KfW holt zum Schlag gegen die Nulllinie aus

Bereits in einem Jahr sollen Förderkredite mit Negativzinsen an Banken und Sparkassen weitergereicht werden - Schon regt sich Kritik

KfW holt zum Schlag gegen die Nulllinie aus

Negativzinsen im Kreditgeschäft galten einst als verrückt. Bald werden sie Realität: Die KfW will innerhalb eines Jahres negative Sätze einführen, die Banken und Sparkassen dann mit einer zusätzlichen Marge versehen und weiterreichen. In der Branche ist umstritten, ob der Vorstoß der KfW tatsächlich notwendig ist.jsc Frankfurt – Oft muss eine Idee erst wachsen, ehe sie Früchte trägt: Über Negativzinsen im Kreditgeschäft von Förderbanken sprach über Jahre hinweg fast niemand, nachdem der mittlerweile verstorbene KfW-Chef Ulrich Schröder im April 2015 auf einer Pressekonferenz erstmals laut über diese Idee ernsthaft nachdachte. Damals waren Renditen von kurzlaufenden Bundesanleihen bereits unter die Nulllinie gerutscht, und die KfW, die von einer Garantie des Bundes profitiert, hätte sich bis zu einer Laufzeit von sieben Jahren zu negativen Zinssätzen am Kapitalmarkt mit frischen Mitteln eindecken können – eine Vorteil, den die Bank eigentlich weitergeben könnte, sagte Schröder damals. “Es ist völlig offen, es ist nichts entschieden”, erklärte er. “Aber wir müssen uns vorbereiten.”Viereinhalb Jahre später, am gestrigen Mittwoch, war es dann soweit: Die KfW kündigte auf einer Konferenz in Frankfurt Negativzinsen im Neugeschäft an. Voraussichtlich im vierten Quartal des kommenden Jahres, womöglich etwas früher oder später, wolle die von Bund und Ländern getragene Bank im Fördergeschäft loslegen, sagte der heutige KfW-Chef Günther Bräunig zuvor im Gespräch mit Journalisten.Die Endkreditnehmer, also Privatleute und Unternehmen, werden aber vorerst noch positive Sätze sehen: Die KfW reicht einen Großteil ihrer Darlehen über gewöhnliche Banken und Sparkassen aus, die ihrerseits eine Marge aufschlagen – im günstigsten Fall liegt die Höchstschwelle für die Marge bei 0,75 Prozentpunkten, in anderen Fällen oft mehr. Das Zinsniveau müsste also erneut deutlich sinken, bis inklusive dieser Marge ein Minus bleibt. Mit Kommunen pflegt die KfW derweil direkte Geschäftsbeziehungen. Hier könnten die Negativsätze also schon früher Realität werden.In den meisten Fällen muss die KfW aber die Kreditwirtschaft einbinden. Für die Genossenschaftsbanken ist die DZ Bank für die Durchleitung der Mittel verantwortlich, der IT-Dienstleister Fiducia & GAD ist eingebunden. Für die Sparkassen sind die Landesbanken und die Finanz Informatik zuständig. Darüber hinaus müssen die Privatbanken mitziehen. Negativzinsen sind für etliche Kreditprogramme der KfW denkbar, denn der Spielraum für Zinsverbilligungen ist durch die Nulllinie bisher begrenzt. Technisch ist die Darstellung von Negativzinsen noch nicht möglich. Für Zinshilfen bleibt daher wenig Raum (siehe Grafik). Branche uneinsDie Kreditwirtschaft zeigte sich am Mittwoch aufgeschlossen. “Für ein erfolgreiches Geschäft mit Fördermitteln ist dieser Schritt zu begrüßen und dringend notwendig”, schreibt die Commerzbank auf Nachfrage, die Helaba begrüßt “jede Bemühung der Förderbanken”, ihre Darlehen “an die Marktgegebenheiten anzupassen”. “Der Förderkredit wird dadurch auch in Zukunft attraktiv bleiben”, so die BayernLB. Die DZ Bank verweist auf “Megatrends wie Digitalisierung, Innovation oder Energieeffizienz” und betont, dass für Bankkunden ein “sichtbarer finanzieller Vorteil” bestehen müsse, der über Negativsätze ermöglicht werden könne.Allerdings wurden auch Zweifel laut, ob nicht bestehende Instrumente wie direkte Hilfen und Zuschüsse ausreichen. Diese Sichtweise vertritt die Deutsche Bank. Zwar spielten Förderbanken eine wichtige Rolle, doch bekämen Unternehmen bereits “hervorragende Kreditkonditionen”, so ein Sprecher. Förderbanken stünden alternative Instrumente wie Tilgungszuschüsse zur Wahl.Auch die Förderbanken selbst sind gespalten. Während Horst Reinhardt, Chef der Landwirtschaftlichen Rentenbank, am Dienstag im Interview der Börsen-Zeitung negative Zinsen ankündigte, erklärte die NRW.Bank gestern, sie setzte vorerst nicht auf Negativzinsen, sondern auf direkte Hilfen und Tilgungsnachlässe. Die L-Bank in Baden-Württemberg räumt der IT-Umstellung für Negativzinsen Priorität ein, legt sich aber nicht fest. “Negative Zinssätze bei Förderkrediten sind hier nur eine denkbare Stoßrichtung.”Über einen Negativzins könne die KfW viel schneller ihre Konditionen an das aktuelle Marktniveau anpassen, sagte KfW-Chef Bräunig. Die Bank wolle die Rentabilitätsschwelle für Kunden stets gerade so legen, dass sie bereit seien zu investieren. Über direkte Förderhilfen sei nur “eine sehr viel gröbere Steuerung” möglich. Die Kosten hielten sich mit einigen Tausend Personentagen für die KfW im Rahmen. Zur Belastung für die übrige Kreditwirtschaft äußerte sich am Mittwoch niemand.Auch rechtliche Risiken sieht Bräunig nicht. Zwar sehe das Gesetz für einen Kreditvertrag einen positiven Satz vor, so dass die Frage aufgekommen sei, ob ein Darlehen mit Negativzinsen vielmehr einen Verwahrvertrag darstelle. Doch ein Rückzahlungsplan und der Verwendungszweck des Darlehens erleichterten die Analyse. Bräunig: “Auch ein Kredit zu Negativzinsen ist ein Darlehensvertrag.” Zugleich schränkte er ein: “In der Juristerei gibt es immer unterschiedliche Meinungen.” Auftrag aus BerlinNeue Aufgaben für die Förderbank sind bereits absehbar. Im Fahrwasser des Klimapakets der Bundesregierung plant die KfW ein Kreditprogramm für Unternehmen, die in die Einsparung von Treibhausgasemissionen investieren. Das Programm soll im ersten Quartal 2020 starten und zunächst mit direkten Förderhilfen flankiert werden. Es richtet sich an Firmen mit einem jährlichen Umsatz bis 500 Mill. Euro. Außerdem befindet sich ein Wachstumsfonds für energieorientierte Strominvestitionen in der Planung, der perspektivisch bis zu 10 Mrd. Euro mobilisieren könnte, wie Bräunig darlegte.Bei dem Negativzinsprojekt soll die gesamte Branche eingebunden werden – sofern möglich. “Wir werden jetzt nicht warten, dass der Letzte auch durch die Tür kommt, sondern wir werden uns in der Diskussion auf einen Zeitplan verständigen, so dass wir uns im Prinzip alle zeitgleich umstellen.” Einige Banken zeigen sich optimistisch: Die Commerzbank will im dritten Quartal 2020 so weit sein, die DZ Bank im zweiten Halbjahr. Die BayernLB kann nach eigenen Angaben bereits Negativzinsen darstellen, allerdings sind die Sparkassen noch nicht so weit.