„Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt für einen US-Börsengang“
Im Interview: Jean-Marie Mognetti
„Für uns ist jetzt der genau richtige Zeitpunkt“
Herr Mognetti, Sie haben zu Wochenbeginn Pläne für einen Börsengang an der Nasdaq konkret gemacht, bis Ende des Jahres will Coinshares durch Fusion mit der Special Purporse Acquisition Company (Spac) Vine Hill an der Wall Street debütieren. Welches Potenzial für zusätzliche Wertschöpfung versprechen Sie sich dadurch gegenüber einem Listing in der Europäischen Union oder Ihrem Heimatmarkt Großbritannien?
Wir haben uns nicht plötzlich für einen US-Börsengang entschieden, sondern das schon lange als Ziel ausgegeben. Bisher sind wir ja an der Nasdaq Stockholm notiert – wir haben Investoren aber immer klar gesagt, dass das für uns nicht die Endstation sein soll. Im Rahmen der Transaktion in New York kommt Coinshares auf eine Pre-Money-Bewertung von 1,2 Mrd. Dollar, das entspräche aktuell dem 7,3-fachen des Enterprise Value. Viel wichtiger ist aber, dass der Börsengang nicht nur einen einfachen Wechsel des Listing-Standorts bedeutet, sondern einen strategische Wandel für unser Unternehmen. Die USA bilden den Schmelztiegel der globalen Digital-Assets-Branche, das bedeutet für uns substanzielle Möglichkeiten zur zusätzlichen Wertschöpfung. Der Börsengang ist für uns keine nette Übung in Finanztechnik, wir wollen unsere geschäftliche Präsenz hier auch substanziell ausbauen.
Inwiefern hat die kryptofreundliche Politik der US-Regierung unter Präsident Donald Trump Ihre Entscheidung beeinflusst?
Wir haben diesen Schritt seit 2019 geplant, also weit vor den aktuellen Marktentwicklungen. Doch wir besitzen seit dem laufenden Jahr größere regulatorische Klarheit als jemals zuvor. Die Freigabe von Spotmarkt-ETFs auf Bitcoin und Ether in den USA Anfang des vergangenen Jahres hat traditionellen Retail- und institutionellen Investoren ein Krypto-Exposure über regulierte Vehikel in einem gewohnten Gewand ermöglicht. Dies hat nicht nur stärkere Mittelzuflüsse in digitale Anlagen nach sich gezogen, sondern war auch ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu klareren Rahmenwerken. Wir erleben nun einen Wendepunkt bei der Mainstream-Adoption von Kryptowährungen, der das spiegelt, was wir in Europa schon vor drei oder vier Jahren gesehen haben. Digitale Anlagen stellen keine Spekulation mehr da, sondern sind wohl etabliert. Die Trump-Administration hat unsere Reise in die USA aber ganz klar beschleunigt.

Allerdings werfen Kritiker Trump vor, sich durch seine kryptofreundliche Politik selbst bereichern zu wollen. Im laufenden Jahr hat der Präsident Meme Coins lanciert – und insbesondere der Start des nativen Token von World Liberty Financial, dem Digital-Assets-Projekt der Familie, sollen den Trumps auf dem Papier Milliardengewinne eingebracht haben. Haben Sie keine Sorge, dass ein zunehmendes Abgleiten der USA in eine oligarchisch geführte Autokratie auch die Attraktivität des amerikanischen Kapitalmarkts schwächt?
Ich bin nicht dafür zuständig, die US-Politik zu kommentieren. Die Gültigkeit von Recht und Gesetz ist in den Vereinigten Staaten noch immer ein fundamentales Prinzip, die Durchsetzung von Verträgen ist hier so sicher wie in kaum einem anderen Rechtsraum. Für unsere Strategie und unser Timing ist entscheidend, was auf regulatorischer Seite passiert. In den vergangenen Monaten vorangetriebene Gesetze in den USA tragen natürlich dazu bei, dass unsere jahrelange strategische Positionierung Fürchte trägt. Durch Initiativen wie den Genius Act zur Stablecoin-Regulierung und die Arbeit der Krypto-Arbeitsgruppe im Kongress entsteht ein berechenbareres operatives Umfeld für regulierte digitale Assetmanager wie uns.
Allerdings konkurrieren Sie im amerikanischen Markt auch mit deutlich größeren Vermögensverwaltern wie Blackrock und Fidelity, die Digital Assets zunehmend für sich entdeckt haben. Wie beurteilen Sie das Wettbewerbsumfeld?
Wir besitzen mittlerweile ein Jahrzehnt an Erfahrung im Umgang mit regulierten Krypto-Produkten für institutionelle Investoren in Europa. Das können wir auch in den USA in signifikante Compliance-Vorteile gegenüber Wettbewerbern ummünzen. Wir treten als Nummer eins unter den europäischen Investmentplattformen für Digital Assets in diesen Markt ein, nicht als Startup, das darauf hofft, irgendwie Fuß zu fassen. Für uns ist jetzt der genau richtige Zeitpunkt für einen Börsengang in den USA. Denn wir können am amerikanischen Kapitalmarkt tiefe Pools an Liquidität anzapfen, die es so sonst nirgendwo gibt.

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Das Listing ist auch vorteilhaft in der Vermarktung...
Natürlich hilft uns Börsennotiz in New York dabei, unsere Marke in einem Markt mit unschlagbarer institutioneller Beteiligung und Trading-Aktivität weiter zu stärken und unsere Produkte sichtbarer zu machen. Die USA repräsentieren rund 60% der globalen institutionellen Geschäftsmöglichkeiten bei Digital Assets. Wer einen führenden Manager für digitale Anlagen aufbaut, muss dort sein, wo auch das Kapital ist. Als führender Anbieter für Digital Assets gehören wir ganz einfach neben unsere Wettbewerber an den tiefsten Markt der Welt. Konkurrenten wie Blackrock und Fidelity konzentrieren sich auf recht einfache Spot-Produkte. Wir können unsere tiefe Expertise bei Digital Assets aber nutzen, um komplexe Lösungen für Investoren zu generieren, die andere Assetmanager nicht einfach nachbilden können.
Planen Sie als unkonventionelles Unternehmen auch eine ungewöhnliche Roadshow vor dem Börsengang?
Wir haben mit unseren Bankern von Stifel natürlich eine umfassende Roadshow-Strategie entwickelt. Historisch gesehen wurde das Krypto-Segment von Venture-Capital-Investoren und risikotoleranten Geldgebern dominiert. Unser Ziel ist fundamental anders als bei vergangenen Börsengängen im Sektor – wir jagen keinem spekulativen Geld nach, sondern wollen langfristig orientierte institutionelle Investoren anziehen. Wir bauen die institutionelle Infrastruktur für einen heraufziehenden jahrzehntelangen Trend in der globalen Kapitalallokation und möchten mit unserem Börsengang Investoren ansprechen, die diese strukturelle Chance im Assetmanagement für digitale Vermögenswerte sehen.
Derweil bekommt der Börsenstandort New York innerhalb der USA Konkurrenz, zum Beispiel durch neue Plattformen in Texas. Haben Sie je ein US-Listing abseits der Nasdaq in Betracht gezogen?
Nein, wir verfügen seit 2015 über eine exzellente Beziehung zur Nasdaq. Sie war für uns ein herausragender Partner während unserer Entwicklung in Europa, und es ergibt Sinn, dass wir diese Beziehung auch während unserer Expansion im US-Markt fortführen. Die Nasdaq versteht unser Geschäftsmodell und verfügt über die notwendige Infrastruktur, um unsere Wachstumsambitionen unterstützen zu können. Der Wechsel von der Nasdaq Stockholm nach New York ist auch für unsere bestehenden Investoren einfach, sie erhalten mit Abschluss der Transaktion effektiv eine Beteiligung an einem neu geschaffenen Unternehmen, während wir unsere Notiz in Schweden aufgeben.
Kehren Sie Europa also den Rücken?
Nein, auf keinen Fall. Wir sind nach wie vor ein europäisches Unternehmen. Wir machen aktuell den größten Teil unseres Geschäfts in Europa, dort erzielen wir nach wie vor große Mittelzuflüsse. Ich will unser Angebot dort weiter entwickeln und ausbauen. Aber wir wollen eben kein europäisches Franchise mehr sein, sondern ein globales. In Europa sind wir in unserem Segment die Nummer eins, global die Nummer vier – jetzt die Chance zu nutzen, in einem Markt mit so großen institutionellen und auch Retail-Gelegenheiten wie den USA zu expandieren, ist nur vernünftig. Dabei ist die regulatorische Entwicklung eben ganz entscheidend. Während Europa bei der Digital-Assets-Regulierung vor einigen Jahren Vorreiter war, fühlt es sich nun insbesondere im Vergleich zu den USA nach Stillstand an.
Das Interview führte Alex Wehnert.