Bankenaufsicht

Klimarisiken überfordern die meisten Banken

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Ergebnisse ihres ersten Klimastresstests veröffentlicht. Sie fallen ernüchternd aus.

Klimarisiken überfordern die meisten Banken

fir Frankfurt

Europas Banken berücksichtigen Klimarisiken nach Ansicht der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht ausreichend in ihren Risikomodellen und langfristigen Strategien und müssen mehr tun, um Datenlücken zu schließen. Im ersten Klimastresstest der Notenbank, der verschiedene kurz- und langfristige Szenarien zu Transformationsrisiken und extremen Wetterereignissen – Flut, Hitzewelle – durchspielte, hätten zwei Drittel der geprüften bedeutenden Institute alles in allem schwach abgeschnitten und erhebliche Einschränkungen in ihren Stresstest-Fähigkeiten offenbart, bemängelte sie am Freitag bei der Veröffentlichung der aggregierten Ergebnisse. Die EZB hat 104 der derzeit 111 von ihr beaufsichtigten bedeutenden Institute unter die Lupe genommen, von denen aber nur 41 alle drei Module des Stresstests voll durchlaufen haben. Durchfallen konnten die Banken dabei nicht.

70 Mrd. Euro Verlust

In einem kurzfristigen Szenario, in dem der Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft in ungeordneten Bahnen verläuft, summieren sich die Kredit- und Marktverluste der 41 Banken auf 70 Mrd. Euro. Die Zahlen sind allerdings selbst nach Auffassung der EZB mit Vorsicht zu genießen, weil sie nur einen Teil des tatsächlichen Risikos widerspiegelten. Gründe seien der Mangel an verfügbaren Daten, die unzureichenden Risikomodelle der Banken, die Klimafaktoren nur rudimentär erfassten, die Nichtbeachtung möglicher, von Klimakatastrophen wie Dürre oder Flut ausgelöster Konjunkturabschwünge und Zweitrundeneffekte sowie der Umstand, dass die untersuchten Exposures nur etwa ein Drittel der Gesamtengagements der 41 Banken ausmachen.

Die Ergebnisse zeigen auch – kaum überraschend –, dass ein geordneter Transformationspfad in eine CO2-arme Wirtschaft zu geringeren Kreditverlusten führt als ein ungeordneter oder gar im Falle politischer Inaktivität, dem sogenannten Hot-House-Szenario (s. Grafik). Allerdings, so beklagt die EZB, unterschieden die Banken kaum zwischen verschiedenen langfristigen Szenarien, da es ihnen an Strategien dafür mangele. Verbreitet sei deshalb die Tendenz, ihr Engagement in den energieintensivsten Sektoren herunterzufahren und Unternehmen mit geringeren Kohlenstoffemissionen stärker zu unterstützen. Die prognostizierten Kreditverluste halten sich deshalb nach Ansicht der EZB noch in moderaten Grenzen. Die von den Banken angekündigte Verringerung der Engagements in Sektoren mit der höchsten Umweltverschmutzung in Kombination mit eher milden Szenarien und Schwächen der Banken in der Umsetzung des Klimastresstests trübten demnach die Aussagekraft der Ergebnisse.

In Kreditvergabe unbeachtet

Die meisten Banken haben den Angaben zufolge Klimarisiken noch nicht in ihre Kreditrisikomodelle einbezogen, und lediglich 20% berücksichtigen diese bei der Kreditvergabe, so die EZB. „Die Banken des Euroraums müssen dringend ihre Bemühungen zur Messung und Steuerung des Klimarisikos verstärken“, kommentierte der Chef der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria, das Abschneiden der Banken. Er schrieb ihnen ins Pflichtenheft, die Datenverfügbarkeit zu verbessern und bereits existente Best Practices zu übernehmen.

Der Stresstest hat nach Aussage der EZB keine direkten Auswirkungen auf die Kapitalausstattung der Banken. Die Ergebnisse werden demnach qualitativ in den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) einfließen, in dem die Aufsicht jedes Jahr die Risiken ermittelt, denen Banken ausgesetzt sind. Zweck der Übung sei es gewesen, Schwachstellen, Herausforderungen und Best Practices der Banken im Zusammenhang mit der Steuerung von Klimarisiken auszumachen und in qualitativer Hinsicht einen Beitrag zu SREP zu leisten.

Auf Erleichterung stieß die Stressübung in der Finanzbranche, wenngleich sich bereits vor Wochen abgezeichnet hatte, dass die Resultate vertretbar ausfallen würden. „Die heute veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass die beteiligten Banken insgesamt nicht mit wesentlichen Verlusten aus den im Stresstest angenommenen Szenarien rechnen müssen“, erklärte die Deutsche Kreditwirtschaft (DK). Gleichwohl dürfe dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Klimawandel das Leben erheblich beeinträchtigen werde. Die DK zeigte sich auch erleichtert, dass die EZB höhere direkte Kapitalanforderungen im Zuge des Klimastresstests ausgeschlossen hat, verwies aber darauf, dass in den Verhandlungen über das Bankenpaket genau darüber diskutiert werde. Unklar sei noch, ob der Klimastresstest in den alle zwei Jahre stattfindenden EU-weiten Stresstest integriert wird.

Wertberichtigt Seite 6

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