AKTIEN

"Keine hohen Summen in fertige Stars"

Interview mit Thomas Tress

"Keine hohen Summen in fertige Stars"

Thomas Treß (54) ist Finanzvorstand von Borussia DortmundHerr Treß, die Aktie von Borussia Dortmund hat sich in den vergangenen Jahren extrem volatil gezeigt. Warum sollten Anleger trotzdem in den BVB investieren?Borussia Dortmund verfolgt eine langfristige Strategie. Wir haben den Verein ohne neue Schulden und Leverage-Risiken auf der Kapitalseite nach vorne entwickelt und substanzielle Werte geschaffen. Wer den Gesamttrend unserer Kursentwicklung über die vergangenen zehn bis 15 Jahre beobachtet, sieht ja einen übergeordneten Aufwärtstrend. Der jüngste Abschwung ist durch die Coronakrise bedingt, stellt aber das langfristige Geschäftsmodell nicht infrage.Welche Vorteile besitzt Borussia Dortmund denn für Anleger gegenüber anderen börsennotierten Vereinen?Unser Geschäftskonzept unterscheidet sich von dem vieler anderer Clubs. Natürlich arbeiten wir daran, den sportlichen Erfolg zu maximieren – aber so wünschens- und erstrebenswert Titel auch sind, sie sind für uns kein Selbstzweck. Im Gleichklang dazu muss auch die wirtschaftliche Stabilität gewährleistet sein. In den Bilanzen vieler anderer Clubs tauchen substanzielle Kreditverpflichtungen auf, die diese Unternehmen belasten. Der BVB investiert hingegen keine hohen Summen in fertige Stars, sondern setzt seit Jahren darauf, junge und talentierte Spieler weiterzuentwickeln. Unser Kader ist äußerst kosteneffizient zusammengestellt, auf europäischem Niveau aber trotzdem wettbewerbsfähig.Ist es aus Ihrer Sicht überhaupt wünschenswert, die Rolle als Zwischenstation für künftige Stars loszuwerden?Wir stehen teilweise im Wettbewerb mit Fußballclubs, die sich de facto in staatlichem Eigentum befinden – zum Beispiel Paris Saint-Germain und Manchester City. Auf dem Transfermarkt werden wir uns niemals mit diesen Vereinen messen können. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch Geld in gestandene Spieler investieren. Nur aus Talenten kann ein Kader schließlich auch nicht bestehen. Vorrangig besteht unsere Aufgabe allerdings darin, unsere Umsätze zu maximieren und unsere Marke zu entwickeln. Die deutsche Meisterschaft zulasten der finanziellen Gesundheit unseres Vereins wollen auch unsere Fans nicht – und allein aus Verantwortung gegenüber unseren Aktionären werden wir einen solchen Kurs nicht fahren.Auf welchem Niveau würden Sie die Aktie denn für fair bewertet halten?Der Substanzwert von Borussia Dortmund liegt ungefähr bei 1 Mrd. Euro. Wir haben 92 Millionen Aktien im Umlauf – der faire Wert lässt sich also ganz einfach ausrechnen.Woran bemessen Sie den Substanzwert?An mehreren Bausteinen. Das Eigenkapital liegt für unseren Konzern bei über 350 Mill. Euro, darüber hinaus liegen im Kader stille Reserven. Bei uns in der Bilanz ist der Kader mit 180 Mill. Euro bewertet, das reflektiert die Anschaffungswerte der Spieler nach Abschreibungen. Auf “transfermarkt.de” wird der Wert des Kaders zwischen 500 und 600 Mill. Euro taxiert, da lässt sich gut mit der Differenz zu den Einkaufskosten rechnen. Und der Wert der Marke Borussia Dortmund findet in unserer Bilanz gar keinen Niederschlag, “Forbes” beispielsweise schätzt ihn auf über 300 Mill. Euro. Wer diese Zahlen zusammenzählt, kommt relativ locker in die Größenordnung von 1 Mrd. Euro.Wie hoch ist denn die Chance, dass sich die Aktie des BVB irgendwann von sportlichen Einzelereignissen lösen kann?Fußball ist eben unser Kerngeschäft, Titelgewinne oder ein Weiterkommen in Europa sind mit Preisgeldern und TV-Einnahmen verbunden. Sportliche Rückschläge werden sich daher immer auf die Aktie auswirken, mit diesen Schwankungen müssen wir leben. Trotzdem lassen sich die Volatilitätsrisiken für die Aktie durch eine vorausschauende langfristige Planung eindämmen. Denn je wettbewerbsfähiger der Kader aufgestellt ist, desto weniger wahrscheinlich sind Niederlagen.Wie lange sind Geisterspiele für Borussia Dortmund noch wirtschaftlich tragbar?Wir gehen davon aus, dass wir gegebenenfalls bis Jahresende keine Zuschauer mehr in den Stadien haben werden. Schädlich für uns sind weniger die Einbußen bei den Ticketeinnahmen, denn diese machen heute nur noch rund 10 % des Umsatzes aus. Entscheidend ist vielmehr, welche Entwicklungen sich infolge der Krise im Sponsoring und bei den TV-Geldern abzeichnen. Wir hoffen natürlich darauf, dass wir jetzt alle unsere Partien wie geplant spielen können. Eine genaue zeitliche Prognose ist angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage aber äußerst schwierig. Wo sehen Sie denn unabhängig von der aktuellen Lage die größten geschäftlichen Chancen für Borussia Dortmund?Ganz wichtig ist die Internationalisierung, natürlich in Asien, mittel- bis langfristig aber auch in den USA und in Südamerika. Dort haben wir noch viel Potenzial, unseren Verein zu vermarkten und Fans zu gewinnen. Durch die Digitalisierung bieten sich zudem weitere neue Vermarktungsmöglichkeiten. Im Sponsoring besitzen wir durchaus gutes Wachstumspotenzial, wie auch die Entwicklung der Zahlen in den vergangenen Jahren zeigt.Das Interview führte Alex Wehnert.