Im Gespräch:Hubert Spechtenhauser und Christian Dagrosa

Procredit führt Ukraine-Tochter zurück zur Normalität

Die Ukraine-Tochter der Frankfurter Bankengruppe hält trotz Krieg das Bankgeschäft am Laufen. Davon profitiert die gesamte Gruppe, wie Bankchef Hubert Spechtenhauser und Finanzchef Christian Dagrosa berichten.

Procredit führt Ukraine-Tochter zurück zur Normalität

Im Gespräch: Hubert Spechtenhauser und Christian Dagrosa

Procredit führt Ukraine-Tochter zurück zur Normalität

Frankfurter Osteuropa-Bankengruppe schreibt mit Tochter in Kiew wieder schwarze Zahlen – Bankchef hofft auf Kriegsende

jsc Frankfurt
Von Jan Schrader, Frankfurt

Die Ukraine-Tochter der Frankfurter Bankengruppe Procredit hält trotz Krieg das Bankgeschäft am Laufen. Mittlerweile macht die Bank in dem Land wieder Gewinn. Davon profitiert die gesamte Gruppe, wie Bankchef Hubert Spechtenhauser und Finanzchef Christian Dagrosa berichten. An der Börse erholte sich die Aktie der Bank mittlerweile deutlich.

Im Krieg gewöhnt sich der Mensch an vieles: Wenn in Kiew Luftalarm ertönt, begeben sich die Beschäftigten der Procredit Bank in der Ukraine in den Keller. Doch anders als früher nehmen sie, wenn der Alarm vorüber ist, die Arbeit rasch wieder auf, anstatt wie zu Kriegsbeginn länger im Keller auszuharren, wie Hubert Spechtenhauser, Chef der Holding mit Sitz in Frankfurt, berichtet. Auch die zeitweilige Flucht vieler Menschen ins Ausland sei weitgehend vorbei. "Fast alle sind in der Ukraine zurück." Die Gruppe beschäftigt in dem Land mehr als 300 Menschen.

Procredit-Vorstandsvorsitzender Hubert Spechtenhauser | Quelle: Procredit

Stand zu Kriegsbeginn noch ein Sieg des Aggressors Russlands im Raum, so verteidigt sich die Ukraine wacker und hält die Invasoren in Schach. Die Folgen sind auch für Procredit spürbar. Die Frankfurter Gruppe, die über zwölf separate Banktöchter kleine und mittlere Unternehmen in Ost- und Südosteuropa finanziert, erholt sich.

Nach horrender Risikovorsorge in der Ukraine von 87 Mill. Euro und einem mageren Gewinn von gut 16 Mill. Euro auf Gruppenebene im vergangenen Jahr erzielte die Gruppe im ersten Halbjahr 64 Mill. Euro Gewinn. Das Ziel für die Eigenkapitalrendite für das Gesamtjahr erhöht die Gruppe auf 8 bis 10% statt bislang 6 bis 8%. Perspektivisch zielt die Gruppe auf 12%. Mit 7,48 Euro je Aktie ist das Haus heute mehr als doppelt so viel wert wie vor einem Jahr.

Zinsüberschuss sprudelt

Ein Grund, wie fast überall, ist die Zinswende: Variabel verzinste Kredite lieferten höhere Erträge, während der Zinssatz im Einlagengeschäft weniger stark anstieg. 156 Mill. Euro betrug der Zinsüberschuss im ersten Halbjahr, ein Plus von 31% gegenüber Vorjahr. Mit 9 Mrd. Euro Bilanzsumme und 6,2 Mrd. Euro Kreditbestand ist die Procredit eine kleine Bank.

Die Gesundung ruht aber auch auf der Ukraine-Tochter: Im ersten Halbjahr schrieb die Bank hier einen Gewinn von gut 12 Mill. Euro. Weitere Risikovorsorge blieb nahezu aus. Die Ukraine-Tochter vergibt sogar Kredite, wenn auch restriktiv und fast nur an bestehende Kunden. Bereits 2022 führte die Bank das Kreditvolumen um 23% auf 582 Mill. Euro zurück. Gut 12% der Darlehen stuft sie als ausfallgefährdet ein. Das betrifft vor allem Kredite, die das Geldhaus einst im heute russisch besetzten Osten und Südosten vergeben hatte.

Doch das Geschäft läuft: Die Filiale in Charkiw nahe der Ostfront gab die Bank auf, aber die Stationen in Dnipro, Odessa und Lwiw erhält sie aufrecht. Die Weltbank-Tochter Multilateral Investment Guarantee Agency (Miga), die Garantien ausspricht, steht für das Geld ein, das Procredit bei der Zentralbank hält. Im Juni erhöhte die Mica den Rahmen um mehr als das Doppelte auf 41 Mill. Euro. Damit sinkt die Kapitalbindung der Procredit.

Die Procredit empfiehlt sich als Partnerin für einen Wiederaufbau des Landes, sobald der Krieg eines Tages endet. Um etwa Hilfsmittel an ukrainische Firmen auszuzahlen, sind internationale Geber auf eine Bank mit Präsenz vor Ort angewiesen, argumentiert Spechtenhauser.

Wiederaufbau hat Tradition

Ihre Wurzeln verortet die Gruppe im Jahr 1997, als eine Mikrofinanzbank im kriegszerstörten Bosnien-Herzegowina das Geschäft aufnahm. Heute ist die Gruppe vor allem in Bulgarien, Serbien und dem Kosovo aktiv. Im Eignerkreis übernahm jüngst die auf Osteuropa fokussierte Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) die Anteile der Weltbank-Tochter IFC. Auch die KfW zählt neben anderen Nachhaltigkeitsadressen zum Eignerkreis. Rund 39% sind im Streubesitz. An der Börse ist die Gruppe etwa 441 Mill. Euro schwer.

Procredit-Finanzvorstand Christian Dagrosa
Procredit-Finanzvorstand Christian Dagrosa | Quelle: Procredit

Schon Finanzchef Christian Dagrosa hatte kurz nach Kriegsbeginn erklärt, die Bank wolle in der Ukraine bleiben. Jetzt nimmt er die gesamte Gruppe in den Blick und kündigt an, im Einlagengeschäft verstärkt Privatkunden anzusprechen. "Wir stellen unsere Refinanzierung noch granularer auf."

Doch der Krieg sitzt der Bank weiter im Nacken. Als wesentliches Risiko macht die Gruppe "eine potenzielle Ausweitung" der Kämpfe auf weitere Gebiete aus sowie eine Aussetzung des Getreideabkommens. Normalität herrscht erst, wenn Russland von der Gewalt ablässt.

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