Im Gespräch: Marc Pinto

Komplexität von Private Credit treibt Moody's um

Die strikte Bankenregulierung nach der Finanzkrise hat den Private-Credit-Märkten ein rasantes Wachstum beschert. Bislang trug das eher zu einer Stabilisierung bei. Doch die Risiken seien nicht verschwunden, warnt Marc Pinto, Head of Private Credit bei der Ratingagentur Moody's.

Komplexität von Private Credit treibt Moody's um

Komplexität von Private Credit treibt Moody's um

Marktvolumen verzehnfacht sich laut Morgan Stanley innerhalb eines Jahrzehnts – Ratingexperte warnt vor „Informationsasymmetrie“

Von Philipp Habdank, Frankfurt

Die strikte Bankenregulierung nach der Finanzkrise hat den Private-Credit-Märkten ein rasantes Wachstum beschert. Bislang trug das eher zu einer Stabilisierung bei. Doch die Risiken seien nicht verschwunden, warnt Marc Pinto, Head of Private Credit bei der Ratingagentur Moody's.

Der Boom der Private-Credit-Märkte könne die Investoren nicht kalt lassen, konstatiert die US-Investmentbank Morgan Stanley in einem aktuellen Report. Das Marktvolumen habe sich innerhalb von nur zehn Jahren von rund 50 Mrd. auf knapp 500 Mrd. Dollar verzehnfacht. „Der europäische Private-Credit-Markt wächst fast doppelt so schnell wie der US-amerikanische”, sagt Mark Jochims, Head of European Private Credit bei Morgan Stanley Investment Management.

Milliardendeals keine Ausnahme mehr

Fast die Hälfte der Transaktionen im vergangenen Jahr hatten demnach ein Volumen von 350 Mill. Euro oder mehr gehabt. Große Milliardendeals seien längst keine Ausnahme mehr. Ein entscheidender Treiber für diese Entwicklung seien die strengen Kapitalanforderungen für Banken, die seit der Finanzkrise streng reguliert werden. Weil hohe Eigenkapitalvorgaben ihnen die Kreditvergabe erschweren, verlagern sich immer größere Teile des Kreditgeschäfts in den Private-Credit-Markt. 

Ziel der Bankenregulierer war es, die Risiken zu reduzieren. Das funktioniert innerhalb des regulierten Bankensektors, aus dem Finanzsystem verschwinden sie dadurch nicht. „Risiken sind in Bewegung“, sagt Marc Pinto der Börsen-Zeitung. Dem globalen Head of Private Credit der Ratingagentur Moody’s zufolge verlagern sie sich weg aus dem Bankensektor, hin zu Versicherungen und Pensionsfonds – bewegt durch Vermögensverwalter. In dieser neuen Ära des Kredits stünden Banken nicht länger unangefochten im Zentrum des Finanzsystems.

Stabilisierende Wirkung während Krisen

Große Sorgen bereitet das Pinto erstmal nicht. Während der Corona-Pandemie, nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine und auch im Anschluss an den „Liberation Day“ und dem damit verbunden Zollkrieg der USA mit dem Rest der Welt, hätten Kreditfonds die Marktvolatilität reduziert. Denn sie seien eingesprungen, wenn die öffentlichen Kapitalmärkte und Banken bei der Kreditvergabe zögerten. 

Im Gegensatz zum Bankensektor hat die Branche allerdings noch keine echte Bewährungsprobe durchlaufen müssen. Für Ratingagenturen wie Moody’s sei das ein Problem: „Bei den Banken wissen wir aus der Vergangenheit, wie sie sich in bestimmten Krisen verhalten und welche Risiken welche Auswirkungen auf die Banken haben.“ Darüber hinaus setze der Regulator den Banken einen klaren Rahmen, wie sie mit bestimmten Risiken umzugehen hätten. „All diese Erfahrungswerte fehlen uns im Private-Credit-Markt“, sagt der Ratingexperte.

Kein Mangel an Informationen

Die größte Herausforderung für die Ratingagenturen sei dabei die hohe Komplexität im Private-Credit-Markt. Sie erschwere die Einschätzung, wie bestimmte Risiken schlagend werden können. „Unser Job als Ratingagentur ist es, alle Risiken zu verstehen“, sagt Pinto. An der Informationsbeschaffung hapere es dabei nicht, stellt er klar: „Wir bekommen von Private-Credit-Fonds alle Informationen, die wir benötigen, auch wenn wir sie nicht alle veröffentlichen dürfen.“  

Der nahezu unregulierte Markt wachse jedoch rasant und weise eine hohe Konzentration von wenigen großen Anbietern auf, die zudem ein komplexes Produkt-Set verwenden würden. „Im Private-Credit-Markt herrscht eine Informationsasymmetrie“, sagt Pinto. Von außen sei es sehr schwer zu beobachten, wann sich in dem Sektor ein echtes Problem manifestierte: „Es fehlen die öffentlichen Frühwarnindikatoren.“

Womit Ratingagenturen zu kämpfen haben

Regulierer legten einen starken Fokus auf Banken und deren Verbindungen zum Private-Credit-Markt. Die Versicherungsaufsicht konzentriere sich auf die Versicherungen und deren Verflechtungen zu Private-Credit-Fonds. „Die alternativen Assetmanager hingegen sind nahezu unreguliert“, sagt Pinto. Verglichen mit Banken seien Kreditfonds vor allem bei Prozessen und Abläufen deutlich flexibler. 

Wenn ein Bankkunde seine Kreditzinsen beispielsweise nicht fristgerecht bezahlen kann, gilt dies als Zahlungsausfall – und Banken haben klare regulatorische Vorgaben für die Abschreibung des leistungsgestörten Kredits. Kreditfonds hingegen können ihren Kreditnehmern mehr Luft verschaffen. Etwa, indem sie die Zinsen kapitalisiert ans Ende der Kreditlaufzeit schieben und diese verlängern. Mit dieser auch als Amend & Extend bekannten Praxis werden Risiken aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Sie können sich in Wohlgefallen auflösen oder zu einem späteren Zeitpunkt schlagend werden.

Bislang habe der Private-Credit-Sektor eher zur Finanzstabilität beigetragen, als diese zu gefährden, sagt Pinto: „Aber ob das auch langfristig so ist? Wir werden sehen.“