Josef Ackermanns Kritik am Niedergang der Credit Suisse
Josef Ackermann kritisiert Credit Suisse
Exzessive Bonuskultur der Wall Street habe nach und nach die ganze Bank erfasst
Von Daniel Zulauf, Zürich
Der Schweizer Banker Josef Ackermann hat sich in einem Interview in seinem Heimatland kritisch zum Debakel der Credit Suisse geäußert. Es sei ein Fehler gewesen, die Führung der Investmentbank den Amerikanern zu überlassen. Den Führungsetagen der Schweizer Banken fehle es zudem an Fachkompetenz.
Die Fehler, die zum Niedergang der Credit Suisse geführt haben, reichen tief in die Vergangenheit zurück. Josef Ackermann, ein Urgestein der gescheiterten Großbank, stimmt im Interview mit der Genfer Tageszeitung „Le Temps“ in diesen Expertenkonsens ein. Der inzwischen 75-jährige Banker sagt, es sei ein Fehler gewesen, die Führung der Investmentbank Credit Suisse First Boston einfach den Amerikanern zu überlassen. So habe die an der Wall Street herrschende exzessive Bonuskultur auch bei der Credit Suisse Einzug gehalten. Sie habe nach und nach die ganze Bank erfasst und es habe viel zu lange gedauert, bis jemand versucht habe umzusteuern.
Ackermann, der 1977 zu der damaligen Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) gestoßen war, verortet den Beginn der fatalen Fehlentwicklung im Jahr 1996 – just in dem Jahr also, in dem der Ostschweizer Zürich verließ, um bei der Deutschen Bank in Frankfurt einzusteigen. 1996 ordnete der damalige Verwaltungsratspräsident Rainer E. Gut die Aufteilung der Credit Suisse in vier operativ selbständige Divisionen unter dem Dach der CS Holding an. Dieses damalige Projekt „Fokus“ hatte die Fokussierung des Dienstleistungsangebotes im Konzern auf die verschiedenen Märkte und Kundengruppen zum Inhalt und hätte eigentlich das Wachstum beschleunigen sollen. Stattdessen verlor die Credit Suisse so ihre Identität. Die Deutsche Bank habe sich auch an der Wall Street etabliert, aber die Macht sei immer in Frankfurt geblieben und ebenso sei auch die Kultur in der Bank im Wesentlichen eine deutsche geblieben, sagt Ackermann, der die Deutsche Bank von 2006 bis 2012 selbst geleitet hat.
Missglückter Spagat
Dass die Credit Suisse frühzeitig in der US-Finanzmetropole Fuß gefasst habe, sei kein Fehler gewesen. Das Bankgeschäft verändere sich. Heutzutage sei viel von Desintermediation die Rede. Damit meint Ackermann den globalen Vormarsch des in den USA schon immer vorherrschenden Kapitalmarktgeschäftes gegenüber dem in Europa und in der Schweiz üblichen bilanzlastigen Kreditgeschäft. Aber dann stelle sich die Frage, wie man dieses Kapitalmarktgeschäft führe, „wie man die Kultur und das Wertesystem jenes Landes erhält, in dem die Bank beheimatet ist“.
Dass die Credit Suisse diesen Spagat nicht geschafft hat, ist spätestens seit dem 19. März erwiesen. Ackermann zeigt sich nicht allzu besorgt über die direkten Folgen dieses Versagens für den Schweizer Finanzplatz. Besorgt zeigt sich der Banker aber über die emotionale Reaktion der Politik, in der gerade über Bonusverbote und höhere Kapitalquoten diskutiert wird.
Ackermann vermisst Fachkompetenz
In den Führungsetagen der Schweizer Banken fehle es an Fachkompetenz, kritisiert Ackermann, und die Finanzmarktaufsicht müsse die Verwaltungsratspräsidenten und die CEOs regelmäßig während mehrerer Tage mit Krisenszenarien konfrontieren und so die Katastrophenresistenz der Bank (und ihrer Organe) testen. Auch an der Spitze der Finma sei mehr Fachkompetenz erforderlich. Der Gewinn an Erfahrung überschatte das Problem fehlender Unabhängigkeit, für das es überdies auch Lösungen gäbe. Eine Lektion, die man aus dem Fall Credit Suisse ziehen sollte, sei es, früher zu intervenieren. „Wartet man zu lange, steht man unter Druck, eine Entscheidung unter nur noch wenigen Optionen treffen zu müssen, bei einem gestiegenen Risiko für das Land.“ Die Deutsche Bank war kurz nach Ackermanns Weggang in eine existenzielle Krise geraten, an der der Schweizer Manager zweifellos auch seinen Anteil hatte. Ackermann war gegen die Verlockungen der Millionenboni nicht gefeit. Vielleicht oder gerade deshalb ist es seine Stimme wert, jetzt gehört zu werden.
Politik setzt Untersuchungskommission ein
Derweil beschäftigt sich die Schweizer Politik intensiv mit dem Hergang des Credit-Suisse-Debakels. Am Montag empfahlen die Geschäftsprüfungskommissionen der beiden Parlamentskammern die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission. Die PUK gilt als schärfste Waffe des Parlaments zur Wahrung seiner Oberaufsicht über die Bundesbehörden und die Regierung. Im Fall der Credit Suisse würde die PUK der Frage nachgehen, inwieweit das in letzter Instanz für die Finanzmarktaufsicht verantwortliche Finanzministerium geeignete Maßnahmen zur Früherkennung der Krise eingeleitet und umgesetzt hatte. Zur Sprache käme auch die Rechtmäßigkeit des Notrechtes, mit dessen Hilfe die Regierung (Bundesrat) die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS möglich gemacht hatte. UBS-Chef Sergio Ermotti hatte sich Anfang der Woche für eine 360-Grad-Untersuchung der Vorgänge um die Credit Suisse ausgesprochen.