Klimaschutz als Chance für Grunderwerbsteuer-Reform
Klimaschutz als Chance für Grunderwerbsteuer-Reform
Anfang 2023 hat Hamburg seinen Steuersatz von 4,5 auf 5,5% angehoben. 5,5 statt 3,5% sind es seitdem auch in Sachsen. Damit ist Bayern das einzige Bundesland, in dem noch der ursprüngliche Steuersatz von 3,5% gilt. Und das in einer Zeit, in der es Normalverdienern in Deutschland immer schwerer fällt, sich ihren Traum von eigenen vier Wänden zu erfüllen. Das Vorhaben der Ampel-Koalition stockt. Bundesländer präsentieren eigene Ideen. Könnte die Einbeziehung des Klimaschutzes Schwung in die Sache bringen?
Klimaschutz als Chance für Grunderwerbsteuerreform
Es wird geprüft …
Wohneigentum kostet heute in Deutschland mehr als doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Um die Nebenkosten zu senken, sah schon die große Koalition 2018 die „Prüfung eines Freibetrags“ bei der Grunderwerbsteuer „beim erstmaligen Erwerb von Wohngrundstücken für Familien“ vor. Das Vorhaben scheiterte im Bundesrat. Die Ampel-Koalition einigte sich auf die Aussage: „Wir wollen den Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer z.B. durch einen Freibetrag ermöglichen, um den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums zu erleichtern.“ Ein Gesetzentwurf lässt aber auf sich warten. Nicht alle Länder sehnen sich ihn herbei. Sie fürchten Steuerausfälle. Einige haben aber offenbar auch die Sorge, reichere Länder könnten sich mit der Einführung eines Freibetrags einen (weiteren) Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Beim Grunderwerbsteuergesetz handelt es sich um ein Bundesgesetz. Den Ländern steht das Aufkommen zu. Sie selbst dürfen nur den Steuersatz bestimmen, nicht in Eigenregie einen Freibetrag oder unterschiedlich hohe Steuersätze für verschiedene Personengruppen einführen. Die Steuersätze bewegen sich heute in einer Bandbreite zwischen 3,5 und 6,5%.
Auf Länderebene ist jetzt einiges in Bewegung geraten. Die schwarz-grüne Koalition in Schleswig-Holstein, wo der Satz 6,5% beträgt, hat vereinbart, eine Eigenheimzulage für den Ersterwerb einer selbstgenutzten Wohnimmobilie einzuführen. „Die Förderung“, so heißt es, „erfolgt in Form eines Festbetrages in Höhe der tatsächlich gezahlten Grunderwerbsteuer bei einem maximalen Förderbetrag von bis zu 5.000 Euro je erwerbender Person, deren zu versteuerndes Jahreseinkommen maximal je 100.000 Euro betragen darf. Hinzu kommt je Kind ein maximaler Förderbetrag von bis zu 5.000 Euro, der auch nachträglich für Kinder gewährt wird, die in den ersten fünf Jahren nach Erwerb geboren werden.“
Der Booster kommt
Angesichts der Preisentwicklung im Bausektor hat die bayerische Staatsregierung nicht nur einen eigenen „Wohnbau-Booster“ auf den Weg gebracht. In einer Bundesrats-Initiative wird auch eine Länderöffnungsklausel bei der Grunderwerbsteuer und der Erbschafts- und Schenkungssteuer gefordert.
Die schwarz-grüne Regierung in NRW, wo 6,5% anfallen, hat ein „Zuschussprogramm Wohneigentum“ eingeführt. Auf Antrag bei der NRW Bank werden von der Grunderwerbsteuer zwei Prozent der grunderwerbsteuerpflichtigen Kaufsumme – maximal 10.000 Euro – als Zuschuss gewährt.
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein will in seinem Bundesland keine Grunderwerbsteuer mehr für die erste eigene Immobilie erheben. Aktuell werden 6% fällig. Da die Aussetzung Zeit brauche, wolle seine Partei für eine Übergangszeit ein „Hessengeld“ zahlen: einen Zuschuss von 10.000 Euro pro Käufer plus 5.000 Euro für jedes Kind.
Blick über die Grenzen
Auch lohnt sich ein Blick über unsere Landesgrenzen hinaus. So kennt Frankreich zwar keinen Freibetrag, differenziert aber nach dem Alter der Immobilie. Bei Neubauten (weniger als fünf Jahre alt) beträgt die Grunderwerbsteuer nur 0,7% des Kaufpreises, bei Altbauten zwischen knapp 4% und knapp 6% – je nach Département. In Großbritannien gibt es einen Freibetrag. Bei Erstkäufern beträgt er 425.000 Pfund (circa 483.000 Euro), jedoch nur für Immobilien bis 625.000 Pfund (ca. 710.000 Euro). Die Steuer selbst ist je nach Landesteil unterschiedlich geregelt.
Belgien liegt zwar mit einer Steuersatz von 12,5% in der Wallonie und der Hauptstadt Brüssel sowie von 12% in Flandern deutlich über dem deutschen Niveau. Allerdings hat ihn die Wallonie kürzlich für selbstgenutztes Wohneigentum auf 6% reduziert und einen möglichen Freibetrag von 20.000 Euro eingeführt. In Flandern wurde der Steuersatz für diesen Zweck auf 3% gesenkt. Brüssel hat seit kurzem Freibeträge von 175.000 Euro und 87.500 Euro, wenn der Preis der Immobilie 500.000 Euro bzw. der Preis des Grundstücks 250.000 Euro nicht übersteigt.
Die Region Brüssel liefert eine Idee, die Schwung in die deutsche Debatte bringen könnte. Hier gibt es einen zusätzlichen Freibetrag von 25.000 Euro bei Steigerung der Energieeffizienz – und zwar für jeden Schritt in der Gebäudeklassifizierung nach vorn. Voraussetzung sind mindestens zwei Schritte innerhalb von fünf Jahren. Das heißt: Wer eine Immobilie von Klasse D auf A saniert, bekommt dreimal 25.000 Euro, also 75.000 Euro zusätzlich zum Grundfreibetrag von 175.000 Euro. Zusammen ergibt das einen Freibetrag von 250.000 Euro. Diese Idee findet sich auch in Flandern. Bei einer „größeren energetischen Sanierung“ verringert sich die Grunderwerbsteuer für selbstgenutztes Wohneigentum auf 1%. Wäre das nicht eine gute Anregung für die von der Ampel angestrebte „flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer“?
Ansichtssache
Es lohnt sich der Blick über Grenzen. In der Region Brüssel gibt es zusätzliche Freibeträge für Energieeffizienz.
Christian König ist Hauptgeschäftsführer beim Verband der Privaten Bausparkassen und arbeitet seit über 15 Jahren für den Verband. Davor war er als Managing Director für die European Federation of Building Societies aktiv. In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.