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Kronzeuge legt Belege für Wirecard-Betrug vor

Im Wirecard-Strafprozess hat der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft mit vorgetragenen Dokumenten die Bilanzmanipulationen des Konzerns vor Gericht nachweisen wollen.

Kronzeuge legt Belege für Wirecard-Betrug vor

sck München – In seinen Ausführungen vor der 4. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München I wehrte sich der Kronzeuge Oliver Bellenhaus, der Statthalter von Wirecard in Dubai war, gegen den Vorwurf, er selbst habe hinter dem Rücken des (ehemaligen) Vorstandschefs Markus Braun ein „Schattensystem“ von Bilanzmanipulationen betrieben, um die Konzernabschlussprüfer vorsätzlich zu täuschen. Seinen Worten zufolge haben Ex-Finanzvorstand Burkhard Ley und Braun versucht, aufgekommene Zweifel an der Existenz des Drittpartnergeschäfts zu zerstreuen. „Braun war die Kontrollinstanz des Verfahrens“, sagte Bellenhaus dem Gericht unter Vorsitz von Markus Födisch. In seiner Stellungnahme griff der Kronzeuge die beiden anderen Angeklagten direkt an. „Dr. Braun und Stephan von Erffa sitzen hier herum und behaupten, dass dieses TPA-Geschäft existiert habe, dieses Geschäft existierte aber nicht“, sagte er. „Braun und von Erffa tun so nach dem Motto: Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts.“ TPA steht für Third Party Acquiring, also das Drittpartnergeschäft.

Braun wird sich äußern

Eine Sonderprüfung von KPMG in Auftrag des damaligen Aufsichtsrats hatte im Frühjahr 2020 ergeben, dass diese überwiegend in Asien verbuchten TPA-Aktivitäten faktisch nur auf dem Papier bestanden haben. Nach den aufgeflogenen Bilanzmanipulationen brach das Dax-Mitglied Wirecard im Juni 2020 zusammen.

Von Erffa war damals Chefbuchhalter des Zahlungsabwicklers mit Sitz in Aschheim bei München. In den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft soll er bereits ein Teilgeständnis abgelegt haben. Vor Gericht hat er sich bisher noch nicht zu den Tatvorwürfen der Strafjustizbehörde geäußert. Brauns Strafverteidiger Alfred Dierlamm kündigte kurz davor an, dass sich der Ex-CEO vor der Strafkammer persönlich äußern werde, wenn Bellenhaus seine Stellungnahme beendet habe. Am vorherigen Verhandlungstag legte Bellenhaus zu Beginn seiner Ausführungen vor Gericht ein umfangreiches Geständnis ab (vgl. BZ vom 20. Dezember). Der frühere Konzernmanager am Standort Dubai ist der Hauptbelastungszeuge der Staatsanwaltschaft München.

Dierlamms Taktik ist, diesen als unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Brauns Rechtsbeistand will Bellenhaus’ Beschuldigungen widerlegen, dass der frühere Vorstandsvorsitzende der Kopf der Betrügerbande gewesen sei. Die Strafermittler werfen den drei Angeklagten u.a. „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“ vor. Die Staatsanwaltschaft führt den ehemaligen Wirecard-CFO Ley, der nach langer Tätigkeit Ende 2017 das Unternehmen verlassen hatte, dem Vernehmen nach weiterhin als Beschuldigten. Bellenhaus berichtete über hausinterne widersprüchliche Unternehmensdaten und führte zahlreiche Dokumente über manipulierte Zahlungsvorgänge zu angeblichen TPA-Geschäften auf, die die kriminellen Betrügereien nachweisen sollen. Damit widersprach er nach eigenen Worten der Auffassung von Rechtsanwalt Dierlamm, dass es keine überzeugenden Belege für Bilanzmanipulationen unter Brauns Federführung gebe.

Bellenhaus veranschaulichte, wie die operative Marge im TPA-Geschäft in den Jahren 2014/15 von 44% auf 55% nach Konzernangaben gesprungen sein soll, obgleich der Umsatz in diesem Segment im gleichen Zeitraum gemäß den Unternehmensunterlagen deutlich schrumpfte. Die vom Konzern damals angegebene Transaktionszahl von 2 Milliarden jährlich im TPA-Bereich sei „unrealistisch“ gewesen. Daten über Einzahlungsbelege an den damals von Wirecard aufgeführten arabischen Drittpartner Al Alam seien gefälscht gewesen. Buchungen seien angeblich über Al Alam schon im März 2013 erfolgt, obwohl diese Firma ihre Tätigkeiten offiziell erst im April 2013 aufgenommen habe. Buchungen erfolgten über Leistungen, die gar nicht erbracht worden seien. Eine „Schattengesellschaft“ namens Manboo „machte null Umsatz im Namen und in Auftrag von Wirecard“.

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