"Mifid II geht ein Stück zu weit"
Das EU-Regelwerk Mifid II wird Alternativen zum provisionsbasierten Fondsvertrieb stärken, sagt der Chef des europäischen Assetmanagers Candriam. Zusätzliche Transparenz sieht er positiv, doch schieße die Reform zum Teil über ihr Ziel hinaus.Von Jan Schrader, FrankfurtDie provisionsbasierte Wertpapierberatung steht aus Sicht der Fondsgesellschaft Candriam Investors vor einem Rückgang in Europa. Die Vorgaben der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II, die ab Anfang 2018 angewendet wird und die Voraussetzungen für Zuwendungen im Fondsverkauf verschärft, begünstige eine Umstellung der Vertriebspraxis, sagt Chief Executive Officer Naïm Abou-Jaoudé im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die ehemalige Fondstochter der gescheiterten belgisch-französischen Bankengruppe Dexia setzt im Geschäft mit privaten Kunden etwa auf Themenfonds und nachhaltige Produkte und bietet sogenannte Clean Shares an, also Fondsanteile ohne Einbeziehung von Vertriebsprovisionen, um je nach Kundenbedarf und Vertriebsmodell das passende Instrument parat zu haben, wie Abou-Jaoudé betont.Das Regelwerk schafft aus Sicht des Firmenchefs durch zusätzliche Offenlegungspflichten mehr Transparenz für den Anleger – ein positiver Aspekt der Richtlinie, wie er sagt. Strengere Regeln zur Verwendung von Vertriebsprovisionen sieht er jedoch kritisch, die Reform geht ihm “ein Stück zu weit”. Auch könne die Richtlinie mit ihrem Produktregeln zu einer begrenzten Fondsauswahl in der Beratung führen.Damit äußert auch Candriam – der Name steht für “Conviction and Responsibility in Asset Management” – ähnlich wie einige andere Branchenvertreter, dass Mifid II den Vertrieb spürbar beeinflussen wird. Ein “Provisionsverbot durch die Hintertür”, wie zeitweise in der Fondsbranche befürchtet, bleibt zwar aus, allerdings könnten die Transparenzvorschriften und der nun stärker betonte Grundsatz, dass Vertriebsprovisionen eine Qualitätsverbesserung für den Anleger ermöglichen müssen, alternative Modelle stärken. Denkbar sind etwa eine weitere Verbreitung von Depotmodellen mit einheitlichen Gebühren (“Flat Fee”) oder ein verstärkter Vertrieb über Online-Kanäle. Abou-Jaoudé argumentiert, dass Sparer mit kleineren Anlagebeträgen außen vor bleiben könnten, weil ein ausdrücklicher Preis für die Beratung bei kleinen Anlagebeträgen zu hoch erscheint. “Durch den Rückgang der Vertriebsprovisionen wird es schwieriger, Sparer mit kleinem Vermögen zu bedienen”, sagt er. Größe hilftFür die eigene Gesellschaft, die in Deutschland über Vertriebskanäle wie Privatbanken und Versicherer auch an Privatleute herantrete, seien die neuen Vorgaben aber kein Nachteil. Die Gesellschaft kommt in Frankfurt nach eigenen Angaben auf 4,5 Mrd. Euro verwaltetes Vermögen per Ende 2016, vergleichbare Daten wie in der Branchenstatistik des Fondsverbands BVI fehlen aber.Mit einem verwalteten Vermögen von 111 Mrd. Euro, das insbesondere durch hohe Zuflüsse in den Vorjahren erzielt worden sei, stehe die Gesellschaft, die Fondsmanagementzentren in Brüssel, Paris, London und Luxemburg unterhält, solide da, sagt Abou-Jaoudé. Steigender Kostendruck in der Branche führe dazu, dass ein gewöhnlicher Assetmanager heute einen mittleren bis hohen zweistelligen Milliardenbetrag verwalten müsse, um profitabel arbeiten zu können. Der wirtschaftliche Druck begünstigt aus seiner Sicht vor allem in der passiven Vermögensverwaltung größere Fonds und Gesellschaften. Aktive Manager wie Candriam, die sich über Anlageerfolge hervortun wollen, erreichen laut Abou-Jaoudé schneller einen Umfang, ab dem ein Zuwachs keine großen Kostenvorteile mehr bringt. Eine von vielen TöchternCandriam ist allerdings nicht eigenständig: Die Investmentsparte des US-Versicherungskonzerns New York Life gab 2013 den Kauf der damaligen Dexia Asset Management bekannt und gliederte sie in ihre Reihe von Tochterfirmen ein, darunter spezialisierte Adressen für alternative Anlagestrategien, Private Equity, Hochzinsanleihen und ETF. Candriam dient in dem Firmengeflecht als Tor nach Europa und erreicht Kunden überwiegend aus Frankreich, Belgien, Luxemburg, Italien und Spanien. Tragende Säule im Mutterkonzern ist New York Life Investors, wo annähernd die Hälfte aller verwalteten Mittel liegen. Insgesamt steuert New York Life im Assetmanagement 539 Mrd. Dollar.Die vielen Töchter unterstützten sich gegenseitig, sagt Abou-Jaoudé, etwa im Vertrieb und in der Präsenz rund um den Globus. So erreiche Candriam auch Kunden in den USA, Korea, Japan, Australien und dem Nahen Osten. Als Chairman im internationalen Investmentmanagement der Konzernmutter solle er mitwirken, Kooperationen zu stärken. Klein genug, um flexibel zu sein, aber mit großen Netzwerk sei Candriam unterwegs – “das Beste aus zwei Welten”, wie er sagt.