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Jörg-Engelbrecht Cramer 75

ski - Im Münchener Herrenclub erreichen wir eine Dame. Von ihr ist zu erfahren, dass Prof. Dr. Jörg-Engelbrecht Cramer, noch bis Juli dieses Jahres Präsident und nun einer von zwei Ehrenpräsidenten der "dem Kontakt führender Persönlichkeiten...

Jörg-Engelbrecht Cramer 75

ski – Im Münchener Herrenclub erreichen wir eine Dame. Von ihr ist zu erfahren, dass Prof. Dr. Jörg-Engelbrecht Cramer, noch bis Juli dieses Jahres Präsident und nun einer von zwei Ehrenpräsidenten der “dem Kontakt führender Persönlichkeiten untereinander” dienenden Vereinigung, verreist sei, um im Kreise seiner Lieben zu feiern. Der Anlass ist nicht so sehr der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober, sondern der 75. Geburtstag, den Cramer am selben Tag – offenbar bei bester Gesundheit – begehen kann. Den Eindruck, dass es dem Bankier sehr gut gehe, bestätigen alle Wegbegleiter, die man in diesen Tagen nach ihm fragt.Der 1941 in Berlin Geborene hat sich aus dem Rampenlicht, in das es ihn freilich nie gedrängt hat, längst zurückgezogen. In seiner aktiveren Zeit war er aber am Finanzplatz Deutschland schon eine Institution, insbesondere seit er 1993 von der BHF-Bank zu Georg Hauck & Sohn Bankiers – heute Hauck & Aufhäuser Privatbankiers – wechselte und als persönlich haftender Gesellschafter und Sprecher der Geschäftsleitung in die Fußstapfen von Michael Hauck trat. Eine gelungene FusionGelernt hatte er vor dem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Abschluss Diplom-Kaufmann und der Promotion (Dissertation über “Planung und Einführung neuer Dienstleistungen im Bankbetrieb”) bei der Dresdner Bank. Die Bayerische Vereinsbank, Bonnfinanz und wieder die Dresdner waren dann weitere Stationen, ehe Cramer 1982 in die BHF-Bank eintrat, bei der er Direktor mit Gesamtprokura wurde und den Bereich Private, Institutionelle und Trustgeschäft leitete. Die Fusion der Privatbankhäuser Hauck und Aufhäuser 1998, also nur wenige Jahre nach seinem Wechsel, bei der Cramer auf der Frankfurter Seite die Regie führte, war nicht nur aus seiner eigenen Sicht “einer der wenigen wirklich gelungenen Zusammenschlüsse” im Bankwesen. Zahlreiche neutrale Beobachter teilen diese Einschätzung, wenngleich die Bank ertragsmäßig nach heutigem Stand sicher Luft nach oben hat.Wenn es das Geschäftsmodell “Privatbank” nicht schon gäbe, dann müsste man es jetzt erfinden, entstünden doch zunehmend “Dienstleistungsfabriken”, die in ihrem Umgang mit den Kunden immer unpersönlicher würden, sagte Cramer einmal im Interview der Börsen-Zeitung. Nicht wenige Kunden wollten aber “eine wirklich individuelle Beratung und vielleicht sogar ein wenig persönliche Fürsorge”. Die weitere Entwicklung hat ihm recht gegeben. Mehr Bankiers statt BankerEr, der sich mehr Bankiers und weniger Banker, mehr Unternehmer und weniger Manager wünschte, verkörperte die Wesensmerkmale des Privatbankiers in Perfektion. “Die Tatsache, dass ich als persönlich haftender Gesellschafter für das, was ich mache, wirklich die Verantwortung übernehme, dafür einstehe”, mache den Unterschied aus, sagte er. 2004 war der auch mit dem Talent zum Schreiben gesegnete Cramer, der eine Vielzahl von Büchern und Fachbeiträgen veröffentlicht hat, von seiner Bank in einen etwas ruhigeren Lebensabschnitt verabschiedet worden – was ihn aber bis heute nicht daran hindert, diverse Mandate etwa in Stiftungen, Family Offices oder eben bis vor kurzem im Münchener Herrenclub wahrzunehmen.