Im GesprächChristian Ricken, Vorstandsmitglied der LBBW

"London ist auch nach dem Brexit attraktiv"

Auch nach dem Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union spricht viel für den Finanzplatz London. LBBW-Vorstand Christian Ricken jedenfalls hält den Mehraufwand für die Präsenz in der City für bewältigbar.

"London ist auch nach dem Brexit attraktiv"

Im Gespräch: Christian Ricken

„London ist auch nach dem Brexit attraktiv“

Der LBBW-Vorstand über Engagements in der City und die Zukunft des Euro-Clearings

Die LBBW hat seit vielen Jahren neben ihrem Hauptsitz Stuttgart einen wichtigen Standort in London. Von dort aus steuert sie unter anderem das Geschäftsfeld Credit Markets. Der Brexit hat der Attraktivität des Finanzplatzes London aus Sicht der LBBW kaum Abbruch getan.

Von Detlef Fechtner, Frankfurt

Der Finanzplatz London hat nach Ansicht von LBBW-Vorstandsmitglied Christian Ricken einige gute Argumente für sich, die auch nach dem Abschied Großbritanniens aus der EU Bestand haben. Dazu zählt Ricken „eine große Menge Banken und eine große Menge Talente, insbesondere rund um das Thema Finanzinnovation“. Das sei im Übrigen ein Grund dafür, warum die Landesbank ihr Geschäftsfeld Environmental Products gerade in London aufbaue. „London ist auch nach dem Brexit attraktiv“, betont Ricken im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Größter Syndizierungsmarkt der Welt

Die englische Sprache sei „Marktsprache“, die englische Gesetzgebung „Marktstandard.“ Und: London sei der größte Syndizierungsmarkt der Welt für fast alle Assetklassen. Last but not least sei London eine Weltstadt und liege nahe an Deutschland. „.Wenn ich morgens um 6 Uhr das Haus verlasse, bin ich – mit der einen Stunde Zeitverschiebung – um 7.30 Uhr Ortszeit in London.“

Christian Ricken ist Mitglied des Vorstands der LBBW.

Das Geschäft in London sei durch den Brexit „nicht spürbar schwieriger geworden“, macht Ricken klar. Die LBBW unterhält eine Niederlassung seit 1978, also seit 45 Jahren. Damit ist die „London Branch“ der älteste der 16 Auslandsstandorte der LBBW. Sie sei eine „Third Country Branch“, unterstehe einerseits der britischen Aufsicht, müsse andererseits die aufsichtsrechtlichen Anforderungen der EZB erfüllen. „Durch sie haben wir alle Möglichkeiten, aus London heraus tätig zu werden.“ Es gebe kaum Mehraufwand durch den Brexit. Und dort, wo es ihn gebe, sei er bewältigbar.

Margaret Thatchers Erbe

Die Deregulierung der 1980er Jahre unter Margaret Thatcher sei gewiss ein entscheidender Grund für die gestiegene Attraktivität als Finanzplatz gewesen.

Eine besondere Rolle beim Blick nach London komme dem Euro-Clearing zu. Schließlich habe die LBBW ein großes
Derivategeschäft.  „Das Thema Euro-Swap hat folglich eine große Bedeutung für uns“, unterstreicht Ricken. Die LBBW habe sehr frühzeitig auf eine Partnerschaft mit der Eurex gesetzt. Erstens halte sie es für richtig, dass die systemkritischen Geschäfte in Euro-Derivaten in Europa bei Banken liegen, die von der EZB reguliert werden. Zweitens habe die LBBW erwartet, dass es regulatorischen Druck in diese Richtung geben wird. „Aus dieser Überzeugung konnten wir uns früh erfolgreich positionieren“, unterstreicht Ricken

Die Eurex habe Marktanteile gewonnen im Euro-Swap-Clearing. Ein Großteil des Geschäfts finde dennoch weiter in London statt. Nun zeichne sich ab, dass die EU-Gesetzgeber Klarheit schaffen, welche Teile des clearingpflichtigen Geschäfts in Zukunft über ein aktives Konto in der EU verrechnet werden müssen. Das werde „den Zug Richtung Eurex sicherlich verstärken.“ „Ich glaube, mittelfristig wird es mehrere große Liquiditätspools geben“, so Ricken. London werde im Clearing von nicht Euro-denominierten Assets weiter eine dominierende Rolle spielen.

Verständnis für den Regulator

Ricken zeugt Verständnis dafür, dass es eine der Hauptaufgaben der Regulatoren sei, das Funktionieren des Kapitalmarkts auch in Krisensituationen sicherzustellen. „Und im Falle des Euro-Swap-Clearings reden wir über ein Multi-Billionengeschäft, das auch im Krisenfall zuverlässig gesteuert werden muss.“ Daher halte er es für absolut nachvollziehbar, wenn die EU-Regulatoren Bestrebungen verfolgten, dass sich die aktiven Konten, über die der Euro zu clearen ist, im Euroraum befinden.

Größter Handelsraum in Stuttgart

Ricken erinnert daran, dass das Herz der Bank in Stuttgart ist: „Unser größter Handelsraum ist und bleibt am Hauptsitz in Stuttgart. Das Kapitalmarktgeschäft wird gesamthaft aus der Zentrale gesteuert.“ Hier habe die LBBW die meisten Geschäftsfelder in Stuttgart zentriert, das Geschäft mit Aktien und Aktienderivaten, das Primärmarktgeschäft und das Geschäft mit Anleihen und Währungen.

Frankfurt für die Landesbank nur zweite Geige

Ein großes Geschäftsfeld aus London heraus sei Credit Markets. Dazu zählten der Handel von Anleihen oder auch strukturierte Produkte rund um Credit Default Swaps und Credit Linked Notes. Frankfurt sei derweil für das Kapitalmarktgeschäft von sekundärer Bedeutung. Die LBBW habe am Main einige Handelstische und Product- und Sales-Experten, aber das Gros liege in Stuttgart sowie ein wichtiges Geschäftsfeld eben in London. Über das Kapitalmarktgeschäft hinaus verfolge die Bank in London Aktivitäten in der Immobilien- und Projektfinanzierung für UK und Irland sowie in der Exportfinanzierung. „Über alle Aktivitäten hinweg haben wir etwa 80 Beschäftigte in London.“

Fragmentierter Finanzplatz

Bleibt die Frage, welche Verschiebungen sich durch den Brexit insgesamt Richtung Deutschland ergeben haben. Ricken zufolge sind hier nicht alle Chancen ergriffen worden. So seien zwar nach dem Brexit Assets nach Deutschland verlagert worden, jedoch seien nicht so viele Mitarbeiter gekommen. Banken hätten ihr Personal in dieser Zeit  fragmentiert auf andere Standorte verteilt – „einige sind nach Amsterdam gegangen, andere nach Luxemburg, nach Dublin, wieder andere nach Paris“.

Man sollte, fordert Ricken, in der Interessensvertretung des Finanzplatzes konsequenter sein und die Motive derjenigen verstehen, um die man wirbt: „Ich denke man hätte spürbar mehr unternehmen können, um die Attraktivität, etwa auf der steuerlichen Seite, zu verbessern.“ Hier seien andere schneller und pragmatischer gewesen. Langfristig halte er die Vernetzung zwischen dem Finanzplatz und den universitären Ausbildungsstätten für bedeutend. An einigen seien durchaus noch Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit mit Banken zu spüren. „Wir sollten hier noch viel offener sein."

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