Art Mindeststeuer auf bestimmte grenzüberschreitende Zahlungen inklusive Zinszahlungen vor.- Es wird zehnstellig für die Deutsche Bank?Im Moment sind konkrete Prognosen schwierig, Es handelt sich um ein sehr umfangreiches Gesetzeswerk, die genauen Auswirkungen gilt es jetzt zu analysieren.- Der Deutschen Bank ist eine Vorladung von US-Sonderermittler Robert Mueller ins Haus geflattert, weil sie ihm ihre Geschäftsbeziehungen zu Personen oder Unternehmen aus dem näheren Umfeld von US-Präsident Donald Trump offenlegen soll.Es ist eine Angelegenheit, zu der ich mich nicht äußern kann. Grundsätzlich gilt: Die Deutsche Bank nimmt ihre rechtlichen Verpflichtungen ernst und kooperiert bei diesen Untersuchungen mit den zuständigen Behörden.- Hat dies das Potenzial, Kunden abzuschrecken?Den eigenen Namen im Zusammenhang mit einer Untersuchung zu lesen, ist generell nicht hilfreich. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass es Kunden abschreckt.- Nehmen wir einmal an, die US-Steuerreform würde die Deutsche Bank nicht belasten, sondern ihr eine Steuerrückerstattung von, sagen wir einmal, 5 Mrd. Dollar bescheren. Wie würden Sie dieses Geld einsetzen?Wenn uns die Regulatoren dies erlauben würden, würden sicher die Aktionäre eine Dividende oder einen Aktienrückkauf einfordern.- Sie würden Dividenden zahlen?Ja, ich denke schon. Es sei denn, von uns würde eine noch höhere Kapitalquote verlangt.- Müssen Sie nicht in technische Infrastruktur investieren? Vor wenigen Wochen beklagten Sie auf einer Konferenz, dass die Deutsche Bank mangels Ertragskraft gegenüber US-Banken ins Hintertreffen gerate. J.P. Morgan hat im Neunmonatszeitraum 20 Mrd. Dollar verdient, die Deutsche Bank gerade einmal 2,6 Mrd. Euro.Wir investieren jedes Jahr rund 2 Mrd. Euro, um die Bank zu verändern und sie zu modernisieren. Ich glaube nicht, dass wir 3 Mrd. investieren könnten, denn das würde zu große Veränderungen auf einmal mit sich bringen. Wir haben eine Menge veralteter Systeme ausgewechselt und setzen diesen Weg fort. Das tun wir in einem Tempo, das wir für angemessen halten.- Jahrelang hat die Bank einen Kulturwandel gepredigt. Nun rückt wegen der Einnahmenflaute wieder die Notwendigkeit in den Vordergrund, Erträge hereinzuholen. Wie wollen Sie diesen Spagat meistern?Es ist interessant, dass Sie das erwähnen. Wir müssen sicherstellen, dass wir die richtigen Anreize setzen und die richtigen Kontrollen haben. Tun unsere Leute dennoch das Falsche, müssen wir damit richtig umgehen. Und wir müssen unsere Mitarbeiter schulen. Darauf konzentrieren wir uns. In der Libor-Affäre haben sich manche mit dem Argument verteidigt, niemand habe ihnen gesagt, dass sie dies nicht hätten tun sollen. Richtig ist: Das Unternehmen hätte solche Verstöße nicht zulassen dürfen. Also müssen wir die richtigen Prozesse bauen, damit die Leute wissen, was von ihnen erwartet wird – und damit sie uns Bescheid geben, wenn Dinge falsch laufen. Viele Leute haben sich nicht getraut, etwas zu sagen. Das ist inakzeptabel. Ich weiß nicht, ob Kultur dafür der richtige Begriff ist – wir sind eine große Organisation mit verschiedenen Kulturen. Entscheidend ist, dass überall Integrität über allem steht. Das muss unser Standard sein. Aber das ist eigentlich selbstverständlich.- Wie groß wird der Bonustopf für 2017?Wir haben immer gesagt, dass wir für 2017 wieder zu unserem normalen System der variablen Vergütung zurückkehren wollen. Und wir werden in manchen Bereichen auch die Gehälter anheben.- Wann setzt die Deutsche Bank ihren Notfallplan für einen harten Brexit in Kraft?Da haben wir bereits Vorkehrungen getroffen. London ist künftig nicht mehr das vorgegebene Buchungszentrum für unser globales Geschäft. Spätestens Ende 2018 wollen wir alles, was wir derzeit in London verbuchen, auch in Deutschland verbuchen können – daran arbeiten wir derzeit. Unser Geschäft in der Eurozone wird damit in der Eurozone bleiben, wenn die Kunden dies wünschen. Allerdings sieht es ja nun auch so aus, dass wir unsere Niederlassung in London behalten können und keine Tochtergesellschaft gründen müssen. Das gibt uns weitaus mehr Planungssicherheit.- Ihr Vertrag endet 2020. Wollen Sie verlängern?Mir geht es gut, ich bin gesund und für die Bank hoffentlich nützlich. Aber mein Vertrag läuft noch zweieinhalb Jahre – die Frage, wie es danach weitergeht, stellt sich jetzt noch nicht.—-Das Interview führten Detlef Fechtner und Bernd Neubacher.