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"Mister Corporate Finance" der Helaba tritt ab

Von Bernd Wittkowski, Frankfurt Börsen-Zeitung, 27.3.2020 Am heutigen Freitag würde sich im Frankfurter Main Tower eigentlich eine sehr reputable Festgesellschaft einfinden, um einen hochverdienten Mann zu würdigen und in einen neuen...

"Mister Corporate Finance" der Helaba tritt ab

Von Bernd Wittkowski, FrankfurtAm heutigen Freitag würde sich im Frankfurter Main Tower eigentlich eine sehr reputable Festgesellschaft einfinden, um einen hochverdienten Mann zu würdigen und in einen neuen Lebensabschnitt zu verabschieden, dem man den großen Bahnhof ob seiner Meriten von Herzen gegönnt hätte. Doch: Würde, hätte, Fahrradkette. Das Coronavirus macht einen Strich durch die Rechnung. Norbert Schraad, von dem hier die Rede ist, seine Kunden, Kollegen und andere Weggefährten müssen sich den Gegebenheiten beugen. Die Feier fällt der Pandemie zum Opfer, was die eingeladenen Gäste ebenso bedauern wie der offiziell Ende Mai, faktisch aber schon in wenigen Tagen ausscheidende Firmenkundenvorstand der Helaba selbst. Bank ohne FirmenkundenSchraad, der am 7. Mai sein 65. Lebensjahr vollendet, blickt auf 35 Jahre Bankgeschäft und davon 27 Jahre Helaba zurück. Als der Diplom-Ingenieur, studierte Betriebswirt und promovierte Volkswirt 1993 bei der Landesbank anfing und die Leitung der neuen Abteilung Strukturierte Finanzierungen – einer Einheit mit zunächst zwei Mitarbeitern und einer Sekretärin – übernahm, habe er bald feststellen müssen, dass das Institut “praktisch keine Unternehmenskunden hatte”. Der damaligen Strategie entsprechend sei die Bank mit ihrem Triple-A-Rating fast ausschließlich in Konsortien mitgeschwommen und habe so Erträge generiert, erinnert er sich in seiner ungehaltenen Abschiedsrede.Es war also Aufbauarbeit zu leisten, und die Helaba gab Schraad, dessen Berufsweg 1985 bei der Deutschen Bank begonnen hatte und dort über die Stationen Lübeck, Hamburg, Frankfurt und New York führte, die Möglichkeit dazu. Die Bank wurde grundlegend verändert, einhergehend mit einem inneren Kulturwandel eine neue Strategie – “Helaba 2003” – aufgesetzt, die die Vision einer kundenorientierten Bank mit Führungspositionen in anspruchsvollen Produkten vorgab, und ein Zielkundenmanagement eingeführt. Es entstanden neue Produktfelder wie Projekt- und Flugzeugfinanzierung oder – später wieder aufgegeben – Internationales Leasing.Der Helaba gelang es, die Tür zu Großkunden aufzustoßen und Cross-Selling-Potenzial zu nutzen. Als einen Meilenstein nennt Schraad den Kauf einer 50-prozentigen (2016 wieder abgestoßenen) Beteiligung an der Hannover Leasing, die für die Geschäftsfelder Corporate Finance und Assetmanagement von fundamentaler Bedeutung gewesen sei. Zum Ausbau des Kundengeschäfts trug auch der bei der Landesbank Ende der neunziger Jahre etablierte Bereich Asset Backed Securities (ABS) bei. Die Papiere gerieten im Zuge der Finanzkrise in Verruf, doch die Helaba wurde, so Schraad, “zum leuchtenden Stern”, weil sie intern beizeiten vorgegeben hatte, was geht und was nicht geht. So habe sie sich mit ABS keine Verluste eingehandelt. Ökonomie und TechnologieHeute hat die Helaba im Firmenkundengeschäft eine Marktposition erreicht, von der wohl auch Schraad selbst in den neunziger Jahren nicht zu träumen gewagt hätte. Das Geschäftsvolumen des Bereichs Corporate Finance hat sich innerhalb von 20 Jahren auf rund 50 Mrd. Euro mehr als versechsfacht, die Erträge stiegen jahresdurchschnittlich um 7 % auf zuletzt 366 Mill. Euro, und der ihm unterstellte Vertrieb warf im vorigen Jahr einen Ertrag von 456 Mill. Euro ab.Als “Elixier für Motivation und Arbeit” sah Schraad stets das für ihn faszinierende Spannungsfeld von Geld, Ökonomie und Technologie. Dieses bewog ihn auch, sich früh mit der Projektfinanzierung zu beschäftigen. Sein Aufstieg bei der Helaba führte über die Leitung des 2012 in Corporate Finance umbenannten Bereichs Spezialfinanzierungen (1995) und die Position des Generalbevollmächtigten (1998) schließlich 2006 in den Vorstand. Sportskanone im VorstandDer aus Lohne (Oldenburg) stammende verheiratete Vater zweier Kinder war bisher nicht nur der “Mister Corporate Finance” der Helaba, sondern obendrein die unangefochtene Sportskanone im Vorstand: Schwimmen, joggen, golfen, Treppen steigen im Main Tower und nicht zuletzt mit dem Fahrrad zur Arbeit und abends nach Hause in den Taunus fahren – das hält jung, und nicht von ungefähr bezeichnen manche in der Bank den Firmenkundenchef als “Naturereignis”. Die weitere Entwicklung der Helaba will Schraad, dessen Aufgaben auf andere Vorstandsmitglieder verteilt werden, “nach Corona” vom Feriendomizil am Lago Maggiore aus verfolgen.