M&A-Welle steht bevor
Im Gespräch: Karim Rochdi
Fondsmanager erwartet 2026 M&A-Welle
Bewertungsdifferenz zwischen Aktienmarkt und Immobilienmarkt – Einer muss den ersten Schritt machen – Große Assetmanager prädestiniert
Von Thomas List, Frankfurt
Bei Immobilienaktien wird es zu einer Welle von Fusionen und Übernahmen kommen – spätestens 2026. Diese Ansicht vertritt Karim Rochdi, Gründer und Geschäftsführer von Aventos, ein inhabergeführter Investmentmanager. Er begründet das mit den Spreads beim Net Asset Values (NAV). „Es geht um die potenzielle Arbitrage zwischen dem, was wir auf dem direkten Immobilienmarkt sehen und dem Aktienmarkt.“ Dieses Delta gebe es zwar schon seit einigen Jahren in unterschiedlicher Intensität, sagte der promovierte Immobilienökonom im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Anfangs erwartet man ja, dass dieser Unterschied nur temporärer Natur ist. Denn der Immobilienaktienmarkt reagiert im Vergleich zum direkten Markt in einigen Bereichen deutlich schneller.“ So hätten die Aktien 2022 sofort auf die Zinswende reagiert.
Zinsniveau hat sich gefestigt
Inzwischen habe sich das Zinsniveau zumindest einigermaßen stabilisiert. „Die erheblichen NAV-Spreads zwischen den börsennotierten Gesellschaften und den Werten auf dem direkten Immobilienmarkt existieren aber weiter. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass bei länger andauernden Spreads die M&A-Transaktionen zunehmen.“ Rochdi erwartet, dass es angesichts des sich langsam verbessernden Sentiments zu mehr Übernahmeangeboten kommen wird. „Selbst wenn Übernahmeprämien bezahlt werden müssen, gibt es immer noch ausreichend Luft für eine faire Bewertung der Immobilienportfolien.“
Immobilienwerte lassen sich aus Transaktionsdaten ableiten. Doch an Transaktionen mangelt es bisher, sowohl in Deutschland als auch weltweit. „Nimmt man die Cap Rates aus den Marktdaten, also den zugegeben relativ wenigen An- und Verkäufen am Immobilienmarkt, und vergleicht sie mit den Implied Cap Rates, also das Verhältnis aus operativem Nettoeinkommen und Marktkapitalisierung plus Nettoschulden, sieht man ein Delta.“ Es komme eben nicht auf die gutachterlich festgestellten Bewertungen an, die ja häufig nicht dem aktuellen Marktgeschehen entsprechen, sondern langfristig ausgerichtet sind.
Rochdi beobachtet bei Immobilienaktien in Europa wesentlich höhere Abschläge auf den NAV als in den USA. Das zeigt auch die im April veröffentlichte jüngst Ausgabe des „Listed Real Estate Report“ von Aventos . „Das liegt daran, dass es in den USA einige Sektoren wie Rechenzentren gibt, die über NAV gehandelt werden.“ Daher werde Europa vermutlich zuerst von einer Übernahmewelle getroffen. Je nach Nutzungsart unterscheiden sich die Spreads allerdings. „Bei Logistik ist der NAV-Spread relativ überschaubar. Daher dürfte dort eine geringe M&A-Aktivität zu erwarten sein.“ Anders sehe es dagegen bei Büros und im Einzelhandel aus. „Da sprechen wir von einem Spread von 20 oder 30%.“
Schwergewichte gehen voran
Die großen Assetmanager Blackstone und Brookfield waren in der Vergangenheit in diesem Bereich sehr aktiv. „Solche großen Kapitalsammelstellen dürften in erster Linie Gesellschaften mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 1 Mrd. Euro im Visier haben. Klassische Small Caps kommen für diese Investoren nicht infrage“, sagt Rochdi.
Vorläufig offen bleibt für ihn die Frage, ob sich in Europa auch andere Investoren finden, die sich Small Caps annehmen. „Die großen M&A-Transaktionen der Vergangenheit im Immobilienaktiensektor waren stark von strategischen Überlegungen geprägt. Bei Privatisierungen (Public-to-Private) waren vor allem Blackstone und Brookfield aktiv.“ Grundsätzlich sei es denkbar, dass künftig kleinere Investoren kleinere Immobilienaktiengesellschaften übernehmen werden.
Allerdings gebe es nicht viele Investoren, die dazu in der Lage seien. Denn die klassische objektbezogene Due Dilligence ist bei dieser Art von Transaktionen nur eingeschränkt möglich. Daher müsse vorwiegend auf öffentlich zugängliche Informationen zurückgegriffen werden, was viele Investoren aufgrund ihrer Fonds-Statuten nicht dürfen. Zudem ist das finanzielle Risiko groß, denn die sogenannten Sunk Costs, also die Kosten für einen gescheiterten Übernahmeversuch sind erheblich. Rochdi: „Und es geht um die Frage: Wie viel opportunistisches Kapital ist bereit und in der Lage, derartige Gesellschaften zu übernehmen?“ Letztlich gehe es um Übernahmen im dreistelligen Millionenbereich.
Für die bestehenden Immobilienaktieninvestoren wäre eine M&A-Welle ein Werttreiber, sprich potenzielle Übernahmeobjekte würden im Kurs steigen. „Dieser Werttreiber ist für uns aber nicht der einzige und schon gar nicht der ausschlaggebende. Denn darauf können wir uns nicht verlassen.“ Das Beispiel der Alstria habe gezeigt, wie lange es dauern könne, bis ein von vielen Marktteilnehmern identifizierter Übernahmekandidat auch tatsächlich übernommen wird. „Wir achten bei unseren Fondsobjekten auch auf die Unternehmensstruktur und das Management.“
Klare Strategie hilft
Attraktive Übernahmekandidaten zeichnen sich für Rochdi dadurch aus, dass sie sehr homogen investiert sind, also in einer Jurisdiktion bzw. einem Land und einer Assetklasse mit einer Marktkapitalisierung von unter 1 Mrd. Euro. „Das ist aus Investorensicht ein einfach verständlicher Business Case. Für uns hat die Vergangenheit gezeigt: Je einfacher eine Immobilienaktiengesellschaft aus Investorensicht zu bewerten ist, umso größer ist deren potenzielle Wertentwicklung.“
Auch die Zusammensetzung des Aktionariats spielt aus Sicht Rochdis eine große Rolle bei der Bewertung eines Übernahmekandidaten. „Bei größeren Gesellschaften gibt es passive Investoren. Die kann man größtenteils ausklammern. Wichtig ist aber: Gibt es einen oder mehrere Großaktionäre? Das ist meistens ein Blocker, weil es die erst zu überzeugen gilt.“ Besser wäre ein sehr breit gefächertes Aktionariat mit einem hohen Freefloat.
Nationale Rechtsordnungen spielen für Rochdi eine untergeordnete Rolle. „Die grundlegenden Übernahmeregelungen sind überall gleich. Viel wichtiger ist: Gibt es eine Übernahmeempfehlung des Managements? Ist das Pricing ausreichend und attraktiv genug?“
Den Beginn der Übernahmewelle erwartet Rochdi dann, wenn die institutionelle Investorenschaft grundlegend wieder bereit ist, mehr Geld in Immobilien zu investieren. „Da wir jetzt schon in der Jahresmitte sind und kaum ein Investor jetzt noch seine Jahrespläne ändern wird, erwarte ich verstärkte M&A-Aktivitäten erst im kommenden Jahr.“ Im Moment sehe man nur weniger „contrarian investors“, also solche, die gegen den Strom schwimmen – „weder in den USA noch in Europa.“ Ankündigungen gebe es zwar viele. „Aber die wenigsten tun es tat-sächlich.“
Wenn der Zyklus wieder beginne, würden die Investoren wieder mehr Mut fassen, grundsätzlich Geld zu investieren – „losgelöst vom Preis“, ist Rochdi überzeugt. „Man kann davon ausgehen, dass sich diese Schockstarre 2026 wieder lockert.“ Als Vorreiter sieht Rochdi die großen Assetmanager wie Blackstone und Brookfield. „Selbst wenn die nur einen kleinen Teil ihrer Mittel in Immobilien-Aktien investieren würden, wäre das ein riesiger Betrag.“